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dann lässt er andere Richter entscheiden, die -womöglich aus ziemlicher Entfernung geladen werden. Ehedem schlichtete solchen Streit der Ma Loftngo selbst, später trug man die Sache noch ab und zu dem Ng&nga mvümbi vor. Ein durch gemeinschaftliche Arbeit erzielter Gewinn wird oft vom Häuptling oder Erdherrn verwaltet, der daraus Zahlungen für die Gemeinschaft leistet, Gastfreunde sowie vorsprechende Geschäftsleute und Reisende beschenkt, verpflegt. Aber über dergleichen Verfügungen ist gewöhnlich Rechenschaft abzulegen. Kriegsdienste haben die Häuptlinge mit Anhang dem Erdherrn nicht unbedingt zu leisten, zunächst nicht, weil ein Krieg unterbleibt, den Bie nicht wollen, sodann nicht, weil ein Angriff natürlich alle zur Abwehr zwingt. Wie schon erwähnt, führt im Kampfe ein Kriegsoberster H Mankäka S -, nicht der Erdherr. Dieser soll wohl, wie einst der König, selbst im Kriege kein Blut vergiessen, vielleicht auch durch Wunden nicht verstümmelt werden. Die Einkünfte des Erdherm bestehen in einem Zehnten — mpäku, plur. simpäku. E r empfängt einen allerdings nicht genau bemessenen Teil von Eeld- und Baumfrüchten, ungefähr einen Korb voll von jeder Pflanzung, und zwar sollen es die Erstlinge sein, bevor die Gewinner davon gemessen. Is t sein Gebiet gross Und fruchtbar, so sind die Abgaben strichweise nach Einforderung zu verschiedenen Zeiten zu leisten und können dann natürlich nicht stets und durchweg in Erstlingen bestehen, werden auch, je nach Vorschlag der Dorfschaften, in andere Gaben verwandelt. Von Haustieren soll ihm die Erstgeburt auf der Erde zur getrieben werden. Vom Grosswild, das mit der Mvüli genannten hirsch- grossen Antilopenart (III 224, Abbildung I I 64) beginnt, fällt ihm der Kopf zu, der am sogenannten Tierschädelfetisch, jetzt auch mit Umgehung seiner Person, geopfert wird, und das Hinterviertel, das auf der Erde lag. So auch ausserdem die Schwanzquaste vom Büffel und vom Elefanten, von diesem ferner der Stosszahn, der die Erde berührte, oder beide Zähne, falls der Träger knieend und sich darauf stützend verendet war. Vom Manatus beansprucht der Erdherr Brust- und Schwanzstück, vom Hippopotamus Kopf und Keule, vom Fischfang mit Netzen und Reusen einen entsprechenden Anteil. Edelfische, zwei oder drei riesige Arten, hier und da auch Seeschildkröten werden ihm stets unverkürzt mit Läufern zugeschickt, in Gebieten mit fürstlichen Erdherren auch erlegte Leoparden oder wenigstens deren Krallen und Schnurrhaare von den glücklichen Jägern überreicht. Endlich empfängt jeder Erdherr einen wesentlichen Anteil von den eingezogenen Bussen. Eine Erdschaft wird schwerlich eine Gelegenheit verpassen, ihr Vermögen zu vermehren, obschon sie, wenn sie auf guten Ruf hält, in kleinen Dingen nicht nörgelt. Sie zieht Abgaben und Zölle nsämbu, plur. sinsämbu — für Wege, Fährplätze oder Brücken ein. Von Handelszügen, die abseits von gebräuchlichen Pfaden ihre Erde überschreiten oder darauf lagern wollen, erwartet sie Anmeldung und ein Geschenk. Weist sie die Gabe ab, so verbietet sie damit ihre Erde und stellt sich geradezu feindlich. Die Annahme des Geschenkes verpflichtet sie, Schutz und Obdach zu gewähren, Schutz selbst gegen feindlich gesinnte Nachbarn. Vom europäischen Reisenden erwartet sie keine Anmeldung und Gabe; sie bewillkommt ihn mit einem Gastgeschenk an Nahrungsmitteln, das er nachher in Gütern erwidert. Anders verfährt sie mit einheimischen Besuchern, mit Angehörigen anderer Erdschaften; da wird, auch wenn diese nicht bei Verwandten, Blutsbrüdern, Freunden nächtigen, nur gegeben und bewirtet, nicht genommen. Diese Gastlichkeit wird selbstverständlich früher oder später in gleicher Weise vergolten. Von Handelskarawanen erhebt man Zölle je nach Wert der Waren, also vom Elfenbein die höchsten, und Busse von den Angehörigen eines verstorbenen Fremdlinges. Die Beförderung eines Leichnames gestattet die Erdschaft gegen Abfindung, aber gewöhnlich auf vorgeschriebenen Pfaden und während der Nacht, oft nur mit Vorläufern und Fackelträgern, damit niemand durch vermeintliche Spukgestalten erschreckt werde. Härtere Bedingungen sind: nur während mondloser Nächte oder bei abnehmendem, nicht bei wachsendem Monde. Ferner fordert die Genossenschaft regelmässige Abgaben von allen, die sich auf ihrer Erde aufhalten wollen, sowie von denen, die Öl kochen, Kautschuk hersteilen, Kopal suchen, Salz sieden, jagen, fischen, töpfern, Rotholz gewinnen, einen Stamm zum Höhlen eines Kahnes fällen, Schäfte aus Papyrushorsten und Raphiabeständen zu Bauzwecken schneiden wollen. Aber, wie schon betont, man ist nicht gar zu ängstlich und läBst anständigen Fremdlingen im allgemeinen grosse Freiheit. Nur Verwüstung, sowie Übergriffe an Feldern und Fruchtbäumen nimmt man übel. Natürlich sind es — eine Folge der zerfahrenen Verhältnissej^H nicht immer nur anerkannte alte Erdschaften und Erdherren, die diese Rechte und Pflichten ausüben. Gelegentlich massen sich das gleiche auch Emporkömmlinge sowie gewöhnliche Häuptlinge und Dorfschaften an, wenn die politischen Verhältnisse sie begünstigen. Die Anerkannten tadeln wohl solche Übergriffe, weil sie selbst geschädigt werden, rufen auch zum Palaver, aber sie sind oft uneinig oder nicht mächtig genug, zu verbieten, zu strafen, oder sie fürchten sich, ihre Macht anzuwenden, und lassen die Sache gehen. Das Leichenrecht darf auf den Gottespfaden nicht ausgeübt werden. Doch kehrt man sich daran nicht mehr streng wie vordem. Am sichersten sind Leute am gespensterlosen Strande so weit die Woge rollt und der nasse Sand fest liegt, weil man dort keine Toten trägt. Die berussten


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