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gerade bald gekrümmt sind. Ob mit oder ohne Kreis, Bogen, Haken, immer ist das Kreuz die Hauptsache und in Loängo zweifellos ein Sinnbild des Kreuz- oder Gabelweges, wo gerichtet, geschworen, gebannt wird. Wäre es zu gewagt, ähnliche Zeichen bei anderen Völkerschaften: Swastika, Triskeles und ändere im nämlichen Sinne zu deuten ? Um die Wirkung dieser Zeichen zu erproben,, brachte ich mehrere gleich Drudenfüssen im Haupteingange unseres Gehöftes an. Hökerinnen, die des Morgens kamen, stutzten, besprachen sich, kehrten um und betraten den Hof von der Rückseite. Etliche Männer zauderten wohl, schlängelten sich aber um die Türpfosten an den Zeichen vorbei. Das auf einem viel belaufenen Pfade eingerissene Kreiskreuz blieb während des ganzen Tages unberührt. Die Passanten drängten sich seitlich längs des hohen Grases vorüber und Hessen an der Stelle vielerlei Blätter, und Halmstückchen fallen. Das sollte bedeuten: ich denke daran. Erst als es herauskam, dass ich wieder einmal experimentiert hatte, schwand die Scheu. Aber man steckte sich hinter meinen Jungen, der um den Auftrag bat, das Zeichen zu verwischen. Das Hinwerfen von Merkzeichen an solchen Stellen hängt mit einem anderen Brauche zusammen, der geübt wird, nachdem es gelungen ist, einen ernsthaften Streit zwischen Erdschatten in Güte zu schlichten. Ealls man nicht einen Merkpfosten setzt, kubända macht, wird ein Feind- schaftsbegraben gefeiert. Die ganze Angelegenheit wird sinnbildlich- unter allerlei Zauber in einen Topf oder Korb getan, und dieser auf einem mpämbu der Erde anvertraut. Damit ist die ganze Geschichte, endgültig abgetan. Alle dabei Gewesenen nebst Anhang pflegen beim Passieren etwas Grünes hinzuwerfen, was auch andere mittun, da es nicht schaden kann. Vielleicht verwendeten die Leute Steine oder Zweige, wie..bei uns daheim vielfach an einem sogenannten Mordfleck, wenn die allenthalben zur Hand wären. Ab und zu findet man auf der gesäuberten Stelle zwischen einer Pfadgabel aus Erde geformt ein bis etliche Meter langes Krokodil oder eine locker gerollte Schlange (Python). Diese manchmal recht naturwahren und ganz künstlerischen Gebilde mit und ohne Zauberkram sind ebenfalls Wahrzeichen, die selbst eine ergiebige Regenzeit überdauern können. —— Die Stellung der Personen innerhalb der Erdschaft ist in der Hauptsache schon besprochen worden. Die Erdsassen gemessen alle Vorteile. Doch sind Unfreie, namentlich Hörige durchaus nicht rechtlos. In Loängo sind gewiss die meisten Menschen unfrei. Die Art der Unfreiheit hängt davon ab, ob eine Person gänzHcb erdlos geworden, das heisst wegen eines Verbrechens von ihrer Erdschaft ausgestossen, von ihrer Erde verbannt und somit aller bürgerlichen Rechte.. beraubt worden ist, oder ob sie noch einen Rückhalt an der Erdschaft hat. Leibeigenschaft, Verbrecher. Fluchtrecht. 235 Familienbeziehungen, die bei alledem gut oder schlecht sein können, ändern daran nichts. Der geächtete oder der entflohene Verbrecher bleibt ja, falls er ein Freier war, zunächst immer noch frei. Aber er hat keinerlei Rückhalt mehr. Darum erstrebt er Anschluss an irgendeine andere Gemeinschaft. Das kann er, indem er sich zu eigen gibt. Der Menschenhunger begünstigt sein Verlangen. Auf anderer, entlegener Erde wiegt seine Schuld nicht schwer, ist auch daheim mit der Verstossung hart genug gerächt. E r wird mehr als ein Unglücklicher, Bedauernswerter angesehen. Das ergibt sich auch aus der unter den Sprichwörten und Weistümern angeführten Mahnung: Wo ein Leibeigener ist, rede nicht von Leibeigenschaft! Auf anderer Erde Zuflucht suchend, tritt der Erdlose als Leibeigener eines Erdherrn in dessen Erdschaft oder vielmehr als Wertstück in deren Vermögen ein. Nur Erdherren und Fürsten können Leibeigene annehmen und vertreten. Andere Besitzer von Leibeigenen gibt es nicht, kann es nach dem Erdrecht nicht geben. Und andere Leibeigene als Sünder und Verbrecher, die man verstiess, statt sie zu töten, und die man früher an die Sklavenhändler verkaufte, gibt es ebenfalls nicht, wenigstens nicht sofern sie. den Bafiöti entstammen — ausgenommen natürlich die Kinder einer leibeigenen Mutter. Zur Zeit des Sklavenhandels, als man um der Menschenware willen für die Europäer Grenzkriege führte oder Stämme des Inneren aufhetzte, galten freilich, des Geschäftes halber, alle Gefangenen als Leibeigene, und man ist noch geneigt, einzeln schweifende Land- und Stammffemde, also bätua, danach zu behandeln. Hätten die Heimat und Anschluss aufgegeben, wenn nicht gezwungen durch schlechte Taten? Dessenungeachtet ziehen vielerlei Personen unbehelligt im Lande umher und leben, wie schon geschildert, als Halbfinge unter den Eingeborenen. Jenseits des Ozeans ist keine Nachfrage mehr nach Menschen. Leibeigenschaft entspricht ungefähr lebenslänglicher Zuchthausstrafe ohne Einkerkerung, mit gelegentlich erschwerenden Zutaten. Wer sie auf sich nehmen muss, gibt sich völlig in seines Herrn Hand. Der beerbt ihn,- verfügt über ihn für sich und für die Erdschaft, kann ihn misshandeln, töten, verkaufen. Der Leibeigene ist mehr zweibeiniges Haustier als Person, is t wirklich Sklave in unserem Sinne, ohne jegliches Recht der Selbstbestimmung. Nur das Fluchtrecht hat er. Und die Neigung, dieses auszunutzen, gilt als ein gesetzlicher Fehler, der, beim Verkaufe verschwiegen, Ansprüche auf .Schadenersatz begründet. Sein Herr, richtiger die Erdschaft, hat ihn zu erhalten und für ihn in jeder Hinsicht einzustehen. Auch heiraten mag er, wenn ihn eine will. Aber von Rechts wegen gibt es für ihn, den Menschen, weder, Eigentum noch Hüttenrecht. Der Erdherr kann nach Belieben unter sein Dach treten und sich seine Habe aneignen. Freilich wird dies selten genug geschehen,


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