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bedeckten thronäbnlichen Korbe, seinem künftigen Sarge, sitzt der tote Muene Buätn, der letzte Ma Loängo, angetan mit Bastzeugen und den kostbaren Abzeichen seines Banges, mit der beutelförmigen Mütze und mit dem durchbrochenen Schulterkleide, beide mit erhabenen Mustern auf das Feinste aus Pflanzenfasern geknotet. Um seine Stirn trägt er die königliche Binde von Leopardenfell, um seinen Hals eineu Ring von Schwanzhaaren des Elefanten, woran, wie an Mütze und Kragen, Leopardenkrallen hängen. Zu seinen Füssen liegen die grossen geschnitzten Elefantenzähne, die einst sein Grab bezeichnen werden. Der Tote sitzt aufrecht, die linke Hand gegen die Seite gestützt, den rechten Arm etwas gekrümmt vorstreckend, die Hand nach oben offen haltend und gleichsam mahnend: Rufet alle Leute im Lande, auch die Weissen, dass sie Zeuge schicken und Rum, damit ein neuer Ma Loängo gewählt werde und mich endlich zu Grabe geleite. So erzählt sich das Volk, und es glaubt daran, dass einst wieder ein mächtiger König das Reich beherrschen werde. Denn das Yolk ist sehr konservativ und kann sich ein geordnetes Leben ohne Oberhaupt nicht vorstellen. Ma Loängo konnte ein jeder Fürst des Landes werden, also jeder Mann, der eine Fürstin zur leiblichen Mutter hatte. Doch musste er von hohem Wüchse, fehlerlos an seinem Leibe, frei von Krankheit und im Besitze vollster Manneskraft sein, auch durfte er niemals das sogenannte grosse Tschlna gebrochen oder eigenhändig Menschenblut vergossen haben. Grosse Hausmacht hinderte vielleicht, aber Reichtum förderte die Wählbaren, weil der Nachlass des Toten zu regeln war, und weil die Kürenden, etwa wie bei der alten deutschen Kaiserwahl, sich dem zuneigten, der sich am erkenntlichsten erweisen konnte. Nach entschiedener Wahl sandte der Ngänga mvümbi Botschaft an den Erkorenen, der nun seinen umständlichen Zug zum Herrschersitz, seinen Krönungszug begann. In vollem Staate, mit grossem Gefolge begab er sich nach einer öden Campine nördlich vom Luemefluss. Dort finde]; sich eine Stelle, die durch vier mit Bildwerk verzierte, zu unserer Zeit schon arg verwitterte und von Grasfeuern angekohlte Holzpfeiler gekennzeichnet ist. Sie wird Binkössekösse bi muäkunu, auch kurzweg Binkösse genannt, der Ort, wo viele Menschen von nah und fern zusammen- und wieder auseinanderlaufen. Diese geschichtlich denkwürdige Stelle liegt an dem nicht minder denkwürdigen, auf unserer Karte eingezeichneten Pfade Luntämbi lu mbensa, der, nördlich vom Luöme am Meeresstrande beginnend, im Bogen um die Baien von Pontanegra und Loängo, über die Ortschaften Luändschili, Lubü und Tschingängamvümbi führt und südlich vom Kullufluss wieder am Meeresstrande endet. Zu Binkösse sind die Grossen des Reiches, sowie Häuptlinge, Zaubermeister und schaulustiges Yolk in Menge versammelt. Ein grösser Platz ist abgezäunt, der Boden gesäubert, der Pfad zu einer Prunkstrasse — lulömbe, plur. sindömbe — verbreitert worden. Rings um den Festplatz, der allerlei Behausungen enthält, haben sich die Neugierigen eingerichtet. Der ankommende Fürst wird feierlich mit betäubendem Lärm be- grüsst. Ee nähert sich ein Zug, der ihm zwei Jungfrauen zuführt, welche unter den Geeignetsten eines benachbarten, dieses Yorrecht besitzenden Dorfes erlesen worden sind. Auf einem geschmückten, mit einer Art Baldachin versehenen Gerüst von leichten Wedelschäften der Weinpalme, denn sie dürfen die Erde nicht berühren, bringt man ihm die beiden Festoder Probejungfern an den mit Matten belegten Eingang zu seiner Wohn- stätte getragen. Die beiden Königsbräute, aller Haare beraubt (rasiert), über und über mit Tükula hochrot gefärbt, aber gänzlich in neue befranste Bastgewänder gehüllt, sind die Bakumbi oder Sinkümbi, sing. Nkümbi.*) Die Bakümbi knieen auf den Matten vor dem Eingänge nieder und überreichen ihrem Gebieter etliche Kolanüsse und Feldfrüchte. E r gibt einer jeden ein frisches Ei, haucht sie an, streut ihnen ein wenig Erde auf den Scheitel und schiebt ihnen je einen um den Knöchel zu tragenden Elfenbeinring über die rechte Hand. Nun sind sie seine Frauen, erheben sich und verschwinden in den Wohnräumen, wo die Eier unter den Lagerstätten vergraben werden. Die Probenächte beginnen. Würdenträger und Zaubermeister walten ihres Amtes weiter, nicht bloss als Festordner, sondern auch als Prüfer der Aufführung, der Stärke des künftigen Landesvaters. Des Nachts klopfen sie an die Wand der Hütte, worin gerade der Fürst mit einer der Frauen ruht, und fragen die, ob er seine Pflicht erfüllt habe. Auch fordern sie anfangs dafür sichtbare Beweise, die sie feierlich den Schaulustigen vorzeigen. Das Lagerleben währt an dieser Stelle so lange, bis jede der beiden Festfrauen Mutterfreuden entgegensieht, nach anderen Angaben, bis jede ein Kind geboren hat, ja sogar bis jedes Kind sprechen kann oder Zähn- chen bekommen hat. Wenn alles in Ordnung ist, wird das Lager *) Nkümbi bedeutet einen Eingeweihten, die Jungfer, jedes nach geheimnisvollen Gebräuchen für mannbar erklärte jungfräuliche Mädchen. Vielleicht hängt der Ausdruck in diesem Sinne zusammen mit nkümbu, Mal, und meint hinsichtlich des Zeichens der Reife etwa: die zum ersten Male. Nkümbi heisst auch der Unterhändler, eine Gesandtschaft, wozu nicht selten Weiber beordert werden, ein feierlicher Aufzug von Menschen, ein Haufe, ein Schwarm. Endlich bezeichnet nkümba den Nabel, ebenso einen Schrei der Überraschung, des Schreckens, und lunkümbu ein Blutzeichen in Beziehung auf die nkümbi, die zum Weibe geworden ist, sowie ein Opfer des Blutes von Beutetieren auf den Gräbern grösser Jäger und an den noch zu schildernden sogenannten Tierschädelfetischen.


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