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nicht willkommen, aber — gleich den Ozeaniern der alten Zeit, denen noch nicht Männer für -Arbeit und Mädchen für Lusthäuser geraubt worden waren — sie würden ihn weder umbringen noch hungern oder im Busch verenden lassen. Wir haben uns immer gewundert, wie wenig in unserem weitläufigen Gehöfte gestohlen wurde. Wenn wir so viele verlockende Dinge hätten in Europa ebensowenig unter Verschluss halten können wie in Loängo, ob wir nicht Schlimmeres zu berichten hätten? Wie die Leute sich zum Europäer stellen, hängt von seinem Wesen ab. Es ist die alte Kunst, mit Menschen umzugehen, sich in die Lage anderer zu versetzen und nicht bloss zu fordern, wie sich das die leicht angewöbnen, denen daheim die straffe Ordnung half. Das blosse Herrsein wollen und gesträubte Würde werden schnell durchschaut. Wer auf dem Lande gross geworden ist und von klein auf gewöhnt is t, bei Hofgesinde und Dorfleuten zu gelten und seine Wünsche durchzusetzen, dürfte am besten daran sein. Stattliche Gestalt, gutes Aussehen, gefällige Manieren, frische Leistungsfähigkeit, Geduld und Selbstbeherrschung helfen ihm wesentlich, ßüde Heftigkeit schadet am meisten. Wer ausserdem noch heiteren Sinnes, warmherzig, mit gutem Humor begabt ist, Wesen und Lebensformen der Eingeborenen kennt und leutselig achtet, wer sie ab und zu zum Lachen bringt, der gewinnt sie sicher und kann viel erreichen. Sie sind entschieden anhänglich veranlagt, mag die Anhänglichkeit zunächst auch mehr der des Hundes ähneln, der geschickt behandelt wird, mögen sie Trieben folgen, die unter uns das Strebertum erzeugen. Wanderungen, Jagdzüge, grössere Beisen mit allerlei Erlebnissen und vielleicht gemeinsam bestandenen Gefahren binden sie fester an den weissen Mann, der allerwege für sie eingetreten ist. Nachher prahlen sie, mit ihm gewesen zu sein, und wissen stolz zu erzählen. Im allgemeinen zu unselbständig, vertrauen sie dem Tüchtigen und ordnen sich ihm gern unter, denn sie bedürfen eines Herrn, der sie leitet, bewacht, für sie sorgt. Da fühlen sie sich geborgen. Vielleicht stellten sich die Bafiöti jetzt auch anders zum Forscher. Denn die“Zivilisation ist über sie gekommen, wirft sie aus dem Geleise und zerstört wie überall das urwüchsige Volkstum, das mit seinen guten und schlimmen Zügen doch immer einheitlich und verlässlich war. Die Vertreter der Väterzeit sterben aus, gehen zur Erde, wie sie es auszudrücken lieben. Das Alte verliert seinen Wert, das Neue hat keinen Inhalt. Unser früherer Gefährte O. Lindner, der nach drei Jahrzehnten zum vierten Male in Loängo verweilte, hat die Zustände recht ungünstig verändert gefunden. Zu den ständigen Bezichtigungen, die — wie die Phrasen vom plötzlichen Hereinbrechen der Tropennacht, von der Frau als Lasttier des Mannes, vom Fetischanbeter — ungeprüft wiederholt zu werden pflegen, gehören die Klagen über die Undankbarkeit der Leute. Als ob man über Zivilisierte nicht klagte! Nun-sind aber Menschen gar nicht so undankbar, wie es Wohltätern vorkommt, die zuviel verlangen. Man versetze sich in die Läge unserer Eingeborenen. Wofür sollen sie Europäern dankbar sein? Was haben die Klagenden für sie getan? Der Weisse kommt, kauft, feilscht, verlangt stets Gegenleistungen, statt seine Whren, die ihm nach ihrer Ansicht so aus dem Blauen zufallen, freigebig zu spenden. Mancher ist freilich wohl ein armer Kerl, der daheim nichts zu beissen hat oder für seinen Herrn fronen muss. Aus bitterer Erfahrung trauen sie dem Fremdling nichts zu, was Dank verdiente. Erweist er ihnen einmal Freundliches, so muss er wohl, da er erfahrungsmässig aus reinem Herzen für sie gewiss nichts tut, irgendwelche Vorteile davon haben. Beschenkt er sie, so fassen sie das als Geschäftskniff auf, weil Händler gegeneinander stänkern. Sie danken vielleicht aus Höflichkeit mit Worten und Gebärden, aber verpflichtet fühlen sie sich nicht. Der Geber wird sich schon schadlos halten. Deswegen wissen sie Beweise von Wohlwollen zunächst gar nicht zu würdigen. Sie vermuten Hintergedanken. Zwar lassen sie sich Guttaten gern gefallen, fordern sie aber bald als ein ßecht und fühlen sich durch Verweigerung gekränkt — ganz wie bei uns. Es bedarf grösser Vorsicht und eines langen, klug geregelten Verkehres, bevor es in ihnen dämmert, dass: der Fremdling weder ein Schlaukopf noch ein Schwächling ist, sondern es einfach gut mit ihnen meint. Das spricht sich rasch herum. E r wird bei ihnen beliebt und mag es, namentlich wenn er die Frauen für sich hat, zu hohem Ansehen im Lande bringen. Alsdann schenken sie ihm sogar in eigenen Angelegenheiten Vertrauen, und das ist ungefähr das Höchste, was er von ihnen erwarten kann. Nachher zeigt sich auch, dass sie in ihrer Art Dankbarkeit empfinden und beweisen. Haben sie doch das Sprichwort: Undank frisst Freundschaft. Dankbar sein bedeutet bei ihnen, wie bei unseren Bauern und Kleinleuten, wett machen. Wer aber Tat mit Tat vergilt, sich für gebunden erachtet, es bei Gelegenheit zu tun, dem fällt es nicht bei, sich umständlich zu bedanken und allerlei zu versprechen. Die Leute helfen, schenken, bewirten in der Voraussetzung, dass ihnen selbst wieder so geschehe. Auf Worte, die unter uns Dankbarkeit bedeuten sollen, geben sie nichts. Dem vollen Ausgleich mit dem Europäer steht freilich der ßangunterschied entgegen •, sie erwarten oftmals von ihm mehr. Wer in diesem Sinne mit ihnen verkehrt, wird nicht leicht in den gerügten Tadel einstimmen. Undank- barer als unser Gesinde sind sie nicht. Nicht anders verhält es sich mit der viel berufenen Verlogenheit, die vielfach als eine ausgemachte Schlechtigkeit hingestellt wird, als ob man mit geborenen Lügnern zu tun hätte. Da müssten zunächst die von


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