empfinden weder Bedauern noch Freude. Wenn sie welche schlachten oder fortschaffen, tun sie es mit der nämlichen gedankenloser* Roheit, die unsere Tierschutzvereine und Behörden bekämpfen. Wo sie sich berechtigt glauben, werden sie ebenso gefühllos einen Menschen misshandeln und töten, der ihnen nicht blutsverwandt oder befreundet ist. Unbeteiligte werden zuschauen, wie unsere Altvorderen, und Christen obendrein, zuschauten, wenn gerädert, gevierteilt, mit glühenden Zangen gezwickt, lebendig verbrannt wurde. Auch heute noch liefen Zivilisierte hin, nicht bloss das starke Geschlecht, wenn es dergleichen wieder zu sehen gäbe. Das wäre eine neue Sensation. Da ist denn um so nachdrücklicher der schönen Züge zu gedenken, dass Afrikaner erkrankten oder sonst in Not geratenen Europäern Gutes erwiesen, ihnen beistanden, sie treulich pflegten, ohne von Christenpflicht zu wissen. Die Bafiöti für jeglichen Mitgefühles bar zu halten, weil sie davon nicht reden, wäre durchaus verkehrt. Es kommt auf die Beziehung an, die sich aus ihrer Weltanschauung, aus ihrer Gesellschaftsordnung ergibt. Im allgemeinen gilt ihnen, wie im Grunde genommen auch uns, das Lehen eines ihnen nicht nahe stehenden Menschen kaum mehr als das eines Tieres, einer Pflanze. Sie stellen sich keineswegs als Hauptpersonen in die Mitte der Schöpfung. Den Tod betrachten sie etwa wie unsere Kinder; er darf nur nicht weh tun. In ihrer Welt sorgt man, wie überall, zunächst für sich und die Seinen, aber nicht bloss für die,, die da sind und die kommen werden, sondern auch für die, die gewesen sind. Dieser Gemeinschaft gelten alle Herzensregungen. Jeder für sich, Nsämbi für alle, lautet eines ihrer Sprichwörter. Anderen hilft man des äusseren Anstandes wegen, weil sich das gegenseitig so gehört, weil Ansässigkeit verpflichtet. Auch wird man sonstwie Gefährdete zu retten suchen. Eine dem Gemeinwohle dienende Mildtätigkeit kann.sich überhaupt kaum entwickeln. Der Höchste wie der Geringste lebt unmittelbar von den Gaben der Natur. Notstände entwickeln sich nicht in regelmässiger Folge. Dem Grossmann, selbst wenn er weitschauende wirtschaftliche Vorsorge kennte, würde es nichts nützen, Speicher anzufüllen, weil die Erntefrüchte rasch verderben oder dem Ungeziefer verfallen.. Wenn Reiche bei Hungersnöten oder Seuchen ihr Vermögen opfern wollten, könnten sie damit keinen Darbenden sättigen, keinen Kranken heilen, weil es an Vorräten, an Zufuhren, an Wissen gebricht. Alle leiden not oder keiner. Sorgen wie Zivilisierte, um Nahrung, um lohnende Arbeit, hat der einzelne nicht. Denn, wie bereits betont, sie weisen niemand ab, der mit ihnen essen will. Bedürftige brauchen nicht zu betteln; sie grüssen, suchen sich einen Platz und langen zu. Erhalten doch sogar Flüchtlinge aus anderen Gemeinschaften von den Frauen Wegzehrung. Nur das Gesinde in Faktoreien lernt auf Befehl härter sein, was die Weissen nicht beliebter macht. Nicht wenige Erzählungen der Bafiöti schildern, wie allzu Selbstsüchtige büssen mussten, weil sie Bedürftigen Trank oder Speise verweigerten. Nachrichten über Heimsuchungen anderer Gebiete erwecken ihnen dumpfes Grauen. Wie bald ereilt sie das gleiche Geschick. Einen, der verunglückt oder erkrankt ist, bedauern sie, besuchen ihn, sprechen Trost ein und beschenken ihn mit Kleinigkeiten. Einem Alleinstehenden, einem Trauernden, leisten sie sogar Arbeit in Wohnung und Wirtschaft. Den Gesundeten beglückwünschen sie. Ähnlich verhalten sie sich unter den tausenderlei Vorkommnissen des Lebens. Aber das ist, wie bei uns auch, grossenteils mehr Form als Herzenssache. Liebe deinen Nächsten gilt ihnen eben für die Nächsten. In voller Stärke äussert sich ihr Mitgefühl innerhalb der Familie, der Sippe, der Freundschaft. Namentlich die Frauen sind es, die hier wie allerwärts ihren guten Regungen in geradezu rührender Weise folgen. Doch auch die Männer stehen bei, helfen und trösten. Sie zögern nicht, Verwandte und Freunde mit ihrem Vermögen und in schlimmen Fällen mit Einsetzung der eigenen Person zu unterstützen. Welche Beweggründe immer obwalten mögen, im Stich lassen sie sich so leicht nicht. Sonach, und weil auch ihr Wortschatz dem widerspricht, darf von gemeiner Herzens- härtigkeit der Leute nicht geredet werden. Dieser die Zivilisierten zu zeihen, ständen sie gewiss nicht an, wenn sie erführen, dass bei uns der Tisch nicht für jeden Hungrigen mitgedeckt ist, dass Bettler bestraft werden. Und wie alt ist denn unser jetzt oft gar lautes Mitleid, wie alt ist überhaupt das Wort Mitleid? Auch anerkennenswert höflich sind die Leute, obschon, wie überall, die Höflichkeit des Herzens nur wenigen eigen ist. Hauptsächlich handelt es sich um Äusserlichkeiten, die das Zusammenleben glätten. Die Umgangsformen sind gefällig. Stets spricht einer allein. Was daheim tagtäglich bei Rauchern als ungebildet auffällt, wird einem in Loängo schwerlich begegnen. Personen, die grüssen oder plaudern, nehmen stets die Pfeife aus dem Munde, junge, die mit alten reden, halten sie gesenkt oder hinter sich. Bejahrten gibt man die schmalen Pfade frei, auch Weibern, selbst wenn sie nicht bebürdet sind. Männer unterstützen sich bei ihren Verrichtungen, springen einander bei, dienen aber allenthalben bereitwillig auch dem schwächeren Geschlecht. Es hat mich oft gefreut, zu sehen, wie ohne Ansehen der Person und unaufgefordert Frauen oder Mädchen geholfen wurde, anstrengende Hantierungen zu vollbringen. Das ist die natürliche Folge der Verehrung für die Mutter, des Vertrauens in die Schwester. Wo Vorteile winken, entartet die Höflichkeit in Schmeichelei. Davon können Menschen viel vertragen. Das wissen die Eingeborenen recht
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