aller Komik steckt dock vieles darin, das homerisch anmutet, sowie an die pathetischen Gemälde Davids erinnert. Einem Mädchen wurde vor unserem Gehöft von Leidtragenden nach altem liecht, trotz Gegenwehr, die Hälfte des eben für Feldfrüchte eingetauschten Rumes weggetrunken. Darüber geriet die Beraubte, die uns schon lange gelassen und freundlich versorgte, dermassen ausser sich, dass sie, bar aller Scham, einen jammervollen Anblick bot. Klagend und kreischend verkrampfte sie die Hände, schlug um sich, raufte ihr Haar, hämmerte die Brust, riss das Gewand von den Hüften und wälzte sich schäumenden Mundes auf dem Boden. Plötzlich raffte sie sich auf, sprang den Abhang hinab zum Meere und wäre sicherlich ins Wasser gelaufen, wenn nicht einer der nacheilenden Männer sie noch glücklich erfasst hätte. In hochgradiger Erregung wurde die Widerstrebende von Gefährtinnen heimgeführt. Nächsten Tages war sie artig wie immer. Immerhin sind derartige ernsthafte Vorfälle recht selten, und ich wüsste in der Tat kaum noch welche von ähnlicher Bedeutung anzuführen. Aber die Leute, die solchergestalt die Herrschaft über sich selbst verlieren, können manchmal Unheil anrichten oder, wie es auch in der Fieberhitze geschieht, Selbstmord begehen. Von solchen Geschehnissen sind uns folgende bekannt geworden: Ein Häuptling tötete auf der Stelle einen Zaubermeister, der ihn überraschend der Hexerei beschuldigte; ein Faktoreisklave schnitt sich die Kehle durch; eine junge Frau erschoss sich aus Eifersucht; ein Mädchen ging aus unglücklicher Liebe ins Wasser. Was man so Nerven zu nennen pflegt, gibt es kaum unter beiden Geschlechtern. Ihr Nervensystem arbeitet träge und bedarf starker Beize. Sie zucken nicht zusammen bei einem ungewöhnlichen Schalle; höchstens stossen sie einen Ausruf der Verwunderung aus und fahren mit der Hand mundwärts. Junge Weiber halten sich manchmal ängstlich die Ohren zu, wenn in ihrer Nähe heftig geschossen wird oder wenn sie das Abfeuern eines Gewehres erwarten, doch machen sie sich dabei verdächtig, ein bisschen zu kokettieren. Manche wurden allerdings durch die Töne einer messingenen Signaltrompete so unliebsam berührt wie etwa unsere Hunde; sie verstopften die Ohren und rissen aus. Regelrechte Ohnmächten infolge seelischer Erregungen sind nicht unbekannt. Im übrigen können junge und alte Leute beiderlei Geschlechtes nach volkstümlicher Ausdrucks weise einen tüchtigen Puff vertragen, falls nicht Gespensterfurcht sie in der Dunkelheit packt. Sogenannte Gelüste kommen vor, und zwar nicht bloss bei Frauen in gesegneten Umständen Es gibt Kinder, — und es soll auch Erwachsene geben — die zeitweilig Erde essen, nicht etwa mageren Laterit, sondern Lehm und Ton, der mühsam für Töpferarbeiten beschafft wird. Ein. etwa sechsjähriger Junge verzehrte die fette Erde brockenweise in der Art, wie unsere Kinder Schokolade lutschen, und gab sein Wohlgefallen durch tüchtiges Schmatzen kund. Man liess ihn ruhig gewähren, ei befand sich offenbar in recht gutem Zustande. Andere knabbern gewisse Arten von Baumborke, Blattwerk und Fruchtkernen. Manche wälzen auch einen Kiesel im Munde herum oder saugen an einem Halmstuck. Doch hängt solches Tun öfters mit dem Fetischismus zusammen. Wichtiger erscheint der Fleischhunger, der gelegentlich nicht nur einzelne Personen, sondern die Bewohner ganzer Ortschaften befällt. Dieses Gelüst nach frischem Fleische kann das ganze Sinnen und Trachten der Leute beherrschen und sie in eine gelinde Baserei versetzen. Wo Anlagen dazu vorhanden sind, vermöchte solch ein krankhafter Zustand ganz gut zur Menschenfresserei zu verleiten. Übrigens kommen Gelüste anderer A rt auch unter Europäern vor, die lange Zeit in der Wildnis leben. Sie können sich derartig steigern, dass die Betroffenen wirklich daran kranken und wochenlang kaum noch an anderes denken. Solche Gelüste sind komisch und ernsthaft zugleich. Die mir bekannt gewordenen richteten sich auf Kartoffelsalat, auf Sauerkraut, auf frische Leber- Wurst. _ Die Schärfe der Sinne, namentlich die Sehkraft der in Wildnissen lebenden Menschen wird gewöhnlich weit überschätzt, weil man aus der Geschicklichkeit des Gebrauches schlechthin auf die Vorzüglichkeit der Werkzeuge schliesst. Vielerlei unbedachte Schilderungen haben es zuwege gebracht, Erstaunliches vom Wilden zu erwarten und auch erfüllt zu sehen, ohne die Tatsachen weiter zu prüfen. Hier rede ich nicht von den Bafioti allein, sondern auch von anderen Afrikanern sowie von Indianern, Polynesiern und Bewohnern der Polarregionen, also von Ackerbauern, Fischern und Jägern, die mir ihr Können gezeigt haben. Gewiss leisten viele von ihnen Ausgezeichnetes, aber wirklich doch nicht mehr als Zivilisierte, deren Beruf oder Liebhaberei dazu angetan ist, sie im zweckvollen Gebrauche ihrer Sinneswerkzeuge zu schulen. An ein beschränktes Gesichtsfeld und Naharbeit gewöhnte Leute mögen staunen ob der den Raum beherrschenden Sehkraft der Bewohner offener Landschaften, und müssten doch, wenn sie nur darauf achten wollten, ebensogut staunen über die unserer Flachland- und Gebirgsbewohner, über die unserer Seeleute und Inselbewohner. Freilich gibt es unter uns mehr verdorbene Augen als unter den Leuten der Wildnis, obschon ich bei diesen genug Personen gefunden habe, denen eine Brille gut getan hätte. Aber ungeübte oder blöde Augen sind doch nicht als Bichtmass zu betrachten. Was bei den Zivilisierten nur wenige können, können hei den Primitiven viele. Das ist der ganze Unterschied. Zur Bestimmung von bekannten Personen haben
27f 32-2
To see the actual publication please follow the link above