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verkaufen die Leute niemals. Sie begreifen nur die Landleihe, die Nutzmessung. Es ist ihnen ein unfassbarer Gedanke, dass die Erde, die Nsämbi ihnen gab, worauf ihre Vorfahren lebten und worin sie ruhen, die sie selbst trägt und ernährt, dass diese Erde ihr Eigentum sei, dessen sie sich wie fahrender Habe zu entäussern vermöchten. Dieser Auffassung entspringt teilweise auch die Gutmütigkeit der Leute, ihre rühmenswerte Gastlichkeit, die sie, obschon auf Vergeltung rechnend, zugleich mit dem Schutzrecht unter sich und gegen Fremde üben. Unglück brächte es, lähmte oder vernichtete wohl gar die Leben spendende Kraft der Erde, wenn jemand auf ihr hungerte, solange sie selbst Nahrungsmittel besitzen, wenn er vielleicht gar erkrankte oder stürbe. Schon die Drohung, nicht mehr essen zu wollen, hat etwas Beunruhigendes für sie, und zähe Gläubiger führen diese Drohung aus, um einen bösen Schuldner in seiner Erdschaft zu zwingeh. Davon nachher. Sie vermerken es sehr übel, wenn ein Erdfremder bei ihnen stirbt. Seinen Leichnam lassen sie ebensowenig wie die Gläubiger den eines verschuldet Gestorbenen der Erde übergeben, sondern hängen ihn, m Matten geschnürt, zwischen zwei Pfählen auf, bis die Angehörigen Sühn- geld zahlen und ihn abholen. Um sich die Abfindung zu sichern, dulden sie nicht, dass von dem Toten etwa die Haare und Nägelabschnitte genommen und seinen Angehörigen üherbracht werden. Denn die könnten sich dabei beruhigen, nur diese Beste zu beerdigen, den Leichnam aber im Stich zu lassen. Behelfen sie sich doch manchmal überhaupt mit einem Scheinbegräbnis. So kann man allenthalben in Gegenden mit regem Karawanenverkehr auf eine baumelnde Leiche stossen (Abbildung I 178). Der Seelenglaube ist dagegen, dem Fremdling ein Grab in der Erde zu gewähren, denn damit nähme man auch seine Seele auf, die wer weiss was anrichten könnte, weil die fernen Angehörigen sich schwerlich um sie kümmern würden. Sodann muss man vorsichtig sein: W er begräbt oder in seiner Erde begraben lässt, der erbt, und zwar erbt er auch alle Verpflichtungen des Toten, deren Tragweite bei einem Fremdling am allerwenigsten zu bemessen ist. Die Leiche eines mütua aus dem Berglande hing mehrere Monate lang unfern unseres Gehöftes auf einem kleinen, mit etlichen Fransenschnüren geschmückten lulombe, der am Waldrande gesäubert worden war. Eines Nachts war sie fort: die Angehörigen hatten die Gebühren entrichtet und ihren Toten geholt. Als einer unserer Südleute gestorben und nahe der Station begraben worden war, Hessen uns die HäuptHnge der Umgegend sogleich ein P a laver ansagen, weil wir den toten mütua in die Erde gebettet hätten: ins Meer gehörte er, denn übers Meer wäre er gekommen! So mögen sie auch Europäer nicht in ihrer Erde. Wo sie die Macht haben, werden sie ihnen das Grab verweigern. Schon Battell erzählt: „Diese Leute Leichen Weiss er ins Meer. Siedelrecht. 211 wollen nicht erlauben, dass ein weisser Mann in ihrem Lande begraben werde. Und wenn irgendein Fremder oder Portugiese des Handels wegen zu ihnen kommt und das Unglück hat, zu sterben, so wird er m einem Boote zwei Meilen weit von der Küste geschafft und dort dem Meere übergeben. Einst kam ein angesehener Portugiese, um mit den Leuten zu handeln; er hatte sein Haus am Strande errichtet. Dieser Herr war gestorben und bereits seit vier Monaten begraben. Nun setzten in diesem Jahre die Begen nicht zur gewöhnlichen Zeit ein, sondern blieben zwei Monate länger aus. Da verkündete den Eingeborenen ihr Fetisch, dass der Christ, der in ihrer Erde begraben lag, herausgenommen und in das Meer versenkt werden müsste. So wurde er denn ausgegraben und dem Meere übergeben. Da es darauf binnen dreien Tagen regnete, wurde ihr grösser Glaube in den Teufel gestärkt.“ Wir haben ja , dank der Wirksamkeit unseres Arztes, keinen Gefährten durch den Tod verloren. Doch begruben wir einen uns Heb gewordenen, in unserer Nachbarschaft handelnden Portugiesen auf einem schönen Platze zwischen Buschwald und Meeresstrand. Das wurde von den Eingeborenen nicht beanstandet, weil wir Ansehen genossen und weil wir seit dem ersten Todesfall unser Verhältnis zu ihnen auch in dieser Hinsicht geregelt hatten. Dennoch versuchten sie, nachdem wir heimgekehrt waren, die Buhe des Toten zu stören und entfernten dabei das ihm gesetzte Denkmal. Da wir das Land verlassen hatten, niemand mehr für den Toten sorgte, war er nach ihrer Auffassung rechtlos geworden. Vielleicht hatte sich auch etwas ereignet, das den Gespensterglauben befruchtete. ^ Der Fremde, der gegen regelmässig zu berichtigende Abgaben sich ansiedeln durfte, kann nicht sein Siedelrecht ohne weiteres auf Nachfolger übertragen. Die Vereinbarung gilt nicht dinglich, sondern persönlich und ist mit seinem Abzüge oder Tode erloschen. Nach dem Bechte der Eingeborenen hat er den Platz weder gepachtet noch gekauft, sondern lediglich sein Lebensrecht in der Erdschaft erworben, das er behält, solange man seine Abgaben annimmt. Der Käufer seines Nachlasses, der wohnen bleiben will, muss einen neuen Vertrag schHessen. Nur den Vorstehern grösser Handelshäuser, die Faktoreien allenthalben versuchsweise anlegen,^siö bald schHessen, bald öffnen, gestattet man, ihre Angestellten beliebig zu verteilen, falls gegen die nichts Persönliches vorliegt. Denn Handel braucht man. Ferner soll der Fremde beim Abzüge Gebäude und Pflanzungen nicht zerstören, sondern unversehrt hinterlassen. Deshalb erheben die Leute meistens Einspruch, wenn Europäer ihre fertig zugeschnitten eingeführten Behausungen abbrechen und anderswohin bringen wollen. Mindestens die Eckpfeiler oder Stützbalken sollen nicht aus dem Boden 14*


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