Clanschaft und Totemismus, wobei Leute von gleichem Tschlna am bequemsten zusammen wirtschafteten, und Heiratsverbote sind noch vorhanden, mussten aber in Gemeinwesen, wie es die Erdschatten geworden sind, und mit der Entwicklung des Eetischismus mannigfaltig vermengt und unklar werden. Die Kennzeichen sind verquickt mit anderen Zutaten, mit dem fast unerschöpflichen Tschlna des Eetischismus, worüber im vierten Kapitel abgehandelt werden soll. Das ist oder war im grossen und ganzen, denn noch vieles ist nachzutragen, das Wesen der Erdschatten. In alten Zeiten gab es nicht annähernd so viele, wie gegenwärtig, und eine jede stand unter einem wirklichen Mfümu nssi, unter einem geborenen, vom Ma Loängo belehnten Fürsten. Ein Ma Loängo war nicht der Herrscher eines einigen, straff gehaltenen Volkes, und würde es auch heute nicht sein, sondern war ein oberster Herr von Lehnsleuten, eben der Erdherren, die ihm alle verwandt, weil von gleicher Kaste, aber wahrscheinlich so oft aufsässig wie fügsam waren. Die Erdschaften, wenigstens der Form nach das einzig Beständige in der politischen Gliederung, sind nach der Auflösung des Reiches übrig geblieben, obschon wiederholt in kleinere Stücke zerlegt, Sie bestehen fort oder entstehen neu als geschlossene Gemeinwesen, deren freie oder mindestens führende Mitglieder für das Ganze haftbar sind. Ihre politische Bedeutung ist sehr verschieden, je nach dem Geiste, der in ihnen herrscht, je nach Kopfzahl und Vermögen, das heisst, je nach der Menge der wehrhaften Männer, die sie stellen, und je nach den Arbeitskräften, über die sie verfügen. Es gibt solche, die eine Vergangenheit haben und sie hochhalten, und solche, die keine haben. Das Ideal der Erdschaft wäre eine auf väterliche Abkunft gestützte Sippe, Clanschaft, oder eine durch mütterliche Abkunft blutsverwandte Familie oder ein Verband solcher Familien. Immerhin gibt es oder gab es noch zu unserer Zeit historische Erdschaften. Diese Leute, ein Dorf, mehrere oder viele Dörfer bewohnend, auf einem kleinen oder grossen Gebiete siedelnd, hausen auf der Erde ihrer Vorfahren, wo Geschlecht auf Geschlecht lebte und starb und in eigener Erde ruht. Sie dünken sich viel und halten auf guten Ruf. Wenn sie gar noch einen erbsässigen Fürsten, eine Fürstin als Mfümu nssi und eine geweihte Stätte, wo einst das Staatsfeuer brannte, auf ihrer Erde haben, rechnen sie sich stolz zu den Ersten und Besten. Neben ihnen, Stücke der alten aufgeteilten Gebiete haltend, haben sich andere, neuere Erdschaften aufgetan, die freilich kaum als solche zu betrachten sind. Im schlimmsten Falle bestehen sie aus züsammen- gelaufenem Volke, das, durch keine Überlieferung vereint, so gut oder schlecht sein Dasein fristet, wie es gehen mag. Es ist da schwer auszufinden, wer frei, wer unfrei ist. Die Not, das Bedürfnis der Anlehnung, hält die Leute zusammen; Uneinigkeit spaltet sie, ein äusserer An- stoss treibt sie auseinander. Manchmal entstehen und zerfallen solche Genossenschaften unter den Augen des Beobachters. Andere wieder ge- deihen unter tüchtigen Häuptlingen, gelangen zu Macht und Einfluss. Sie werden zwar von Altberechtigten scheel angesehen, sind aber desto rühriger, sich geltend zu machen. Dazu gehört auch, und das ist beachtenswert, dass sie in Ermanglung von altehrwürdigen Feuerstätten wenigstens einen sogenannten Tierschädelfetisch anlegen, der ehemals zu jedem solchen geweihten Orte gehörte. Freilich ereifern sich darüber die Nachbarn und wollen es nicht dulden. Ein weltkluger und im Handel erfolgreicher, über viele wehrhafte Männer gebietender Häuptling mag eine Anzahl von fertigen und unfertigen Erdschaften zu einem Bündnis und unter seine Botmässigkeit bringen. Schwindet sein Einfluss, ist sein Nachfolger unfähig, so löst sich der kleine Staatenbund wieder auf. Die Fürsten sind, wie schon erörtert, trotz ihrer Kastenvorrechte nicht mehr durchweg die Mächtigsten im Lande. Nicht viele von ihnen walten noch auf ererbter Erde, und wäre es ein Rest des alten Besitzes, als Mfümu nssi. Neben ihnen spreizen sich Emporkömmlinge, die es ihnen gleich zu tun streben. Im Laufe der Zeit ist die Verwirrung der- massen gewachsen, hat sich die Bedeutung des Mfumü nssi derartig erweitert und verkleinert, dass sich- am liebsten jeder Dorf herr als solcher fühlt und beträgt, falls es ihm seine Nachbarn gestatten. Das ist lediglich eine Frage der Macht und Gewandtheit. Wenn es die anderen nicht hören, behauptet kühnlich ein jeder Häuptling, weithin der mächtigste zu sein, und treibt Politik auf eigene Hand. Eines jeden Charakter prägt sich seinem Gemeinwesen so gründlich auf, dass man nur nach seinem Leumund zu fragen braucht;, um zu wissen, wie man mit seinen Untertanen daran sein wird. Ein böser Erdherr, ob echt oder unecht, ist ein richtiger Schnapphahn, ein Raubritter, der von einem Fremdling so viel er kann, erpresst, bevor er ihn zum Nachbar,- zum natürlichen Nebenbuhler ziehen lässt. Vielleicht verweigert er ihm den Durchzug und zwingt ihn listig zur Umkehr, oder legt ihm gar, auf seine Krieger vertrauend, einen Hinterhalt. Ein tüchtiges Oberhaupt dagegen wahrt den guten Ruf seiner Erdschaft und lässt verständig mit sich reden. Gewährtes Gastrecht und Geleit verletzt keiner. Bei Zerwürfnissen, die sich vielleicht bis zur Entscheidung durch die Waffen steigern, hängen sich die Kleinen an die Grossen. Der Stärkste mag bis zum Austrage der Angelegenheit Führer eines ausgedehnten Landstriches sein. Da bringen sie dann bisweilen ganz grossartige Palaver zusammen. Nachher zerfällt das Ganze wieder in seine Teile und jeder Machthaber spinnt seine Ränke weiter.
27f 32-2
To see the actual publication please follow the link above