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Schatten der fürstlichen Person mit ihrem Körper wie mit ihrem Schatten zu vermeiden. Der Hochgestellte nimmt den G-russ an, indem er, die Handfläche nach oben gewendet, ein paar Finger krümmt. Gnädiger zeigt er sich, wenn er die Finger mehrmals bewegt, am gnädigsten, wehn er die Hände ineinander legt und alle Finger spielen lässt. Schiebt er statt dessen bloss den Fuss vor und krümmt die Zehen, so bedeutet das Ungnade, ruckt er gar mit dem Fusse, als wollte er dem anderen Staub oder Erde zuwerfen, so weist er schroff zurück oder beleidigt. Weiber begrüssen sich untereinander ähnlich wie die Männer mit Worten und Handschlag, doch weniger demonstrativ und nicht mit dem eigenartigen Händeklappen. Ihnen begegnende Männer, die namentlich bebürdeten Frauen den Pfad frei geben, pflegen sie nicht zuerst zu grüssen. J e nachdem ihnen guter Weg geboten oder allerlei angehängt wird, erwidern sie mit Lächeln, Kicken, Hochziehen der Augenbrauen, mit freundlichen oder verweisenden Worten. Wie überall wird mit den Jungen lieber angebändelt als mit den Alten. Frauen bewillkommnen Männer, die ihr Anwesen (nicht etwa ihre Hütte) besuchen, vor dem EiDgang mit einigen guten Worten, Bekannte und Verwandte auch durch Handschlag und besonders herzlich, indem sie, entgegen gehend, beim Händedrücken die andere Hand auf die Schulter des Besuchers legen. Will eine wohlerzogene junge Frau einen Fremdling recht verbindlich grüssen, so neigt sie sich leicht und schwingt die Hand, Fläche schräg nach innen und oben, fast bis in Gesichtshöhe, als ob sie den Willkomm darböte; falls sie ein Gewand über den Oberkörper geworfen hat, lüpft sie es wie zufällig ein wenig von Schulter und Brust, lässt es aber nie so völlig sinken, dass von einer ehrfurchtsvollen Entblössung gesprochen werden könnte. Eine solche findet statt, wenn ein Weib, um zu reden, in die Mitte feierlich beratender Männer tritt. Den Europäer grüssen begegnende Frauen nicht so unterwürfig wie Männer; halb schüchtern, halb selbstbewusst lassen sie es mehr darauf ankommen. Wer andere in ihrem Heim aufsucht, hält etliche Schritte vor der Tür an, stampft auf den Boden und räuspert sich. Aus dem Inneren schallt es: wer? wer ist da? worauf sich das Weitere ergibt. Im Notfälle wird mit der flachen rechten Hand gegen einen Tragpfosten des Vordaches geschlagen oder an die Hüttenwand selbst geklopft, aber nicht mit Finger oder Faust, sondern rückwärts mit dem Hacken des Fusses. Der Hütte einer Ehefrau nähert sich kein fremder Mann in solcher Weise; er meldet, was zu bestellen ist, ohne die Bewohnerin zu sehen, oder lässt sie durch eine Nachbarin herausrufen. Solange man mit dem Treiben der Leute nicht vertraut ist, gewinnt man den Eindruck, als ob sie mit Gruss zusammenkämen, aber ohne Abschied auseinandergingen. Dem ist jedoch nicht so. Das Treffen wird bloss stärker markiert als das Trennen. Sie haben Ausdrücke genug für Lebewohlsagen. Oft ergibt sich schon aus dem Schluss der Gespräche, aus Blick und unauffälligen Gebärden die Wendung des Abschiednehmens. Ausserdem wird besonders gesagt: Wir gehen, auf morgen, auf später, gehe gut, Friede sei vor dir, Gutes sei mit dir. Auch wird bisweilen nach der Trennung, erhobenen Armes mit den Fingern spielend, ein Gruss durch die Luft geworfen. Eltern und Kinder sowie Eheleute verhalten sich beim Scheiden oder Wiedersehen wärmer, herzlicher, auch feierlich. Zwar wird es nicht für geziemend erachtet, sich vor den Augen anderer zu liebkosen, doch fügt es der Zufall, dass man im Laufe der Zeit manchen Aushruch der Zuneigung und Liebe beobachtet. Es gibt vielerlei sprachliche Wendungen für segnen und verfluchen, für Herzenswünsche innigster Art. Eltern geben scheidenden Kindern ihren Segen mit auf den Weg, legen die Hände auf sie und sagen: Friede sei vor dir. Gutes begegne dir. Dein Weg sei eben. Licht sei vor dir, hinter dir Finsternis. Trage mich im Herzen. Gutes komme mit dir. Freude sei deiner Mutter. Im Berglande hatte sich ein junger Mann entschlossen, uns zu einem Gebiete zu führen, wo es für ihn nicht recht geheuer sein mochte, wahrscheinlich, weil seine Sippe dort etwas auf dem Kerbholz hatte. Vor dem Abmarsch lief er nochmals zu seiner Mutter, die aus der Fenstertür ihrer Hütte schaute, beugte sich nieder, legte seine rechte und linke Wange an ihre Wangen, drückte seine Stirn auf ihre Stirn, presste ihre Hände an seine Brust und zog dann wohlgemut vor uns her, während die Alte, vor sich hinmurmelnd, ihm nachblickte, solange er zu sehen war. Ein Mann verabschiedete sich vor der Hütte nochmals von seiner jungen Frau, indem er ihren Kopf zwischen die Hände nahm, seine Stirn auf ihre Stirn drückte, aber nicht etwa die Nasen rieb, ihr in die Augen sah und dabei leise, eindringliche Worte mit ihr wechselte. Ihre Hände ruhten dabei auf seinen Oberarmen. Ferner habe ich gesehen, dass eine junge Frau ihrem scheidenden Manne zuletzt die Arme auf die Schultern legte, dass eine andere die Hände ihres Mannes dreimal auf ihre und seine Brust drückte, dass eine dritte ihrem Geliebten nacblief und, ihm regelrecht um den Hals fallend, sich an ihn schmiegte. Bei einem recht grossen Abschiede, wenn Leute eine lange Reise antreten, namentlich über See fortwandern, werden neue Tücher geschwenkt, in die Luft geworfen und den Winden zum Spiel überlassen. Gleich ehrenvoll wie vertraulich ist noch folgende Begrüssung: zwei Personen von Stande verhaken rasch nacheinander die rechten und die linken Arme. Bisweilen leeren sie dann ein Gläschen starken Getränkes,


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