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Erdhaufen, woraus Schäfte von Gewehren ragen. Es soll nämlich niemand mit Buschmessern, am wenigsten mit Schiessgewehr zu Markte kommen oder das Menschengewühl kreuzen. Der Bewaffnete soll den Ort umkreisen, sonst büssen ihn die Marktordner hart, es kann ihm bei herausforderndem Wesem sogar an den Kragen gehen, nehmen ihm mindestens die Flinte ab. Diese wird, nach Zerstörung der, Batterie, zu drei Vierteln eingegraben. Oft wird derartig bereits hei Gründung des Marktes ein untaugliches Gewehr als Warnungszeichen angebracht. Diebstahl, Betrug, Zank, Bauferei auf dem Markte werden sehr hart und gewöhnlich auf der Stelle bestraft. Schon Berauschtheit, eine Meinungsverschiedenheit lockt die Marktmeister herbei, die Buhe gebieten, als Schiedsrichter wirken oder Erregte hinausweisen in die Campine. Aber das ist sehr selten notwendig, weil alle Beteiligte, und das mögen viele hundert, oft mehrere tausend Menschen jeden Alters und Geschlechtes sein, schon selbst auf Ordnung und Ehrlichkeit im Verkehre halten, worüber bereits die ältesten Gewährsleute lobend berichten. Der Marktplatz, dessen Frieden arg gestört worden ist, wird bisweilen für längere Zeit gesperrt, unter Umständen sogar verlegt. Wenn zur Königszeit ein Gedenkbalken gesetzt werden sollte, wurde dessen unteres Ende zuvor im Staatsfeuer angekohlt. Dabei mag wohl ab und zu ein Verbrecher, ein Leibeigener getötet und mit eingegraben worden sein, um der Handlung grössere Bedeutung zu verleihen. Heutzutage könnte solches Opfer, das etwa einer unserer Hinrichtungen entspräche, zwar auch noch geschehen, doch kennen wir keinen verbürgten Fall. Bei einem der Friedensschlüsse am Tschiloängo boten allerdings die Eingeborenen den Europäern an, einen Leibeigenen zu töten und einen Balken zu setzen. Es geschah aber nicht. Und nach einem grossen Feindschaftsbegraben im Königsgau erwuchs neuer Verdruss, weil es aufkam, dass die schuldigste der beiden Erdschatten statt des zugestandenen Menschen nur dessen Abbild und Haar mit dem Holzpfeiler untergebracht hatte. Nachahmungen solcher Feierlichkeiten geschehen im kleinen. Als Wahrzeichen dient ein zugespitzter kurzer Knüppel oder Pflock. Bevor dieses Holzstück bis zum Oberende in die Erde getrieben wird, trägt es ein Bote herum, klopft damit an die Umzäunung oder an einen Stützpfosten des Vordaches der Behausung von Erdsassen und ruft zur Handlung. Diese wird ebenfalls an einem mpämbu vollzogen, also an einer Stelle, wo Pfade sich gabeln oder kreuzen. Die beteiligten Erdherrn und Erdschatten bürgen für die genaue Erfüllung dessen, wozu der oder die Eintreiber des Holzes sich verpflichten. Jeder auf diese Weise Gebundene ist ein mubändi, plur. babändi, von kubända, einsetzen, eintreiben, nageln; er ist ein Gepflöckter. An eben solchen Stellen wird der zwingendste Bann und feierlichste Schwur bei der Erde ausgesprochen, der sich ursprünglich doch wohl auf die im Schosse der Erde ruhenden Vorfahren bezog. Der Schwörende kniet auf der Kreuzung oder Gabelung nieder, berührt seine Geschlechtsteile, schlägt die Schenkel, dann Stirn und Erde, streicht Brust und Arme. Auch wird häufig ein Pflock eingetrieben. Wer so geschworen h a t, ist ebenfalls ein Schwurkind — muäna mu nkändu. Verstösst er gegen das Gelöbnis, so verlässt ihn die Lebenskraft, und seine Glieder schwinden. Aber nicht ihn allein trifft das Verhängnis, sondern alle die Seinen aus der Beihe vom nämlichen Gemächte (Totemismus). Das Hauptstück des Ahnen, vielleicht noch durch das Holz dargestellt, ist dabei wesentlich, weswegen Frauen so nicht schwören können. Solche Schwurplätze, wo ja auch Erdgerichte tagen, erwecken eine gewisse Scheu. Es ist da, wie auf unseren Kreuzwegen, nicht recht geheuer. Weniger feierlich geht es her, wenn jemand bei der Erde ein Zeugnis, eine Zusicherung bekräftigt. E r rührt oder nimmt Erde irgendwo. Doch ist auch diese Handlung bedeutungsvoll und wird nicht um Kleinigkeiten getan. Nimm Erde drauf, verwahre dich bei der Erde, wird von einem verlangt. E r reckt den rechten Arm gen Himmel, beugt sich nieder, wobei er oft die linke Hand wie grüssend über die Augen hält, zeichnet mit dem Mittelfinger eine Figur auf den Boden und nimmt daraus ein wenig Staub, den er auf die Zunge bringt. Zuweilen berührt er bloss die Erde mit den Fingerspitzen, während er seine Versicherung abgibt. Das Nämliche geschieht auch unaufgefordert, um besorgte oder misstrauische Fremdlinge zu beruhigen oder zu überzeugen. Als einst ein von Dr. Falkenstein behandelter Europäer in der benachbarten Faktorei einen Aufwärter mit dem Messer verwundet hatte, erschienen wie aus der Erde gewachsen zahlreiche Eingeborene. Bald wälzte sich ein tobender Haufe in unser Gehöft. Die Leute -gebärdeten sich ob der Bluttat wie rasend. Doch sprangen, sobald wir erschienen, die Vornehmsten aus der Menge auf uns los und nahmen feierlich Erde. Die Aufgeregten kamen zu u ns, ihren Gefühlen Luft zu machen und unsere Ansicht zu hören. Sie meinten, der behandelnde Arzt müsste wissen, ob es' sich um die Tat eines Unzurechnungsfähigen handele. Sehr bemerkenswert ist die Zeichnung, die der Erde Nehmende in den Boden kratzt. Sie fällt verschieden aus, je nach der Geschicklichkeit des Zeichners und je nach dem Gebiete, wo man sich gerade befindet. Die vollständige Form ist ein kleiner Kreis mit einem dreiarmigen oder vierarmigen Speichenkreuz. Der Kreis, auch sonst, vielfach angewendet, um einen Abschluss nach aussen anzudeuten, wird aber öfters gar nicht oder unvollständig beschrieben. Dadurch entstehen schlichte drei- und vierarmige Kreuze sowie Haken- und Krückenkreuze, deren Arme bald


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