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zu lauschen, denn sobald man den Vortrag unterbricht, beginnt er sicherlich wieder ganz von vorne. Es ist ein Mädchen aus dem Volke, das in eigener oder mütterlicher Angelegenheit kommt, oder es ist eine Häuptlingstochter, die eine Einladung ausrichtet. Unser Gorilla hatte ein liebenswürdiges, unvergleichlich anmutiges Mädchen in sein Herz geschlossen. Sie hiess Nkämbisi, und besass in hohem Grade, was wir sonnige Heiterkeit und vornehme Gelassenheit nennen. Der Gorilla war, wie bei Tieren manchmal zu beobachten, von ihren Bewegungen und namentlich von ihrer Stimme förmlich bezaubert. Und in der Tat hatte Nkämbisi auch ein Organ von seltenem Wohllaute, dabei so biegsam und ausdrucksfähig, dass sich ihr Sprechen wie Musik anhörte. Als der Gorilla schwer erkrankt war, besuchte sie ihn und gab sich viel mit ihm ab wie mit einem leidenden Kinde, pflegte ihn und hielt ihm lange, drollige Beden, dass er nicht mehr im Hofe herumspiele, nicht mehr die Marktkörbe der Hökerinnen untersuche und seinen Vätern, damit meinte sie uns, so viel Sorge bereite. Wenn während der Trockenzeit der Wasserspiegel der unfern von unserem Gehöft sich dehnenden Lagune sank, stellten sich dort die Schlammjungfern ein, nämlich die weibliche Jugend der Umgegend, die in dem flachen, schlammigen Gewässer mit Stülpkörben ohne Boden nach Fischen jagte. Um dieselbe Zeit bot sich auch uns die günstigste Gelegenheit, an der Lagune allerlei Wassergeflügel zu schiessen. Wir gingen längs des Bandes, die Schlammjungfern zogen sich derweile nach der Mitte des Jagdgebietes zurück, denn sie trugen, um ihre Hüftentücher zu schonen, nur ein Deckelchen von Binde oder eine Muschelschale. So oft wir einen auffliegenden Vogel erlegten, schrie und jauchzte die ganze Gesellschaft los, machte ihre Witze und hing uns unter vielstimmigem Gelächter allerlei an. Wir vertrugen uns indessen ganz gut, war es doch ein Gewinn für die Fischerinnen, dass wir unter ihren geflügelten Wettbewerbern aufräumten. Die Eintracht wurde gestört durch unsere Jungen, die den Schlamm- j ungfern die Wirkung der Feldstecher verdeutlicht hatten. Nun empfingen sie uns mit unwilligen Bufen, hockten im schlammigen Wasser nieder und schrieen uns zu, wir sollten fortbleiben. Da wir uns daran nicht kehrten, schickten sie uns eines Tages eine Abordnung, die das Ansinnen stellte, die doppelten Augen nicht mehr zu verwenden. Das wurde zugesagt und gehalten. — Der Buf eines Europäers von besonderer Art dringt bis in die fernsten Gegenden, was, wenn er sich beliebt zu machen weiss, ihm recht fördersam sein kann. Zunächst wird er mit einem Wesen, Gestalt, Gang, Gebaren, Tracht abgelauschten Spitznamen bedacht, der keineswegs immer schön oder schmeichelhaft ist. Gewöhnlich besorgen das die Weiber, die, noch feinere Physiognomiker als die Männer, am schnellsten irgendwelche charakteristische Züge entdecken und passende Ausdrücke prägen. Häufig sprechen sie nicht das Stichwort aus, um sine Persönlichkeit zu bezeichnen, sondern deuten sie einfach mimisch an. Das wirkt belustigend und zugleich so treffend, dass nun erst der Europäer an Gefährten ihm bisher entgangene Eigentümlichkeiten bemerkt. In der Ausschmückung ihrer Person bekunden die Weiber einen geläuterteren Geschmack als die Männer, obgleich sie sich durchschnittlich spärlicher bekleiden und den Kopf gar nicht bedecken. Geschenkt nehmen sie zwar alles, aber sie tragen weder Theaterflitter noch Uniformstücke oder Bedientenfräcke. Die Männer dagegen widerstehen der Versuchung nicht, solchen europäischen Abraum zu verwenden, auch Säbel, Schwerter und sogar mächtige Flamberge mit sich herumzuschleppen. Hosen und Schuhwerk verschmähen sie. Indessen kaufen sie die überflüssigen Dinge nicht, sondern nehmen sie als Geschenke oder Zugaben bei Geschäften und erweisen den Kleidungsstücken die Ehre, sie zu lüften, wenn sie mit Europäern Zusammentreffen. Was sie sich eigentlich dabei denken, haben wir nicht übereinstimmend ergründen können. Sie ahmen nach und prunken mit den Sachen, wie man Orden und Gala anlegt, wie unsere Bürgerwehren sich ausstaffieren. Der Fremdling soll bemerken, dass sie bereits der Auszeichnung gewürdigt wurden, und dass sie gern noch mehr annähmen. Unter sich im Dorfe tragen sie das unbequeme Zeug nicht, höchstens bei kühlem Wetter einen warmen Bock, was ganz verständig ist. Als ein bedeutsamer Zug fällt auf, namentlich in Königsgau und im Tschilüngagebiet, dass Mädchen und Frauen von Stande, die, besuchend oder empfangend, einen Fremdling ehren wollen, mit Vorliebe die alte einheimische Tracht anlegen. Diese besteht aus feinen, manchmal köstlich feinen und zierlich befransten naturfarbenen Bastgewändern und übertrifft an malerischer Wirkung jede andere. In der nämlichen aber einfacheren Tracht, nicht in europäischen Stoffen, erscheinen in jenen Gebieten Männer, die zu einem Gericht über Leben und Tod geladen worden sind. Da auch bei"ihnen die Mode ihre Herrschaft ausübt, können die Bewohner grösser Gebiete sich für eine Neuheit förmlich begeistern. So erzählt Kapitän Adams, ein Sklavenhändler, der zu Anfang des vorigen Jahrhunderts die Bai von Yümba anlief, dass er höchlich erstaunt gewesen sei über das veränderte Aussehen seiner alten Geschäftsfreunde. Einem Nebenbuhler von ihm, einem lustigen Kauz, war es eingefallen, zur Förderung seines Handels mächtige Perücken aus langen Borsten anfertigen zu lassen. Die Neuheit schlug ein, und so stolzierten denn •damals, wenn ein Schiff anlief, die Yümbaleute mit riesigen starrenden


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