Kinder und viele Erwachsene essen eben alle gern auf Vorrat, wenn sie es haben können, weil es Leib und Seele Zusammenhalt; in schlechten .Jahren müssen sie genug darben. Trotzdem lässt sich nicht behaupten, dass sie ihrer alltäglichen Nahrung unmässig zusprächen. Wildbret können sie freilich in erstaunlicher Menge vertilgen. Wer aber solch seltenes Gericht voll ausgeniessen will, muss es überreichlich haben oder muss es heimlich tun, sonst stellen sich Gäste ein. Die Fleischmassen eines Stückes Grosswild wandern hinnen überraschend kurzer Zeit in die Magen des Reisegefolges und seiner Zuläufer. Nach Schätzung kann ein Mann in vierundzwanzig Stunden an sechs bis neun Kilogramm Fleisch bewältigen.*) Beim Trinken bedienen sie sich womöglich der Gefässe, im Notfälle eines gefalteten Blattes oder der hohlen Hand, beugen sich auch zum Wasser nieder und saugen wie wir. An einer gefassten Quelle tun sie das stets unterhalb der Schöpfstelle. Im Kahne, beim eiligen Rudern, werfen sie hastig etliche Handvoll Wasser in den Mund, aber auch viel dan e b en .“—". Ihre Empfindlichkeit für Schmerzen scheint stumpfer zu sein als hei zivilisierten Menschen. Doch kommt es sehr darauf a n , welche Persönlichkeiten man zum Vergleichen wählt. Es wird richtig sein, anzunehmen, dass sie sich ungefähr wie unsere Kleinleute und Landbewohner verhalten. Sie verzagen leicht. Schmerzen, die ihnen von aussen zugefügt werden, deren Ursache sie kennen, ertragen sie meistens gut, setzen auch vielfach eine Ehre darein, sich nicht anzustellen. Dagegen klagen sie gern über anhaltende Schmerzen, die mit Krankheiten verknüpft sind. Kreissende Frauen gehen unter schwierigen Umständen ihrer Not lauten Ausdruck, obgleich sie es für geziemend halten, vom Natürlichen kein Aufhebens zu machen. An Körperkräften stehen die Leute schwerlich hinter Europäern zurück ; es gibt unter ihnen Personen genug, die sich zu Athleten ausbilden könnten. Aber sie lieben es gar nicht, sich anzustrengen. Wenn sie Kraftstücke nachmachen sollen, stellen sie sich recht ungeschickt an, etwa wie unsere Rekruten bei Turnübungen. Im Heben von Lasten nehmen sie es mit uns auf, aber ein Gewicht mit steifem Arm zu halten, Ziehklimmen auszufuhren, einen mächtigen Schlag zu tun, das vermögen sie nicht. Sie sind nicht geübt. Dagegen sind sie uns weit überlegen an Ausdauer in stetiger Bewegung. *) Der alte Hahärero in Südwestafrika konnte, nach mündücher Versicherung, in einer Nacht den besten Teil eines starken Hammels verzehren, und trat dabei vier- bis fünfmal aus. Doch können auch Europäer Erklecküches leisten. Ich entsinne mich, dass unser Schäfer von Klössen grössten Kalibers, wovon das übrige Gesinde drei bis fünf ass, bis vierzehn Stück zu verstauen pflegte. Entfernungen spielen, wie die Zeit, in ihrem Leben überhaupt keine Rolle. Ein Eilbote läuft in kurzem Trabe mit etwa hundertundfünfzig Schritt in der Minute mehrere Stunden lang ununterbrochen, ohne ausser Atem zu kommen. Träger mit unhandlichen Lasten von fünfundzwanzig und dreissig Kilogramm, die sie hauptsächlich auf dem Kopfe, abwechselnd auf den Schultern, nie auf dem Rücken tragen, gehen in aufrechter Haltung und federnden Schrittes einen halben Tag und noch länger rüstig vorwärts. Dabei schwatzen, scherzen und lachen sie sogar auf unwegsamen Pfaden in bergigem Gelände, als ob ihre Lungen die Anstrengung gar nicht spürten. Allerdings überkommt einmal den einen oder anderen ein plötzliches Verzagen: er fällt vollständig ab und meint, nun sei es aus mit ihm. Zureden der Gefährten, eine kurze Rast bringen ihn wieder auf die Beine, und bald ist er frisch wie zuvor. Sonst verschlägt es ihnen nichts, nach einem tüchtigen Marsch sich noch bei einem Tanze im Dorfe die halbe Nacht oder noch länger zu vergnügen und morgens munter weiter zu ziehen. Freilich hängt viel davon ab, ob sie eigene Angelegenheiten oder die des weissen Mannes besorgen, wie sie behandelt, ob sie mangelhaft oder reichlich ernährt werden. Noch grösser sind die Leistungen der Tipojaträger. Einen schweren Mann in der schaukelnden Hängematte, die Tragstange auf Kopf oder Schulter stützend, eilt ein Trägerpaar mit federnden Kniekehlen in kurzem Trott hundertundfünfzig bis hundertundachtzig Schritt in der Minute dahin, neben ihnen die Ablösung. Zeitweilig feuert einer durch Rufe an, der Ohor antwortet, so geht es mehrmals im Wechsel fort. F ü r kurze Strecken genügen zwei oder vier Leute, die bis zu neun Kilometer, für grössere Entfernungen secbs Träger, die dann durchschnittlich sechs bis sieben Kilometer in der Stunde laufen. Nach vier Stunden beginnt sich die Gangart zu verlangsamen, und die Trägerpaare lösen einander rascher ab. Immerhin kann man auf guter Bahn mit erlesenen Leuten in einem Tage fünfzig Kilometer zurücklegen. Ehrensache selbst für die ermü- detsten Tipojaträger ist es, wenn sie Wohnstätten passieren, noch einmal alle ihre Kräfte anzuspannen und sich jubelnd im vollen Glanze zu zeigen (Abbildung I 40). Wie sie hierbei sich zu einer raschen aussergewöhn- lichen Leistung aufraffen, so tun sie es beim Rudern, wenn es gilt, Stromschnellen oder die schweren Roller am Strande zu überwinden. Dabei geht es oft auf. Tod und Leben, und das Schicksal des mit der Brandung kämpfenden Fahrzeuges hängt an Sekunden. Auch sonst vermögen sich die lässigen Leute entschlossen und nachdrücklich anzustrengen, nur müssen es gewohnte Verrichtungen sein und in ihrer Weise geschehen. Ihre Kraftleistungen beim Tanzen, wozu auch Singen und Händeklappen gehören, dürfen ebenfalls nicht gering eingeschätzt werden. Man 3*
27f 32-2
To see the actual publication please follow the link above