Männer, die einen Erdherren oder anderen Grossen zu beerdigen haben, nötigen alle auf ihrer Erde Betroffenen sowie alle dem Leichenzuge Begegnenden zu einer Steuer, bestehend in der Hälfte der mitgeführten Habe, wobei es nicht peinlich genau genommen wird. Denn ihr Kummer ist gross und wirksamer Tröstung bedürftig. Auch das Gefolge einer gewöhnlichen Leiche heischt Geschenke. Da vermeidet denn jedermann, eine trauernde Erdschaft zu betreten, einem Leichenzuge zu begegnen oder mehr bei sich zu tragen als die notwendige Kleidung, die zu nehmen der Anstand verbietet. Wer mehr zu verlieren hat, umgeht die Erde oder sucht sich durchzuschlängeln oder vorher zu lösen oder reisst beizeiten aus. Dennoch wird mancher gerupft. So unser Dolmetscher, der mit den Seinigen vom Kullu eine hübsche, ihm von seiner ertrunkenen Schwester zugefallenen Erbschaft auf dem Luntämbi heimtrug. Seinen Weg kreuzte, vielleicht nicht zufällig, ein Leichenzug und plünderte ihn erheblich. Ein andermal wurde unseren eigenen, Sammlungen nach der Station schaffenden Leuten Verschiedenes abgezwackt. Auch betriebsame Frauen und Mädchen, die vom Hökern in Faktoreien heimkehren, müssen es sich gefallen lassen, dass noch so gut verborgene Rumflaschen grösstenteils geleert und Stoffe um tüchtige Stücke verkürzt werden. Nicht belästigen darf man Schwangere, Leidtragende, Sendboten, Kinder, ferner nicht Personen, die zu Palavern berufen worden sind oder heimkehren, nachdem sie sich in der Hexenprobe als unschuldig bewiesen haben. An das Leichenrecht erinnert ein anderer Brauch. Wenn ein als Räuber von Haustieren verhasster Leopard, das Königstier, auch das Staats-, Fürsten- oder Stammes-Totem, erlegt worden ist, wird unter Jubel und Schaugepränge die Beute fleissig in den Ortschaften herumgetragen. Die prahlenden Schützen erhalten auf fremder Erde Geschenke, auf eigener Erde dürfen sie ihnen Begegnende um die Hälfte ihrer Habe erleichtern, in den Dörfern Weiberhütten mit offen stehenden Türen ausrauben, wobei es manchmal arg hergehen mag. Ausnahmen sollen wie beim Leichenrecht gelten. Bisweilen schleppt man noch das bereits stinkende Tier oder auch den roh ausgestopften Balg umher. Doch das gilt als Unfug. Übrigens sind die Leoparden im Küstenstrich ziemlich ausgerottet. Zur Königszeit wurde dieses Jagdfest feierlicher und umständlicher begangen. Der Erleger des Leoparden musste vor dem Ma Loängo oder vor der Makünda oder vor einem der alten fürstlichen Erdherren erscheinen und melden, dass er ein Königstier getötet, wie und warum er es getan habe. Zugleich musste er die Schnurrhaare des Leoparden, die für sehr giftig und zauberkräftig gelten, sowie die als Kraftschmuck begehrten Krallen wohlgezählt aushändigen. Hierauf wurde er seiner Schuld ledig gesprochen, über und über rot eingerieben und reich beschenkt. War er (vielleicht ohne eigenes Verschulden?) ein Leibeigener und hatte er es mit der Makünda öder mit einer anderen Fürstin zu tun, so wurde er in der bekannten Weise als Kind der Erde adoptiert. Manches von diesen alten Volksfesten steht in verschiedenen Erdschatten noch heutzutage in Ehren. Früher soll der enthäutete Leopard wie ein Mensch begraben oder wie eine Hexe, wohl als vermeintlicher Werwolf, verbrannt worden sein. Es hiess aber auch wieder, dass dies nur mit einem sehr seltenen dunkeln, also vielleicht schwarzen Leoparden geschehen sei und dass dem glücklichen Schützen am Königshofe drei Wünsche erfüllt worden wären. Eigenartig ist das Verfahren mit Handelskarawanen, die während der Trockenzeit oft ziemlich weit aus dem Inneren zum Meere wandern. Deren Güter kaufte am liebsten jede Erdschaft selber auf, um sie mit Nutzen weiter zu vertreiben. Dieser Zwischenhandel ist lohnend. Wenn jedoch die Führer der Karawanen geschäftskundige und gewitzte Leute sind, die selbst den Verdienst einstreichen und Maklergebühren sparen wollen, muss man sich begnügen, von ihnen Durchgangszölle zu erheben. Diese werden oft bis zur Rückkehr gestundet. Ruppige Erdschaften sind immer geneigt, die Zölle unerschwinglich hoch anzusetzen, sogar die Güter unter irgendwelchem Vorwande einfach aufzuessen. Ihrer Willkür sind jedoch Schranken gezogen. Die weiter küstenwärts sitzenden Erdschaften wollen auch Handel treiben, auch Zölle erheben und wollen nicht um der Nachbarn willen Einbusse erleiden. Allzusehr bedrückte Händler könnten andere Verbindungen anknüpfen, andere Pfade ein- schlagen, wo ihnen günstigere Bedingungen gestellt werden. Dann wäre es mit den Einkünften aus dem durchgehenden Handel vorbei, weswegen man sich gegenseitig scharf überwacht. Die Erdschaften, die binnenwärts sitzen, wo die gangbaren Wege über das Gebirge in das Vorland auslaufen, haben freilich die Vorhand an der Zollschraube. Sie errichten gern Zollschranken — nssüu, plur. sinssllu, kurze Zäune quer über den Pfad mit einem Tor, wo Wächter herumlungern. Noch wichtiger sind die alten einträglichen Fährstellen, die man den zuverlässigsten Leuten anvertraut, deren Amt sich gewöhnlich in der Familie vererbt. Da die Karawanen aus dem Inneren seit Menschengedenken den durch die Gestalt des Geländes und, wie es scheint, zur Königszeit auch durch Gebote vorgeschriebenen Pfaden folgen, leiten Machthaber daraus ein Recht her, alle Handelszüge, die sie auf ihrer Erde anderswo oder während der Nacht wandernd betreffen, vollständig auszupfänden. Die Sünder haben sich auf Schleichwegen taxfrei durchschmuggeln wollen und dadurch alle Rechte verwirkt. Eigentlich soll niemand sich nächtlicherweile ohne Fackel oder glimmenden Brand
27f 32-2
To see the actual publication please follow the link above