Page 220

27f 32-2

Mehr als satt essen können sie sich nicht. Für erzielten Überschuss fanden sie, da in guten Jahren alle reichlich haben, keine Abnehmer, und zum Aufspeichern taugen die wichtigsten Feldfrüchte nicht. Verkauften sie an Faktoreien, so stünde der Erlös bei Bedarf zur Verfügung ihrer Gemeinschaft, die solidarisch haftbar ist. Schliesslich wagen sie lebenslustige Freunde und Nachbarn nicht abzuweisen, um nicht für knauserig zu gelten. Wäre es anders, so kämen manche oder viele wohl schneller vorwärts. Denn es gibt schon Arbeiter und noch mehr Arbeiterinnen unter ihnen, die rüstiger wirtschaften würden, wenn das nicht auffiele, wenn sie das Erworbene behalten, es unbehelligt gemessen könnten. Immerhin hat der legitime Handel bereits manches gebessert. Einsichtige Häuptlinge lassen gemeinschaftlich sowohl Naturschätze aus- beüten, als auch ansehnliche Strecken mit Handelsgewächsen bestellen. Die Ausfuhr, die dem Lande entstammt, ist nicht unbedeutend. Hierzu wirken Beispiel und Gebot mächtiger Grundherren. Doch auch Kleinleute leisten für. sich selbst unter Umständen Erkleckliches. Wunsch und Erfüllung , müssen nur nahe beieinander sein. Wenn sie Feste feiern, heiraten, begraben, Kinder benamen wollen, raffen sie. sich :zu emsiger Tätigkeit auf. Aber Dauer hat der Eifer nicht, er flaut ab mit .dem Erreichen des Zweckes. Nachher ergehen sie sich wieder dem ehrwürdigen Schlendrian und triften in gewohnter Weise durchs Leben hin, das mit Handeln;. Hökern, Besuchen, Klatschen, Tanzen, Palavern ganz behaglich ausgefüllt wird. Ob sie mit anderen tauschten? Was wären ihnen alle Errungenschaften unserer gerühmten Zivilisation mit dem quälenden Zwange, mit dem Treiben und Hasten, wobei die Menschen fast -verlernen, das Dasein zu gemessen und sich von Herzen zu freuen? — Kriegerisch sind die Bafiöti gar nicht Veranlagt. Dazu sind sie zu praktisch. Welchen Zweck hätte es, Blut und Leben zu wagen, um Hecht zu behalten? Das kann man angenehmer haben. Am liebsten wird mit Worten gekämpft. Bede ist Macht. Gut zu reden ist- eine hochgeschätzte Gabe, ja ich meine, dass es in Loängo keinen höheren Ruhm gäbe. Und wenn die Leute Denkmäler zu errichten begönnen, sicherlich gedächten sie zuerst ihrer Wortgewaltigen. Beden ist nicht bloss Hauptsache, es ist Herzenssache. Gerne lauscht man, wie fliessend und klangschön, mit welcher Innigkeit und Eindringlichkeit, die an die unserer Kinder erinnert, sie zu reden verstehen. Erstaunlich auch, bis zu welchem Grade der Reichtum der Sprache dem ganzen Volke zu eigen ist. Trotz aller Schulung, trotz Zeitungsleserei und Volksversammlungen gebietet die grosse Masse bei uns .weder über Worte" und Satzbau noch über ein nachhaltiges Gedächtnis wie ein halbes Kind in Loängo. Das gibt wieder zu denken. Hier der Zivilisierte,. mit allen Lehrmitteln gefördert, dort der Primitive,. alles Unterrichtes bar. Freilich wird er nicht abgestumpft in solcher Mannigfaltigkeit des Lebens, hat sein Gehirn nicht mit solchem Vielerlei zu beladen wie wir, und mag deswegen für sein Wenigerlei desto, empfänglicher sein. Aber unsere Volksschulenleute sind geistig doch auch nicht überbürdet. Die Bafiöti sind geborene Redner. Das zeigt sich am schlagendsten bei ihren grossen, von Hunderten und manchmal Tausenden besuchten, mit barbarischem Pomp veranstalteten Verhandlungen. Man hat wiederum ganz andere Leute als im alltäglichen Verkehre vor sich. Es mangelt weder an Ernst noch Würde. Viele, und nicht hloss Männer, üben,' wohl unbewusst, auf erhöhte Wirkung der Rede abzielende Künste: Beschleunigung, Absetzen, leises Sprechen, langsames Herausstossen einzelner Worte, flüchtiges Hinwerfen, schwere, nachdrückliche Betonung. Dazu die meistens tiefe Stimmlage, der Wohlklang der Sprache, die Gebärden, die scbön und ausdrucksvoll sein sollen, weil sie daran ihre Freude haben. Nicht der Mund allein, der ganze Mensch redet. Nur sind die Gebärden dabei niemals ein Ausdrucksmittel für sich, gleich einer Zeichensprache, die für Alltägliches auch im Schwange ist, sondern sie begleiten und erläutern die Sätze wie bei uns, darreichend, ausmalend, bekräftigend. Eigenartig, oft ergreifend wirkt es, wenn ein Redner, um recht eindringlich zu sein, einen bedeutsamen Satz oder dessen Schluss recitando vorträgt, ihn weniger spricht als singt. Die Weise eines solchen Sprechgesanges, der ganz liturgisch klingt, hält sich anfangs gewöhnlich auf einem Ton oder auf wenigen beieinander liegenden Tönen und bewegt sieb zuletzt um sie in einigen kleinen Intervallen oder fallt regellos durch ein Stück der Tonleiter, wie es sich gerade schickt. Ab und zu wiederholen die Zuhörer einen Satz oder dessen letzten Teil, damit gespannte Aufmerksamkeit und Zustimmung bekundend, oder sie ahnen das Kommende und betonen die letzten Worte zugleich mit dem Redner. Dieses Einfallen des Chores, das überaus dramatisch wirkt, geschieht mit einer Sicherheit und Einhelligkeit, als wäre es eingeübt und ist doch nur unmittelbarer Ausbruch lebhafter Teilnahme. Solchergestalt wird der . hinreissende Redner häufig, der anödende, nicht überzeugende.seltenroder gar nicht unterstützt. Gelegentlich hört man auch bei einfacher Unterhaltung eine auf Zweifel stossende Angabe halb singend bekräftigen, ebenso im Wortgefechte, wobei dann besonders die weibliche Jugend ihren Mutwillen auslässt. Das erinnert vielfach an die modulierten Rufe unserer Strassen- verkäufer: .Mil—u! Mil Mil—u! Besen, kauft Besen! Stro —oh-, Stroh-, Strohdecken! Heidelbeeren! Heidelbeeren, kauft Heidelbeeren! wobei weniger die Worte als die Melodie das Kaufbare anzeigen.


27f 32-2
To see the actual publication please follow the link above