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Das Sprachgefühl der Bafiöti, die naive Freude an Klangschönheit, richtiger vielleicht natürlicher Drang zur Sprechmelodie zu nennen, beeinflusst Betonung und Klang der "Worte je nach dem phonetischen Charakter des Satzes, dem sie eingereiht werden. Der Nachdruck fällt auf andere Silben, die Laute klingen anders. Des weiteren werden Wortteile weggelassen oder Vokale und Konsonanten dazwischen gestreut, die mit dem Sinne des Gesprochenen nichts zu tün haben. Nebenher verblüffen allerlei Umstellungen und Kürzungen, die einen Gedanken mehr andeuten als ausdrücken. Alles ist im Fluss. Grosse Redner machen Schule. Lebten die Leute, wie es anderswo vorkommt, in streng gesonderten Gruppen, so könnte es geschehen, dass sie, trotz aller Gleichartigkeit, sich schliesslich nicht mehr verstünden, scheinbar verschiedene Sprachen redeten. Bei solcher Wandelbarkeit wäre es gewagt, eine Mundart an der Loängoküste als massgebend zu bezeichnen. Mundarten in weit getrennten Gebieten gleichen sich oft mehr als in benachbarten. Im Herzen des alten Loängoreiches, wo höfische Formen sich am lebendigsten erhalten haben, wird meines Erachtens am wohllautendsten, um nicht zu sagen am gewähltesten geredet. Hier vernimmt man noch die meisten der Wendungen und Ausdrücke, deren sich Angehörige der Fürstenkaste, sowie die Leute im Verkehre mit ihnen und beim Reden von ihnen bedienen: Bezeichnungen für Körperteile, Tätigkeiten, Zustände, Empfindungen, Gefühle, die wieder eine eigene, die höfische Sprache bilden, die mbembo fümu, die Aristokratensprache, neben der mbembo fiöte, der Gemeinsprache. Das Schwierigste bleibt für den fremden Hörer der Tonfall und der Rhythmus des Sprechens. Nämlich die Tonhöhe mancher Laute, die ihre Bedeutung für den Sinn von Worten hat, sodann die Wandelbarkeit der Laute und der Betonung. Die wechselnde Tonhöhe gleicher Laute gibt Worten, die geschrieben ganz gleich aussehen würden, verschiedene Bedeutung. Diese Eigenart der Sprache wird mehr durch ein musikalisch geschultes Ohr empfunden, als linguistisch erkannt. Um sie kenntlich zu machen, sie zu veranschaulichen, müsste man Worte mit den nämlichen Buchstaben nicht in unserer Weise, sondern auf Notenlinien schreiben, und die entscheidenden Laute nach Bedarf höher und tiefer rücken. Art, Zahl und Folge der Buchstaben blieben gleich, aber das Bild fürs Auge wäre verschieden wie der Klang fürs Ohr. Sodann die Wandelbarkeit der Laute und der Betonung. Assimilation und Alliteration herrschen unbeschränkt, aber derartig, dass jeder Redende wieder selbständig über Klang und Wortfügung waltet. Die Konsonanten klingen bald hart, bald weich. Besonders die s-Laute sind dermassen mannigfaltig und zugleich willkürlich, dass man beim wiederholten langsamen Vorsagen kaum die groben Unterschiede erfasst. Aber die fallen dann bei anderen wieder anders aus und wandeln sich mit den Wortfolgen, mit der phonetischen Eigenart des Satzes. Auch offenes oder geschlossenes e, ferner a und o, gar o und uft.-'man könnte sagen, nicht fünf Vokale, sondern Dutzende gibt es —, dazu Längen, Kürzen, Verschmelzungen und Ausmerzungen liegen im Belieben des Redners. Der wagt es dann zeitweilig, am Ende einer aüsgesponnenen Gedankenreihe ganze Sätze bloss durch einzelne Worte, oft Schlagworte aus Gleichnissen und Geschichten, auszudrücken oder sie gleichsam hinzuwerfen, indem er alles übrige durch Betonung und Gebärden ersetzt. Und so gross ist die . Intuition aller, dass der Redner den Hörern vollkommen verständlich ist, ja gerade hierdurch die grössten Wirkungen erzielt, anregt, fortreisst. Alles das lässt sich bloss unvollkommen beschreiben und — man denke an unsere einheimischen Dialekte — schriftlich überhaupt nicht wiedergeben, auch nicht mit diakritischen Zeichen. Ungefähr ebensogut könnte man Vogelgezwitscher treulich in Noten setzen. Wer die Sprache nicht hört, kann ihre bis zum Gesang anschwellende Modulation nicht erfassen, die viel mehr als der eigentliche Wortsinn auf die Hörer wirkt und das Verständnis fördert. Das Musikalische darin ist aber nicht zu setzen gleich dem Anschlägen der Töne eines Klaviers, die gegeben sind, sondern gleich dem Hervorlocken der Töne eines Streichinstrumentes, die erst gebildet werden. Ein jeder behandelt die Sprache nach seiner Art, richtiger wäre vielleicht zu sagen: aus einem jeden kommt die Sprache nach Umständen und Stimmung. Solche Sprechweise ist — ich weiss keinen besseren als diesen unschönen Ver- g l e i c h s o frei und natürlich wie das Lautwerden von Tieren, das ja auch verstanden wird. In schroffem Gegensätze zu dieser Behandlung der Sprache steht die der Botschafter und Herolde, die eine Ansage oder Verordnung verkündigen. Dabei kommt eine überlieferte gebundene Sprechweise zur Geltung, die sich von der persönlichen Redekunst unterscheiden, die sachlich sein, feierlich tönen oder dröhnen soll. Der Herold hebt an mit, einem rauhen Räuspern, das etwa eine halbe Oktave aufwärts gleitet, und stösst nun laut alle Silben eines Satzes, wie gehackt, gleich lang in der nämlichen Tonhöhe heraus.*) Mancher Rufer fasst ab und zu den nächst höheren Ton, ruft demnach zweitönig, aber vielleicht nur, weil *) Ähnliches hört man von Ausrufern in unseren Landstädtchen, auch wenn jemand anderen eine längere Mitteilung in die Feme zuschreit, ebenso wenn Schiffsführer sich bei rauhem Wetter durchs Sprachrohr verständigen.


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