am beliebtesten sind. Es wird besprochen, verglichen, gestritten, die Eigenart von Land und Leuten, von Lebensführung, Sitten, Bräuchen, von Tieren und Pflanzen erörtert. Schier unerschöpflich ist der Schatz an Weistümern, Rätseln, Witzen, Anekdoten, Fabeln, Märchen, Sagen, von denen wir noch viele genauer kennen lernen werden. Sonach ist ihr geistiger Besitz durchaus nicht einseitiger und beschränkter Art. Auch die Kinder müssen den Beobachter reizen, selbst wenn er kein Kinderfreund ist. Sie heulen und schreien nicht so viel wie die unseren, sie begehren nicht auf, wenn ihnen etwas versagt wird oder wider den Strich geht, sondern schicken sich darein. Auch will mich bedünken, sie wären nicht so eifrig mit dem Warum und Wie wie unsere Kinder. Doch ist ihrer Scheuheit vor dem Fremdling zu gedenken. Sie sitzen viel umher, träumerisch, versonnen, spielen auch manchmal für sich, mit einer gewissen Emsigkeit irgend etwas herrichtend und wieder achtlos zerstörend. Erst wenn sie sich zusammenfinden, werden sie lebhafter, sei es, dass sie Zwiste erörtern, Palaver nachäffen und sich im Beden üben, was sie sehr lieben, sei es, dass sie ein Bewegungsspiel gemeinsam betreiben. So ganz ausser Rand und Band, so laut wie unsere Kinder werden sie aber auch dabei nicht und streiten oder raufen äusserst selten. Sie haben etwas Verhaltenes, erfreuen mehr durch Anmut als durch Wildheit. Im Glanzen werden wir die Leute gerecht würdigen, wenn wir sie weder einfach dumm noch schlecht nennen. Bösartig sind sie gewiss nicht, können es aber natürlich werden, wenn die Zivilisation mit falscher Behandlung über sie kommt. Es fehlt ihnen hauptsächlich an Organisation und damit ah Gefühl für Pflicht und Verantwortlichkeit der Gesamtheit gegenüber. Sie sind unfertig. Wer sie aber für Kinder hielte und danach behandelte, könnte unsanft enttäuscht werden. In ihrer Geistesbeschaffenheit erinnern sie wohl an Kinder, aber sie haben die Triebe und die Kräfte Erwachsener. Ein Vergleich mit unserer unverfälschten Landbevölkerung dürfte nicht zu ihren Ungunsten ausfallen. Ih r Gedächtnis ist besser, ihre Intelligenz schwerlich geringer, ihre sinnliche Wahrnehmung lebhafter und vielseitiger, ihre Bewegungen sind leichter, ihre Sauberkeit, Manierlichkeit, Bedefertigkeit grösser. Wie der anhaltenden geistigen sind die Bafiöti der andauernden körperlichen Anstrengung abhold. Das ist ein Erbteil, das auch anderwärts noch nicht abgetan worden ist. Sicherlich haben die Menschen einst unermessliche Zeiträume hindurch ihr Leben ohne vorbedachte stetige Arbeit gefristet, indem sie verbrauchten, was Waldland, Grasland und Gewässer darboten. Um begünstigte Gebiete, überhaupt um Habenswertes werden sie gestritten haben, wie sie.heute noch darum streiten, die erst recht, die höhere Wirtschaftlichkeit und Vorsorge für die Zukunft erlernt haben. Nichtstun müsste unseren Leuten eigentlich ein recht behaglicher natürlicher Zustand sein. Und doch ist er es nicht. Denn sie sind keineswegs hoffnungslos träge, und halten kaum längere Zeit völlig unbeschäftigt aus. Das wäre ihnen zu langweilig. Allerhand Verrichtungen, die ihre Phantasie reizen, die Geschick und Gestaltungsfähigkeit, aber nicht grossen Kraftaufwand erfordern, betreiben sie sogar mit Lust und Liebe. Sie freuen sich des Geschafften und lassen es gern von anderen bewundern. Sonst hätten ihre alten Künste und Gewerbe: Schnitzerei, Töpferei, Schmiederei, Giesserei, Flechterei, Weberei, Bindenfilzerei, Färberei, Salzsiederei und andere mehr seit Landung der Europäer nicht bloss gelitten, sondern wären längst verfallen und vergessen. Für Menschen konnten sie von den Weissen alles haben. Ihrem Triebe, sich angenehm zu beschäftigen, sich selbst nach ihrer Art zu schmücken, ihre Habe gefällig auszustatten, sowie ihrer Vorliebe für Alteinheimisches ist es zu danken, dass manches in Übung geblieben ist. Jetzt freilich, seit der Besetzung ihres Landes, ändert sich das alles gründlich. Mit der Grundordnung ihrer Lebensführung muss auch alles Eigene verfallen. Regelmässige anstrengende Tätigkeit ist ihnen allerdings zuwider, sie müssten sich denn einmal recht dafür begeistern können. Aber solcher Anreiz hält nicht an. Nachher wird schwere Arbeit rein mechanisch und liefe in einem erschlaffenden, ungesunden Klima und bei zweifellos unzureichender Ernährung auf einen erschöpfenden Verbrauch der Kräfte hinaus. Daher wird grobe Arbeit, die nicht zugleich kurzweilig ist, unlustig und nur sprungweise verrichtet. Vor allem fehlt die Nötigung, der anderwärts Menschen so viel verdanken. Zudem sind vereinzelte Erfolge gefährlich, erwecken Neid und Teilungslust. Wozu also sich anstrengen, wenn es nicht sein muss? Wie schön lebt es sich auch ohne das in ihrer Welt. Deswegen wäre es unbillig, sie an unserem Masse zu messen, sie gemeiner, wider die Ordnung gehender Faulheit zu bezichtigen. Unseren Arbeitszwang kennen sie nicht, dennoch in ihrer Weise die Arbeitsfreude. Sie sind eben, wie sie sein können. Sie leben in Verhältnissen, mit denen zu rechnen hat, wer bessern will. Zum Leben brauchen sie nicht viel. Eine kleine Pflanzung, ein bisschen Fischen oder gelegentliches Erbeuten von Haar- und Federwild, Sammeln von Wald- und Feldkost genügen für den Unterhalt einer einschichtigen Familie. Sie leben aus der Hand in den Mund, nach der Jahreszeit.. Was sie vorsorglich darüber täten, käme ihnen kaum zugute. Ob sie ein kleines oder grosses Feld bestellen, macht sie nicht glücklicher; wenn die Regen ausbleiben, ernten sie von beiden nichts.
27f 32-2
To see the actual publication please follow the link above