gut, und es ist wahrhaft erheiternd, wie sie ihre Künste am Europäer erproben. Daher auch ihre erstaunliche Anpassungsfähigkeit, Fragen so zu beantworten, wie es erwünscht sein könnte. Ih r Ortsgedächtnis ist vorzüglich, ihr Zeitgedftchtnis unsicher, aber doch nur, weil Zeit für sie keinen Wert hat. Wo es sie näher angeht, da ist ihnen das Nacheinander in der Zeit ebenso klar wie das Nebeneinander im Raum. Einigermassen selbständig denken und überlegen nur wenige. Es mangelt an Anlass und Uebung. Weder Lehre noch Beispiel noch regelmässig wiederkehrende Bedrängnisse erziehen sie zum festen Wollen und stetigen Handeln. Ih r sorgloses Dahinleben entwickelt nicht, ihre ungezügelte Phantasie lähmt die Willenskraft. Schon die Lebensklugheit verbietet, das Durchschnittsmass zu überschreiten. Zwar gilt ihnen die Person alles, und jede Sache hängt nur an der Person, wie sich später ergeben wird. Aber die Gesamtheit wirkt, nicht der Einzelne, der, stehe er noch so hoch und fest, sei er noch so tüchtig, immer wieder unmerklich in das Treiben der Masse hinuntergezogen wird. Der Masse, die gefährlich ist, die nicht der Überlegung, sondern der Einbildung und der Stimmung folgt. Das lähmt den Fortschritt. Herkommen, Brauch, Sitte gängeln alle und sind bequem. Aufwallungen, nicht Leidenschaften lenken sie. Sie sind durchaus ungeregelte Naturen. Rasch, ohne merkbaren Grund, wechseln Lust und Unlust. Es ist nichts Seltenes, dass jemand, der wahrhaft traurig ist, herzhaft mitlacht und dann wieder in seine Trübsal versinkt. Jedoch — wie steht es mit leidtragenden Zivilisierten vor einem Begräbnis und beim Leichenschmaus? So urgesund sie empfinden, so beneidenswert kräftig und fröhlich sie darauf los leben, starke Geister Bind unsere Leute nicht. Hilflos verfallen sie neuen Eindrücken, sind unbeholfen im Verwerten ungewöhnlicher Wahrnehmungen wie im Verrichten von Handlungen, die einen schnellen Entschluss erfordern. Etwas Überraschendes, plötzliche Gefahr kann sie dermassen überwältigen, ihnen in die Glieder fahren, dass sie förmlich starr sind. Kräftiger Anruf bringt sie wenigstens dahin, mechanisch zu tun, was befohlen wird, wenn sie dem Herren zu vertrauen gewöhnt sind. Aber nachher sind sie erschöpft. Man muss ihnen Zeit zum Erholen gönnen. Aus dieser geistigen Verfassung erklärt sich auch der ihnen oft vorgeworfene, indessen im Grunde nur scheinbare Mangel an Neugier und Wissbegier. Die sind nicht stark, denn geistige Anstrengung ist unbequem, aber fehlen ihnen durchaus nicht mehr als unserem Landvolke, wenn sie in gewohnter Umgebung und unter sich verkehren, und sie werden ihnen auch anderswo nicht fehlen. Etliche unserer Diener, die wir mit auf ein englisches Kriegsschiff nahmen, besichtigten unermüdlich die Einrichtungen und wünschten Belehrung über Einzelheiten. Aber der Gedankenkreis der Leute ist eng, in sich geschlossen. Bei völliger Veränderung der Aussen weit können sie die gehäuften neuen Eindrücke weder erfassen noch ordnen und verarbeiten. Alsdann scheint ihnen nichts Eindruck zu machen, nichts ihre Teilnahme zu erwecken, während sie doch bloss matt gesetzt sind, wie etwa unter gleichen Verhältnissen unsere Kinder. Ein halbwüchsiger Weisser, der in der Wildnis geboren, aufgezogen und gut unterrichtet worden war, landete einst mit mir in London. Im Getriebe und Gelärme der Grossstadt wurde er gänzlich verwirrt, hilflos, rein von Sinnen. ' Wir werden durch die mit uns sich ausbildenden Zustände geschult, unsere Kräfte zweckmässig einzusetzen, können es wenigstens lernen, und wir haben Eile. Den Primitiven fehlt Antrieb wie Anleitung, und sie haben Zeit. Das ist ihre Stärke uns gegenüber. Die Beschleunigung, die all unser Tun bedrückend durchdringt, sogar unsere Musik überhastet, ist ihnen zuwider wie unseren Bauern, denen trotz aller Zivilisation die bedächtige schwerfällige Weise geblieben ist. Raschheit und Bestimmtheit sind den Bafiöti sehr unbequem und schwer begreiflich. Sie gehen wider ihre Natur, und werden, wie Ungeduld und namentlich Heftigkeit des Weissen, als sehr ungeziemend empfunden. Deshalb tut man auch gut, keinen ihrer Wünsche schroff abzuweisen, sondern sie immer wieder zu vertrösten. Es muss ja nicht gleich sein. Später, später wird es sich schon finden. Das heimelt sie an, das ist nach ihrer Art und stört nicht gute Beziehungen. Sie sind auf Kompromisse gestimmt. Vieles fangen sie an, weniges führen sie völlig zu Ende. Ein fremdes Wertstück, an dessen Erwerbung sie vielleicht alle Kräfte setzten, lassen sie nachher achtlos verkommen. Nicht so sehr an Einsicht mangelt es ihnen als an Überlegung, an Beständigkeit, an Willenskraft, planvoll und folgerichtig zu handeln. Beliebiges lenkt sie ab. Eine Zusage auf Zeit halten sie selten laut Abrede, man hätte denn nach ihrer Weise nachdrücklich die Stunde bestimmt: morgen, wenn der Hahn ruft, wenn die Sonne blinkt oder zu Häupten steht und so fort. Fehlt solcher Anhalt, dann ist auf sie kaum zu rechnen. Ein Mann verspricht, uns morgen, ganz allgemein gesagt, zu einer Sehenswürdigkeit zu führen. E r lässt sich nicht blicken. Nach Tagen, vielleicht nach einer Woche meldet er sich ganz unbefangen: komm, wir wollen gehen. Warum ihm nun Vorwürfe gemacht werden, begreift er nicht. E r ist doch da und willig. Sein „morgen“ bedeutete „nächstens“ und galt nicht für den folgenden Tag, wie wir fälschlich meinten. Sie haben schon die Absicht, Versprochenes zu halten, aber es kommt ihnen zuviel dazwischen. Infolge der in allen ihren Zuständen begründeten Fahrlässigkeit, des Schlendrians, geht es über ihre Kräfte, falls nicht Lo&ngo. 6
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