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neben anderen ebenfalls nicht die Fürstengräber, die sie am wenigsten übersehen konnten. So wären alte Nachrichten zwanglos im nämlichen Sinne zu deuten. War demnach die strittige Leiche eben die des Tschimpüngu, so fällt die Begebenheit in die sechziger Jahre des achtzehnten Jahrhunderts. Bis zur Gegenwart besteht zwischen den Bewohnern von Luandschili und Lubü eine eifersüchtige Spannung, die zeitweilig in offene Feindseligkeit ausartet. Die Nachbarn können aber nicht gut tätlich aneinander geraten, weil auf ihren Gebieten, wie auf Nsämbis Wegen, Gottesfriede ruht. Es darf daselbst kein Krieg ausgefochten werden. Die Gegnerschaft äussert sich in allerlei Schabernack und Hänseleien, wobei gerade die Weiber von Lubü im Vordertreffen stehen und mit altem aufgespartem Topfzeug die Männer von drüben empfindlich verhöhnen. Auch sonst sind die Lubüenserinnen streitbare Damen geblieben, und zwar nicht bloss mit den Zungen. Sie werden in einiger Übung erhalten, weil, so oft ein Mfümu die letzte Ruhestätte findet, die Taten ihrer Mütter durch ein urwüchsig derbes Volksfest mit grösser Prügelei verherrlicht werden. Davon später. Eine andere Erzählung behandelt eine Begebenheit, die sich ebenfalls um die beregte Zeit, nur etwas später zugetragen haben kann. Eine Fürstin Nsoämi von Tschilünga bricht, das Tschlna, überschreitet an der Spitze ihrer Krieger den nördlichen Grenzfluss des Reiches, den Nümbi, und verheert das Land nordwärts bis nach Yümba. Dieses Vorgehen der Fürstin, besonders, dass sie das Tschlna brach, musste weithin die Gemüter aufregen und dem Volke denkwürdig bleiben. Demzufolge lauten auch die Erzählungen ziemlich übereinstimmend. Nur die Feststellung der Zeit bleibt unsicher. Etwas diesem Kriegszuge Ähnliches kann früher geschehen sein. Nennt doch schon Battell den Bänya und bezeichnet Yümba als eine Provinz von Loängo, und Dapper erwähnt die Eroberung des Landes durch den König von Loängo. Nichtsdestoweniger kann der Kriegszug der Fürstin Nsoämi um das J a h r 1784 stattgefunden haben, als die Franzosen das portugiesische Fort zu Kablnda zerstörten. Vielleicht handelte sie im Einverständnis mit den Franzosen oder nahm überhaupt die Gelegenheit wahr, unbequeme portugiesische Sklavenhändler an der nördlichen Küste, die sie um Sklavengänge und Abgaben prellten, sowie übermütig gewordene Häuptlinge zu züchtigen, zu verjagen und die Sklavenzwinger zu zerstören. Bedeutsam ist zudem der Name Bänya, den sowohl das stille breite Gewässer, als am Nordufer Landschaften Yümbas und zugleich deren Bewohner tragen. Der Ausdruck bezeichnet Elende, Vertriebene, Heimatlose, Notleidende. Zu meiner Zeit sass unter den Nachkommen der Vertriebenen als Mfümu nssi die aus Loängo stammende Muene Mpüna mit ihrer im Backfischalter stehenden Tochter Muöne Mpemba, Muene Mpüna, eine überaus stattliche junge Frau, wurde als Ma Bänya, die zierliche Muene Mpemba zu meinem Erstaunen als Makünda bezeichnet, das einzige Mal, dass mir dieser geschichtlich bedeutungsvolle Titel an einer lebenden Person aufgestossen ist. Mit dem Erzählten sind noch andere Überlieferungen verwoben, die bis in die Schöpfungsgeschichte zurückreichen. Es heisst da, dass hellhäutige und dunkelhäutige Menschen unter Nsämbis Obhut in dem nämlichen Lande lebten. Die Hellen werden Bandündu, die Dunkeln Bafiöti genannt. Die Bandündu dünkten sich höher als die Bafiöti, gebärdeten sich schlimm und wollten alles für sich haben. Sie liessen die anderen arbeiten, nahmen ihnen, was sie besassen und dazu die besten Mädchen und Frauen. Das erregte Hass und Feindschaft. Es lebte ein mächtiges Weib vom Stamme der Dunkeln. Die sandte Boten mit ihrem Zeichen durch das ganze Land und liess die Dunkeln rufen. Die kamen und scharten sich zusammen. Sie fielen über die Hellen h e r, töteten ihrer viele und verjagten die übrigen. Diese fuhren davon über das Meer nach der sinkenden Sonne. Aber sie drohten wieder zu kommen. Das geschah vor langer, langer Zeit. Nachher sind sie zurückgekehrt und haben es ärger als zuvor getrieben. Das geht natürlich auf die Europäer. Ein mächtiges Weib leitete demnach die Vertreibung der Bandündu durch die Bafiöti. Diese Befreierin lebt bald als Nsoämi a mpüngu, bald einfach als Mpüngu, hier in der Bedeutung von hervorragend, mächtig, überwältigend, im Munde der Leute fort. Das erinnert wieder an Muöne Nsoämi von Tschilünga und an ihren Kriegszug. Die Sage von der ursprünglich hellen Hautfarbe der Vorfahren ist weithin durch Afrika verbreitet. Daher auch der Glaube, dass die, die aus dem Grabe, aus dem Totenlande zurückkehren, von heller Hautfarbe sind, wenigstens die Häuptlinge, Fürsten oder Stammväter, wie denn auch die Leiche eines Ma Loängo, überhaupt die eines Grossen im Leiche, weiss gefärbt wurde und noch weiss gefärbt wird. So ist es zu begreifen, dass ein Europäer, der in einem entlegenen Gebiete bei einem Bäntu- volke auftaucht, als ein wieder gekommener Stammvater oder Herrscher gefeiert werden kann. An der Loüngoküste dürfte eben dieser Gedanke gewaltet haben, als der erste Europäer landete. Denn noch wird der Weisse vorwiegend Mundöle, plur. Mindöle, genannt. Anfangs begnügt man sich mit der Erklärung: nlöle heisst der Stoff, das Baumwollzeug, das, wie ehedem das Bastgewebe, im Tauschhandel den Wertmesser vorstellt. Danach wäre der Europäer der müntu mu nlöle, der Mensch mit dem Zeuge, der Stoffbringer, abgekürzt mundele. Aber schon die Pluralform macht stutzig. Später erfuhr ich den wahren Sachverhalt rein zufällig. Bei einem Ausfluge im Hinterlande von Yümba birschte ich abends längs einer


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