Gedanken. Ganz so verhalten sie sich beim Tragen der Tipoja, sowie etwa mitgeführter unhandlicher Koffer, in flottester Gangart. Wenn sie jedoch Leute oder Wohnsitze passieren, jubeln und lärmen sie los — aber nicht im Takte des Trittes —, um zu prunken, um zu zeigen, was sie für unermüdliche Burschen sind. Ähnlich beim anstrengenden Kudern. Da keucht oder zischt bei jedem Druck der Atem, sonst sind sie still, erzählen und schwatzen höchstens. Wenn sie aber anderen begegnen, wenn der Herr befiehlt, sonst jemand sie anregt, durch verheissene Belohnung fröhlich stimmt, dann legen sie los. Nun wird der Gesang ausnahmsweise taktmässig, wie es der einheitliche Paddelschlag erheischt. Andere gemeinsame Hantierungen: Bäume fällen, Gras roden oder absäbeln, Kähne oder Bretter behauen, Schleppnetze ziehen, verrichten sie unter Schreien, Schwatzen, Lachen oder schweigend, jedenfalls am seltensten singend. Dagegen trugen ihrer fünf unter jauchzendem Gesänge ein Äffchen durchs Lager, weil es ihnen zum Kosten geschenkt worden war. Beim Behacken des Feldes habe ich sie überhaupt niemals singen hören. Gelegentlich mag es eine Schar Arbeiter tu n , zur Abwechslung, zur Kurzweil oder auf Gebot des Herrn. Auch Karawanenleute singen nicht auf dem Marsche. Hiermit stimmt überein, was ich anderwärts in Afrika, sowie in der Neuen Welt und in Ozeanien, in den Polarregionen wahrnehmen konnte. Es ist allerwege wie bei uns: am seltensten wird Musik zur Ajrbeit gemacht, wenigstens nicht zu schwerer Arbeit, allenfalls zu leichter, indem man sich nebenbei vergnügen will. Nach alledem will einen bedünken, dass die Leute musizieren, einmal, weil es sich so gehört, wie beim Tanzen und bei manchen Gebräuchen, sodann hauptsächlich, weil es ihnen so ums Herz ist. Verfällt doch selbst ein warm werdender Redner ab und zu in den Kedegesang. Die Förderung anstrengender Arbeitsleistung durch Musikmachen scheint doch eine spätere Zutat zu sein. Tiere musizieren vielfach, indem sie Gegenstände benutzen. Bekannt ist das Rollen, Trommeln oder Schnurren der Spechte mittelst des Schnabels und federnder Aststümpfe, wobei sie nicht selten verschieden tönende Knorren abwechselnd bearbeiten. In Jena kannte ich jahrelang einen Grünspecht, der gern auf einem lockeren Stückchen Blech am Simse einer Villa musizierte. Unser Gorilla taumelte und tanzte in kindlicher Ausgelassenheit, paukte die Brust, klappte die Hände und patschte mit Vorliebe auf tönende Hohlkörper. Eine daheim in Europa mit uns als Haustier lebende Meerkatze vergnügte sich an allem, was klang oder dröhnte; ein blecherner Ofenschirm, ein aufgespannter Regenschirm war Lieblingsinstrument. In der Wildnis habe ich Affen beobachtet, die dünne, straff gespannte Lianen durch Zupfen und Anspringen in Schwingungen versetzten, offenbar, weil ihnen das Summen und Dröhnen, vielleicht auch das Zittern dieser natürlichen Saiten gefiel. Ähnliches wird auch Menschen beigefallen sein. Wahrscheinlich haben die Urmenschen geschrieen und gesungen, lange bevor sie sich mit Arbeiten plagten. Vielleicht haben sie gleich Kindern lustvoll gejubelt und leidvoll gegröhlt, ehe sie sich in Worten verständigten. Zuerst erhoben sie ihre Stimme, klappten die Hände, trampelten mit den Beinen, dann verfielen sie auf Schlag-, Kratz- und Schüttelinstrumente: Stöcke, Splinte, Steine, Platten, Zacken, hohle Bäume und Früchte, Trommeln, Klappern, Schnarren, Ratschen; dann erfanden sie Schnippinstrumente, deren eingeklemmte Stäbchen oder Zungen surrten, summten, klimperten, hernach Blas- und vielleicht zuletzt Saiteninstrumente. Die Reihenfolge kann freilich im allgemeinen wie im besonderen sehr verschieden gewesen sein, je nach Umständen. Bei unseren Eingeborenen fesselt vornehmlich die Harmonie ihrer Massengesänge. Sie haben schon Akkordgefühl, aber die Harmonie geht gar oft in die Brüche, fast wie unser modernes Kunstlied oder Orchesterwerk an zuviel Musik. Man weiss nicht, was sie wollen, was sie können. Recht bezeichnend ist, dass ein Kautschukmotiv, eine Tanzweise, keineswegs stets mit einem befriedigenden Akkord schliesst, vielmehr beliebig abbricht, sobald der Text abreisst oder ein neuer Vorsänger auftritt, während ein Rudergesang voll ausklingt. Eine regelrechte Verwebung der Stimmen habe ich bei Afrikanern nie bemerkt, ausser wo sangeskundige Missionare wirkten, denen es wohl nirgends an gelehrigen Schülern fehlen würde. So trugen Hottentottenkinder in dem Kirchlein an der Walfischbai sehr schwierige Stücke recht gut vor. Von ferne hört sich ja so ein urwüchsiger und volltöniger, vielleicht von Hunderten ausgeführter gemischter Chor gar nicht übel an und täuscht kunstvolle Tonfügungen vor. Aber genaueres Aufmerken lehrt, dass die Stimmen, in verschiedener Tonhöhe einsetzend, sich durchschnittlich parallel bewegen, dass leitereigene Akkorde die Hauptrolle spielen. Ausweichungen, Gegenbewegungen entstehen durch Zufall, durch Ungeschick, nicht Absicht. Besonders Veranlagte mögen es bei den bekanntesten Weisen hin und wieder glücklich treffen. Da den meisten Stücken der straffe Aufbau mangelt, haben die Mitwirkenden sie nicht fest im Gedächtnis. Sie singen daneben, was sie vielleicht merken, aber nicht verbessern können, denn der Sang geht weiter, und oft ahnen sie nur, wie er weiter gehen wird. Überdies sind sie gänzlich ungeschult. Sie setzen falsch ein, tasten nach den Tönen, gleiten hin und her, nehmen tempo rubato, fallen auf Zwischentöne, die wir gar nicht in Noten schreiben können. Sie singen wie unsere Kinder, wie Erwachsene in Dörfern, die keinen ordentlichen Kantor haben. Das 8*
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