Page 296

27f 32-2

Geschädigten werden. Dieser liess Maviingo unbesorgt eine mehrmonatige Reise mit uns antreten, strich aber natürlich den Lohn ein. Eine weise Frau und Hebamme wurde hörig, weil ihr das eben geborene Kind einer Freien, das schon geschrieen hatte —‘ nsämbu, Seite 166 ¡ ¡ |, unter den Händen starb. Unser Wäscher verübte einen der wenigen Diebstähle, die in unserem Gehöft vorkamen. Ein nicht genügend verwahrtes Fass Rum war für ihn zu verführerisch, er bohrte es an und zapfte ziemlich viel vom köstlichen Nass. Seine Leute ersetzten den Schaden und zahlten die Busse, doch nahmen sie den Mann, weil die Familie nicht aufkommen konnte oder wollte. Einer unserer Leibdiener war von seinem Onkel verpfändet' worden. Der Onkel hatte einen misslungenen Handelszug mit geliehenen Gütern unternommen, die er vorläufig nicht ersetzen konnte. Es ist immer dasselbe: der Grosse, der Reiche, das Mitglied einer angesehenen Familie oder der Genosse reicher Freunde oder eines Geheimbundes bezahlt durch Vermittlung der Erdschaft, der Geringe, der Arme gerät in Hörigkeit. Solange zwischen Erdschaften ein Streitfall schwebt, vermeiden alle, die Erden der Gegner zu betreten, lassen sich auch nicht listig, oft durch Weiberkünste, dahin verlocken, oder vertrauen unter Umständen ihrer Findigkeit und der Schnelligkeit ihrer Beine. Das gibt bisweilen eine recht lustige Hatz. Auf neutraler oder eigener Erde spotten sie des missglückten Anschlages. Leider verlaufen die Grenzen meistens recht unsicher, wodurch neue Verwicklungen entstehen, die der Palaverlust eben recht sind. Man hat doch immer etwas vor. Mancher Reisende hat zu klagen über Ungehorsam oder scheinbare Niederträchtigkeit seiner Leute, die sich plötzlich weigerten, ein Gebiet zu kreuzen. Sie wussten warum. Irgendein Rechtshandel ihrer Erdschaft ist noch nicht geschlichtet; vielleicht schwebt eine Schuld, oder es ist vorzeiten ein Topf zerbrochen, ein Fetisch gekränkt, ein Zoll nicht bezahlt worden. Gewarnt oder nicht gewarnt fürchten die Leute, einen der Ihrigen als Geisel zu verlieren. Oft mögen sie die Verhöhnung ihrer Dummheit noch mehr fürchten, weil Erdschaften sich gern hänseln. Da bleibt dem Reisenden nichts übrig, als ein weiter Umweg oder Umkehr oder Anwerbung neuer Träger, wenn er es nicht für klüger und billiger hält, die: Ansprüche der hinderlichen Erdschaft in einem Palaver zu befriedigen, was natürlich den Beteiligten am besten gefallen würde. Ein Gläubiger, der es mit einem leichtsinnigen oder böswilligen Schuldner zu tun hat, nicht länger warten .will und seine Erdschaft nicht für seine Privatsache gewinnen kann, vielleicht, weil er unbeliebt, ein arger Wucherer ist, macht sich ebenfalls das Erdrecht zunutze. Zunächst zieht er allein oder mit Familienangehörigen nach Dörfern, Tanz- und Marktplätzen und schreit die Schlechtigkeit seines Schuldners in alle Welt. Dergleichen berührt empfindlich. Der Schuldner mag jedoch ein hartgesottener Sünder sein. Dreist tritt er in Person seinem Ankläger gegenüber oder schickt Freunde und bezahlte Leute, um ihn zu überschreien. So können die Anstrengungen des Gläubigers vergeblich sein. E r wird vielleicht von übermütigen oder ergrimmten Unbeteiligten verhöhnt oder gar fortgewiesen. Nun muss er nachdrücklicher Vorgehen, das Hungerleiden anwenden. Nämlich er, der Gläubiger hungert, damit sein Schuldner bezahle. E r begibt sich auf dessen Erde, setzt sich vor dessen Hütte, wehklagt Tag und Nacht, nimmt weder Speise noch Trank, wird allmählich elend und schwach oder weiss wenigstens so zu erscheinen und beinahe zu sterben. Es tut nichts, falls sich der Schuldner verzogen hat. Von dem hat er doch nichts zu erwarten, desto mehr von dessen Erdschaft. Der Gläubiger sitzt auf- des Schuldners Erde, sein Recht wird nicht bestritten. Niemand darf ihn verdrängen. Je hartnäckiger er im Hungern ist, desto bedenklicher wird die Angelegenheit für die Erdschaft. Sie hat es zu verantworten, falls er erkrankt oder gar stirbt. Wenn alle List, alles Zureden, die schönsten Versprechungen nichts fruchten, dann ist man gezwungen, palavern, zu bezahlen oder den Schuldner oder einen seiner Angehörigen auszuliefern. Ein Verschuldeter stirbt. Sogleich eilen seine Gläubiger herbei. Ein jeder tritt zu dem Toten, legt die Hand an einen Fuss und nennt ihm ins Angesicht die Höhe seiner Forderung. Vielfach wird auch auf einen in die Erde gestossenen Säbel geschworen, den dabei die Hand berührt. Gläubiger, die nicht befriedigt werden, verhindern das ehrliche Begräbnis. Sie rollen den Leichnam in grobes Papyrusgebinde, machen einen Popanz daraus und hängen diesen auf ihrer Erde in Sicht eines viel begangenen Pfades etwa in Manneshöhe wagrecht zwischen zwei Pfosten auf (Abbildung I 178). Damit sind aber alle ihre Ansprüche an Lebende e rloschen; ihre Rechte haften einzig und allein am Menschen, am Leichnam. Dieser soll unantastbar sein. Doch wurde mir erzählt, dass treue Hörige ihren toten Herrn stahlen, begruben und nicht erwischt wurden. Andernfalls hätten sie seine Schulden tilgen müssen. Sobald er aber in der Erde ruhte, war alles gut. Die Gläubiger wurden ausgelacht. Mancher Leichnam mag hängen, bis er mit allem, was drum und dran ist, zerfällt. Aber so weit lassen es die Angehörigen selten kommen. Denn die Schande ist gross. Und was wird erst die Seele anstiften? Deswegen wird der Tote womöglich schon im Trauerhause ausgelöst, indem man bezahlt oder bürgt oder Geiseln, Hörige stellt. In solcher und anderer Weise geraten Menschen in Abhängigkeit und Unfreiheit, und schliesslich durch Palaverbeschluss in rechtskräftige Hörigkeit Dadurch verlieren sie zwar die Selbstbestimmung und manche 16 Lo&ngo.


27f 32-2
To see the actual publication please follow the link above