Landvolkes. Oder der Gesang bringt Betrachtungen und Reden der Menschen, Gespenster und Tiere, von denen berichtet wird. Dazu gehört, dass der Vortragende trennt, was sie wirklich aussprechen, was sie bloss denken. Diese gesungenen Einschiebsel sind bald kurz, bald lang, stehen nach Tonfolge kaum, nach Text dagegen ziemlich genau fest. Dieser hat nämlich eine mehr oder minder gebundene Form, die stückweise sich zum Versmass, gelegentlich zu Reimen steigert, statt deren freilich noch öfter ein Endwort oder Endsatz dient. Hier ein Beispiel vom Nüni mkissi — wörtlich: Vogel verzaubert dessen lieblicher Gesang in Noten früher ( I I I 269) mitgeteilt worden ist: Verzauberter Vogel ich singe, im Walde, in meinem Heim. Verzauberter Vogel ich fliege, im Walde, in meinem Heim. Höre mich. Ich fliege davon. Suche mich. Ich fliege davon. Fange mich. Ich fliege davon. Binde mich. Ich fliege davon. Rupfe mich. Ich fliege davon. Koche mich. Ich fliege davon. Iss mich. Ich fliege davon. Verzauberter Vogel ich singe, im Walde, in meinem Heim. Verzauberter Vogel ich fliege, im Walde, in meinem Heim. Das Gesungene bildet gleichsam das Gerüst mancher Erzählung, da es am sichersten im Gedächtnis haftet. Der verbindende Text ist wandelbar. Freilich kommen nicht in allen Geschichten Gesänge vor. Wenn Personen den Inhalt der belebtesten Erzählungen rollenmässig sprächen, wäre ein einfaches Schauspiel fertig, ist vielleicht auch anderswo so entstanden. In Loängo, wo die Weiber offenbar mehr dichten oder mehr bewahren als die Männer, hat man es noch nicht so weit gebracht. Anfänge finden sich bei grossen Beschwörungen von Fetischen, bei Gesellschaftsspielen, beim festlichen Vorführen eines mannbar gewordenen Mädchens, bei der Bestattung von Grossleuten, beim Umzug des Ndüngu, eines maskierten Geheimbündlers. Gelernte Erzähler, Sänger oder Verkünder, recht eigentlich Barden und sogar Propheten zu nennen — munssäkuli, plur. banssäkuli, auch mussükuli, plur. bassükuli —, sowie andere, geringere Erzähler, die mehr Volksbelustiger, Schnurranten und Bänkelsänger sind — munyöli, plur. banyöli — sollen mitunter kleine Handlungen mit Wechselreden vorführen. Nach einheimischen Schilderungen scheinen sie als Zunft, wenigstens die Gelernten, zur Königszeit besonders geachtet gewesen zu sein und mancherlei Vorrechte gehabt zu haben. Das hat sich verloren. Sie sind nicht mehr zahlreich und unternehmen bloss ab und zu noch Kunstreisen durch die Dörfer. Indessen ist, wie im dritten Kapitel zu erzählen, das Wirken von Propheten in religiösen Dingen manchmal von grösser Bedeutung. Auch wird bisweilen ein recht angesehener Barde berufen, eine grosse Peier zu verherrlichen, namentlich den Scheideruf an die Seele eines GroBsen über dessen grabfertig hergerichteten Besten zu verkünden. , , , , Wie schon Seite 86 geschildert, tragen sie nach verknoteten und verstrickten Schnüren und nach kleinen daran befestigten Merkzeichen vor, die teilweise Erbstücke sein mögen. Von einem in Yümba heimischen Erzähler wurde berichtet, dass er einen Faden mit angereihten, Menschen und Tiere darstellenden Puppen aufspanne, und deren Schicksale vortrage Mittels solcher Geschnüre bewahren diese Zünftigen mutmasslich genaue Texte und behandeln danach allerlei Überlieferungen in Sang und Rede, die sie ihren Schülern vererben. Aber den weissen Mann erfreuen sie nicht mit ihrer Kunst, die sie wohl zu entweihen fürchten. So erklärt es sich, dass von allem, was im Volksmunde lebt, ganz wie anderswo meistens nur Bruchstücke, und zwar recht abweichend lautende Bruchstücke, erlauscht werden können. Wendet man sich, um abzurunden, um den Wirrwarr aufzulösen, an einen kundigen Gewährsmann, so hört man meistenteils eine einseitige und wiederum veränderte Fassung: E r hält sich an Nächstliegendes; die Phantasie geht ihm durch; er flicht mehrere Geschichten ineinander; er richtet seine Mitteilungen für den weissen Mann ein; er verschweigt, was etwa bezweifelt oder belächelt werden könnte. Denn er weiss aus Erfahrung, dass Einheimisches von Europäern nicht für voll genommen wird. So bleibt nichts übrig, als Bruchstücke gleich einem Mosaik aneinander zu fügen. Geht dabei manches der Form verloren, so wird doch die Hauptsache, der Inhalt, verständlich wiedergegeben. An den Geschichten ist bemerkenswert die Dreizahl wichtiger Vor- kommnisse, ferner die wörtlich genaue Wiederkehr gewisser Satze, die den Kern der Sache treffen. Menschen, Tiere, Gespenster reden und handeln; aus Felsen, Schluchten, Pflanzen, aus Elefantenzähnen, Körben und anderen Gegenständen ertönen bloss Stimmen. Viele Erzählungen enthalten eine versteckte Lehre, die zwar in ihrer Nutzanwendung nicht weiter hervorgehohen, aber von jedermann verstanden wird. Die Zuhörer erfassen sie naiv und unmittelbar auch ohne eine abschliessende Moral. So sollte es eigentlich überall sein. Denn eine Geschichte, der eine Moral angehängt werden muss, taugt nicht viel oder ist schlecht erzählt worden | | oder die Hörer sind abgestumpft und nicht bei der Sache. Nachher pflegen die Lauschenden den Ausgang zu besprechen, zumal wenn er durch ein Palaver entschieden worden ist. Es befriedigt, wenn Gutes und Schlechtes nach Verdienst seinen Lohn findet, wenn böse Anschläge vereitelt werden, wenn der Harmlose schliesslich gegen den gleisnerischen Fuchsschwänzer
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