Nun soll aber keiner meinen, so was käme bloss bei den damischen Wilden vor. Was lehrt unsere Redensart vom Zudecken des Brunnens? Wie heiss bemüht sich die Polizei, Zivilisierte zu belehren, zu behüten, und vermag doch nur wenig auszurichten. Und wie viele fallen dem Scherzen mit Gewehren zum Opfer? Wie oft wiederholen sich Verbrennungen, weil immer wieder Spiritus oder Petroleum aus Kannen auf offenes Feuer geschüttet wird? Wo sind die Verfehlungen schärfer anzurechnen? Mögen nun die Bafiöti noch so umständlich und mag ihre Denkweise uns noch so unfertig erscheinen, für hoffnungslos dumm darf man sie keinesfalls halten. Wo ihr Interesse sie ansporüt, da überlegen sie ganz scharfsinnig, da verpassen sie nicht leicht Zweckdienliches. Wie unsere Bauern sind sie geborene Prozesshansl, die sich dickköpfig auf ihr vermeintliches Recht verbeissen und die Entscheidung bei anderen suchen, Rechtshändel, Palaver und Gerichtstagungen sind ihnen Kurzweil sowie höchste Kunst und Stärke, die Zunge ist ihre liebste Waffe. Dabei überraschen sie durch Einsicht, durch ein in ihrer Weise ganz logisches Verfahren, durch Schlussfolgerungen, am allermeisten durch ein erstaunliches Gedächtnis. Im Redekampf bringen sie Tierfabeln, Gleichnisse, Sprichwörter, die geeignet sind, den Fall zu beleuchten und die Hörer zu gewinnen. Ferner wiederholen sie gern bedeutsame Abschnitte von Reden, die kürzlich oder vor Ja h r und Tag einmal gehalten worden sind. Präzedenzfälle sind überaus wichtig. Ih r Gedächtnis unterstützen sie nötigenfalls durch eine Anzahl Holzoder Halmstückchen, die ihnen so dienen, wie .uns die geschriebene Disposition. Erzähler und Bänkelsänger, manchmal auch Herolde mit grösser Botschaft verwenden zum selben Zwecke gekerbte Splinte, geritzte Rinde oder Blattstreifen, an Fäden und Netzwerk gereihte kleine Merkzeichen von hunderterlei Art sowie mannigfaltig verknotete Geflechte und Schnüre, die oft peruanischen Quipu gleichen. Das sind ihre, freilich nur dem Besitzer oder Eingeweihten verständlichen Leitfäden, ihre Bilder für Sang und Sage oder für eine längere Meldung. Beim Vortrag tasten sie sich daran entlang, um nichts zu vergessen, um nicht abzuschweifen. Im alltäglichen Leben dienen Kerbhölzer, Knoten im Schurz und Putz, allerlei Anhängsel an Körper, Geräte, Wohnstätten, Umbindungen von Gliedmassen, Fäden, die sie ins Haar ziehen, oder Federn, die sie hineinstecken. In wichtigen Fällen kommt es ihnen auch auf einen Schnitt oder. Stich, auf eine tüchtige Brandblase nicht an. Obschon ungewohnte geistige Anstrengung sie sehr angreift, leisten sie doch recht viel, wenn es sich um Vorteil oder Vergnügen oder um Befriedigung der Eitelkeit handelt. Aber nachher verfallen sie wieder in die alte-Lässigkeit, um nicht zu sagen Gedankenduselei, wobei sie ihren Phantasien nachhängen. Sie haben ihre Kräfte verbraucht. Darum erscheint auch der einzelne gewöhnlich nicht heiter-, sondern ernst. E r bedarf, um seine andere Natur herauszukehren, der äusseren Anregung, der Geselligkeit, was übrigens, sofern Mitteilsamkeit in Frage kommt, äüch für den Europäer gelten dürfte, der viel in der Wildnis gelebt hat. Die Wildnis macht still. Es Hesse sich das überhaupt vom Leben in der Natur sagen, man braucht nur unsere Landleute, unsere Schiffer zu beobachten. Der Mfiöti allein für sich und der nämliche Mfiöti inmitten seinesgleichen sind zwei verschiedene Persönlichkeiten. Aber stumpfsinnig sind die Leute nicht, kaum geistesträge kann man sie nennen. Sie verlangen nach vergnüglicher Unterhaltung, nach lustiger Beschäftigung, überhaupt nach Kurzweil — nssäkana — und klagen leicht über Langeweile — luenga. Um dieser ledig zu werden, um Veränderung zu haben, verfallen sie sogar beim Europäer aufs Arbeiten, lieber freilich auf dumme Streiche, selbst auf solche von bedenklicher Art. Die werden dann von denen, die sie zu wenig kennen und unserer Schuljugend nicht gedenken, viel zu hart beurteilt. Nicht rassen- mässige Schlechtigkeit treibt die Leute, nicht so sehr tadelnswerte Neigung, ala das Bedürfnis, das Einerlei zu unterbrechen, sich hervorzutun, zu wechseln, zu erleben. Sie halten es nicht aus in erzwungener alltäglicher Gleichmässigkeit. Daher kommt man auf Wanderungen und Reisen stets am besten mit ihnen aus. Da gibt es so viel der Anregung, dass sie der Strapazen kaum ächten und bei hinreichender Verpflegung immer guter Dinge und artig sind. So sind sie auch di$ ausdauerndsten Plauderer und Erzähler, die ich könne.- An Stoff mangelt es ihnen niemals, und sollten sie den neuesten Witz, Dorfgetratsch, eine komische oder schreckliche Begebenheit gleich vielmals vortragen. Sie haben den Klatsch über Geburten, Todesfälle, Verlobungen, Heiraten, Ehebrüche, Scheidungen, Namengebung, neueste Moden, Tanzfeste, Begräbnisse, Familienzwiste, Schulden, Wucherer, Bürgschaft, über Krankheiten, Unglücksfälle, geglückte und missglückte Kuren, über die Künste der Ärzte-und Zauberer, über Gott, Fetische, Hexerei, Erscheinungen, Gespenster, Wunder, über feindliche Gemeinden, Palaver, Gerichtsentscheidungen, Pfändung, Kriegsdrohung und Friedensfeste. Sie reden von Gestirnen, Wetter, Jahreszeiten, Saatenstand, Ernte, Wohlleben und Hungersnot, von Haustieren, Fischfang und Jagd, von Handwerkern, Warenerzeugung, Handelsaussichten, Verkehrswegen, von hübschen und hässlichen Mädchen, guten und rschlechten Landesherren, von Faktoreien, neuen Stoffen und kratzenden Schnäpsen, von gefälligen und harten Europäern, von Dampfern, Segelschiffen, Booten und Brandung; Gereiste beschreiben ferne Gegenden, Flächen, Gebirge, Täler, Flüsse, deren Natür und Erzeugnisse, Pflanzen, Tiere, Menschen, Scheusale, Fabeltiere, und flechten ihre Erlebnisse ein, wovon schaurige öder komische
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