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War der Thron verwaist, so führte dieser Totenkapitän nebst den ihm untergeordneten Beamten die Regentschaft mit unbeschränkter Macht. Fürsten, die selbst zum König erwählt werden konnten, durften nicht Reichsverweser sein. Die Regentschaft, der das Regieren gefiel, verzögerte die Wahl eines Ma Loängo so lange wie möglich; auch war sie bestechlich, so dass der neue König oft den Thron erkaufte. Hatten sich die kürenden Fürsten geeinigt, so ging eine Gesandtschaft an den Erwählten und bat ihn, zu kommen, zu herrschen. Dem neuen Ma Loängo zeigten sich die Nebenbuhler oft feindlich, lehnten sich gegen seine Regierung auf, versperrten die Handelswege. Unter solchen Umständen besass der König nur geringe Macht. E r sorgte für die hinterlassenen Weiber und Kinder seines Vorgängers und belehnte die zu ihm stehenden Grossen des Reiches mit Gebieten, die sie sich manchmal erst erkämpfen mussten. Ihnen gab er zur Besiedlung freie Untertanen aus seinen eigenen Dörfern, das sind die Kinder der Erde, dazu Leibeigene für den Ackerbau, das sind Montu (müntu, plur. bäntu, Menschen) oder Gefangene. Der König war Oberherr aller Dörfer und Krongüter, mit Ausnahme der Wohnungen, die, gewöhnlich an der Küste liegend, Maklern und anderen Privatleuten gehörten. Seine Einkünfte, die die Krongüter und die Abgaben vom Negerhandel lieferten, vergrösserte er durch Verkauf von Ämtern, durch willkürliche Zölle auf Handel sowie Steuern auf Vermögen und Luxus. So besass ein reich gewordener Eingeborener eine Porte-chaise, die ihm ein Europäer verehrt hatte. Einmal fiel es ihm ein, sich in der Sänfte öffentlich zu zeigen. Die Folge war, dass er mit einer Abgabe belegt wurde, die ihn dem Bettelstäbe nahe brachte. Noch durfte der Ma Loängo nichts Europäisches an sich und um sich haben, nur Landeserzeugnisse benutzen und gemessen. Aber De- grandpre zweifelt bereits, ob er sich streng an dieses Verbot hielte. Der Mambuc, der Thronerbe von Kaköngo, wohnte einige Meilen landeinwärts von Malemba in einem nach europäischer Art mit Tapeten, Stühlen, Sofas, Betten, meist von Sammet, eingerichteten Hause. Er liebte den Wein und europäische Küche. Deswegen hatte er einen seiner Leute in Frankreich zum Koch ausbilden lassen. Man speiste bei ihm gut und geschmackvoll. Vom Mafuc, dem Oberherrn des Handels, berichtet unser Gewährsmann : E r ist kein Prinz von Geblüt, kann jedoch durch eine Prinzessin, die ihn heiratet, Prinzenrang erlangen. Seine Macht ist sehr gross. E r zögert nicht, ihm missliebige Schiffskapitäne vom Handel auszuschliessen, ja sie greifen und einsperren zu lassen. . Der Ma Loängo hört alle Klagen der Untertanen gegen ihre Herren und sonstige Grosse des Reiches. Doch wissen sich die Untertanen auch einfacher zu helfen, indem sie nämlich ihren Herrn verlassen und zu einem anderen gehen. Der neue Herr muss sie schützen und für sie sorgen. Es geht ganz gerecht zu. E r ist verantwortlich für sie, vertritt ihre Sache vor Gericht und hat für ihre Schulden aufzukommen. Sind diese zu hoch, so verkauft er, um sie zu tilgen, den Schuldner. Degrandpre beschreibt ferner die grossartige Leichenfeier eines Königs von Loängo, mutmasslich des letzten wirklichen Ma Loängo* die im Jahre 1787 stattfand. E r sagt ausdrücklich, dass dieser Fürst die Oberherrschaft über die benachbarten Königreiche besessen habe. Es herrschte bei dem Feste eine ungewöhnliche Pracht. Fürsten und Gesandtschaften kamen feierlich von weit h e r, um dem Toten zu huldigen und Baststoffe zum Einwickeln der Leiche zu überreichen, die der Vorsteher der Regentschaft in Empfang nahm. „Von dem ganzen Schauspiele war für einen Europäer nichts begreiflich, als die Huldigung der Vasallen.“ Über den Sklavenhandel schreibt der selbe Gewährsmann: Die Loängoküste liefert ungefähr den vierten Teil aller Sklaven, die von Niederguinea ausgeführt werden. Es sind, was bereits Lopez und die Missionare melden, die besten Sklaven, namentlich die Monteken (Bantetsche); die von der Südseite des Kongo dagegen (Missolöngi) sind schlecht und treulos (sind auch seitdem kaum besser geworden). Fürsten haben das Recht, jeden Menschen, der nicht ihresgleichen ist, zu greifen und an die Sklavenhändler zu verkaufen. Die anderen Grossen des Reiches dürfen das nur mit ihren Leuten auf ihrem Gebiete tun. Da aber Menschen ihr Reichtum sind, pflegen sie nur Verbrecher abzugeben. Sobald ein Schiff vor Anker gegangen ist, sorgt der Befehlshaber für eine Wohnung am Lande. Der Mafuc unterstützt ihn gegen Bezahlung und fordert darauf Zoll und Geschenke: Schnaps und Stoffe. Dann wird in der Umgegend die Eröffnung des Handels verkündet. Die Makler kommen und erhalten Waren, um dafür Sklaven oft aus grösser Entfernung zu beschaffen. Gibt es Streit und Krieg im Hinterlande, werden die Wege gesperrt, wodurch der Handel stockt, so suchen die Europäer möglichst Frieden zu stiften. Nun bringt man Sklavengänge heran, aber zunächst bloss Ausschuss, der mit den schlechtesten Waren bezahlt wird. Der Schiffswundarzt untersucht die Augen, Zähne, Hände, Beine und alles übrige auf das Genaueste, worauf der Preis vereinbart wird. Der Mafuc erhält als Abgabe für jeden Sklaven zwei bis drei Stücke Zeug (wovon jedes sechs Yards englisch messen soll). Ist ein Schiff mit Sklaven gefüllt oder sind nicht mehr zu erlangen, so segelt es ab. Es ist gebräuchlich, die männlichen Sklaven mit Händen und Füssen aneinander zu fesseln, wenigstens fünfzig der stärksten. Viele sind geduldig und sanftmütig, andere widerspenstig. Viele jammern,


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