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noch vorgehalten. Baumfrevel, Beschädigung von Pflanzungen, Feld- diebstahl wird am schwersten an bätua, an Erdfremden geahndet. Übel beleumundete Gemeinschaften stellen von weither kommenden Handelszügen mit einfältigen Buschnegern gelegentlich eine Ealle. Sie legen, wo der Pfad eine Pflanzung streift, verlockende Feldfrüchte hin und lauern, ob ein esslustiger Träger davon nimmt. Dann brechen sie hervor und fordern hohe Busse, indem sie die Karawane pfänden und tagelang aufhalten. Ungewöhnlich reiche Ernten an einigermassen haltbaren Eeldfrüchten sucht man vor den Nachbarn zu verheimlichen und in aller Stille einzuheimsen und zu verwerten. Man will weder Missgunst erwecken noch Habsucht und Bettellust reizen. J a nicht grosstun mit Erfolgen in Wirtschaft oder Handel, auch nicht sein Yieh vorzänlen. Ohne Schuld keine Strafe. Nachgewiesene Unkenntnis der Gesetze schützt vor Strafe innerhalb der Gemeinschaft, aber nicht immer vor Ersatzpflicht. Deswegen gehen Geisteskranke und meistens auch Kinder frei aus, wenn sie sich vergangen haben; nötigenfalls muss ihre Eamilie den etwa angerichteten Schaden vergüten, oft wohl auch Bussgeld zahlen, weil sie nicht wachsam gewesen ist. Wer aber Unmündige listig verführt, für seine bösen Zwecke angestiftet hat, wird sehr schwer bestraft; es kann ihm in Erdsachen leicht an den Hals gehen. Dagegen verpflichtet zu nichts der Mundraub von Schwangeren; die mögen sich von Feld und Baum aneignen, wonach sie gelüstet. Als einst unsere Leute eine Frau fingen, die in unserer Pflanzung grüne Maisähren brach und abknabberte, wurde unsere Beschwerde glatt abgewiesen, weil die Täterin guter Hoffnung wäre. Das machte sich nachher eine andere Frau zu nutze und stibitzte gleich ein Körbchen Maiskolben, die sie uns obendrein zum Kaufe anbot. Diese Frau hatte nun zwar einen kleinen Sparren, war aber doch eine zu ehrwürdige Matrone, als dass für sie die frühere Entschuldigung hätte stichhaltig sein können. Es wurde uns etwa das Sechsfache des entwendeten Maises überbracht. Nicht lange nachher gewann die gehüsste Dorfschaft die Oberhand. Einer unserer Leute hatte auf ihren Feldern Maniok gemaust, und nun mussten wir zahlen. Um solcher Kleinigkeiten willen wird nicht die ganze Erdschaft aufgerufen; die erledigt jeder Dorfherr kurzerhand selbst. Denn er hat neben Verpflichtungen natürlich auch Machtvollkommenheiten, und erweitert sie zu seinen Gunsten, wo immer es angeht. Ein Dorf wird bisweilen verlegt, vielleicht weil darin ein Grösser gestorben ist, zumeisf aber weil Krankheiten, Gespenster und allerlei Spuk es unheimlich 1 lachen oder weil man näher am Walde, am Wasser, an einem aufstrebenden Handelsplätze leben will. Is t das mit Erlaubnis des Erdherrn gewählte Gelände gesäubert, so schafft man seine Habe, auch Wände und Dächer der Hütten hin, falls die nicht zu verwittert sind oder auf Bat der Zaubermeister verbrannt werden. Selbstverständlich pflegt man an der neuen Wohnstätte ebenfalls zu zaubern, um Übles zu vernichten, worüber ein; folgendes Kapitel Auskunft gibt. Zieht der Erdherr selbst mit um, so nimmt man das Feuer mit sich. Wohnt er anderswo, so lässt der umsiedelnde Häuptling alle Feuer am alten Orte ausbrennen und neues Feuer vom Erdherrn holen. Zwar erscheint diese Handlung nur noch wie eine Artigkeit, bedeutet aber Unterordnung. Auf Plätzen des bezogenen Dorfes werden mehrere Tage lang hell lodernde Feuer unterhalten, um die Luft zu reinigen und die Erde gut zu machen. Das neue Dorf wird nach der Örtlichkeit, falls die einen Namen hat, zumeist jedoch nach einem Geschehnis beim Umzug oder nach einer Besonderheit in der Umgegend benannt. So entstehen volkstümliche Namen: Schlammloch, Affenbrotbaum, Kolanuss, Fades Wasser, Begen, Sonnenschein, Vogelsang, Stechmücke, Husten, Geklemmter Finger, Zwillinge, Antilope, Schande, Traurigkeit, Heiterkeit, Gemächlichkeit und andere mehr. Am liebsten baut man im offenen Gelände, auf Hügeln oder Hügelhängen, im Grase, zwischen etlichen Bäumen oder in einem lichten Haine, um frische Luft und Trockenheit zu haben. Im dichten Walde baut man nur, wo man muss, wie im Berglande; man schafft aber eine Lichtung. Der Erdherr, sei er einer nach alter Art und ein Fürst, sei er ein Emporkömmling, halte er ein grosses Gebiet mit vielen Dörfern oder nicht, hat eigentlich nur so viel Macht, wie ihm seine Untertanen zugestehen. E r kann Dorfherren nicht willkürlich ein- oder absetzen oder gar der Erde verweisen, solange sie nicht Schuld auf sich laden. E r versucht •es auch gar nicht. Denn Häuptlinge sind meistens zugleich Älteste einflussreicher Familien mit allem ihrem Anhänge und wollen rücksichtsvoll behandelt sein. Ih r Abzug wäre ein grösser Verlust an Menschen und Macht; anderswo wären sie willkommen. Der Erdherr hütet das Wohl aller, vertritt sie nach aussen, hilft ihnen in Nöten und ist für gemeine Bechtsfälle in inneren Angelegenheiten oberster Gerichtsherr, sofern die Häuptlingschaften nicht allein fertig werden. E r entscheidet über Frauengeschichten, Diebstähle, Sachbeschädigungen, Eingriffe auf Pflanzungen, Streit um anvertrautes Gut; dabei erkennt er auch höhere Gewalt an und entbindet von Haftpflicht und Busse, wenn trotz sorgsamer Verwahrung dem Hüter ein Haustier gestohlen oder von Baubzeug gewürgt wurde. Alle die Seinen, die ihn anrufen, bringen zugleich Gaben zur Deckung der Kosten. Alle grossen Fälle gehören vor seinen Stuhl, doch pflegt er hierzu seine Häuptlinge als Batsherren zu laden. Is t er persönlich an solchen Händeln beteiligt,


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