sich Eigentümlichkeiten der Lebensführung nachweisen. Da indessen Einheimische und Zugewanderte sich anstandslos vermengt und gekreuzt, auch ihre Besonderheiten abgeschliffen und ausgetauscht haben, da überdies ein Beharrungszustand nirgends eingetreten ist, können Grenzlinien nicht gezogen werden. Erst jenseits und diesseits der Vermischungszone tritt die Eigenart der Stämme deutlicher hervor, trotzdem auch sie aus anderen Gründen nicht unbeeinflusst geblieben ist. Zur Zeit des bis ins Herz von Afrika wirkenden Sklavenhandels vollzog sich eine nachhaltige Verschiebung und Verschleppung von Stämmen oder mindestens von zahllosen Menschen. Denn die europäischen Schiffer erhielten ihre Ladungen weniger aus den Küstengebieten, die sonst rasch entvölkert worden wären, deren Bewohner sie überdies bei ihrem Geschäftsbetriebe nicht entbehren konnten, als durch Zwischenhandel aus dem Inneren. Dort gingen die Gefangenen von Hand zu Hand, zu Wasser und zu Lande westwärts, hauptsächlich den Kongo hinab bis zum Stanleypool, wurden daselbst aufgesammelt, abgenommen und gangweise über das Gebirge zur Loängoküste oder zur Kongoküste getrieben. So kamen Banyängela, Baböngo, Bantetsche (Bateke), Bayänsi und Angehörige noch entfernter wohnender, vergessener und vielleicht schon verschollener Stämme alljährlich zu vielen Tausenden in die Küstenstriche. Später gelangten in viel geringerer Zahl Leute aus südlichen Ländern, aus Angola und Benguella (sprich Bengela) auf dem Seewege in das Land. Nicht immer konnten die Sklaven gleich weiter verkauft und verschifft werden. Hierüber wussten uns alte Sklavenhändler noch vielerlei zu erzählen. Da Angehörige gewisser Stämme, weil sie stark, lenksam, treuherzig waren, am höchsten bezahlt wurden, fälschte man die kennzeichnenden Stammesmarken, deren Verheilung alsdann abgewartet werden musste. Haar, Haut, Zähne wurden kosmetisch behandelt, um Jugend vorzutäuschen, welche Kniffe übrigens die eingeborenen Lieferanten ihren Lehrmeistern rasch ablernten. Bald war nun eine Ladung vorzugsweise begehrter Arbeiter noch nicht vollzählig, bald liefen die Frachtschiffe nicht rechtzeitig ein, bald haderten und kämpften miteinander die im Inneren des Landes an der Zuführung beteiligten Häuptlinge und sperrten die Wege. Weitere Stockungen traten ein, als englische Kreuzer die Ausfuhrplätze schärfer überwachten. Die letzten mit Menschen beladenen Schiffe, eins mit fünfhundert Sklaven an Bord, wurden an der Loängoküste in den Jahren 1863 und 1868 aufgebracht. So konnte es geschehen, dass Sklavengänge nicht bloss unterwegs, sondern auch in Sicht des Meeres liegen blieben, wo sie in Dörfern oder in festen Gehöften verwahrt wurden. Mancher Gefangene entwischte. Andere entliefen ihren schwarzen oder weissen Herren in Masse, befreiten sich sogar gewaltsam und plünderten die Zwinger. Andere, die schon auf dem Meere schwammen, wurden von ihren Befreiern zu Hunderten einfach ans Land gesetzt. Die letzten Sklavengänge konnten überhaupt nicht mehr verschifft werden. Die irgendwie frei gewordenen Sklaven wanderten fort, oder verloren sich unter den Bafioti, oder taten sich zusammen und gründeten an günstigen Stellen eigene Dörfer. Solche Ansiedler verlockten und raubten sogar Weiber, kämpften erfolgreich gegen ihre Bedränger und gewannen durch Zulauf an Bedeutung. Ein letzter bemerkenswerter Pall dieser Art ereignete sich Ende der fünfziger Jahre. Mehrere hundert Sklaven brachen unfern von Tschintschötscho aus, erschlugen ihre weissen Herren, brandschatzten das Gehöft, wobei sie viele Waffen, auch eine Kanone mit Munition erbeuteten, und setzten sich an der Lagune von Tschis- sämbo fest. Von Europäern und Eingeborenen gemeinsam unternommene Angriffe wiesen sie blutig ab. Mit Fremdlingen, die nicht zu zwingen waren, musste man verhandeln. Wenn die Leute nicht, laut Vereinbarung, in geschlossener Masse irgendwohin abzogen, ordneten sie sich im Laufe der Zeit, so gut es gehen wollte, dem Gemeinwesen ein. Das gelang ihnen am leichtesten, wenn Weiber und Häuptlinge sich ihrer annahmen. Im beständigen Verkehr mit den Einheimischen schwanden allmählich die Besonderheiten der Stamm- oder L an d frem d en b ä tu a , sing, mütua. Sie gingen schliesslich im Volkstum auf. _ Doch gibt es noch Ausnahmen, Ubergahgszustände, ähnlich denen, die in den Randgebieten hervortreten. Es finden sich vormals eingeführte Fremdlinge, die, in grösserer Anzahl miteinander lebend, ihre Eigenart besser bewahrt haben. Ebenso finden sich verstreut lebende Fremdlinge, die überhaupt erst in jüngster Zeit in das Gebiet verschlagen worden sind. Gewiss ist dies bei Personen, überwiegend Unfreien, die durch ihre Tätowierung, derbe Hautschuitte, auffallen. Wir haben es mit Bantetsche und Angehörigen anderer Völkerschaften des Inneren zu tun, die ihre kennzeichnenden Marken nicht erst an der Loängoküste empfingen. Manche sind noch recht jung. Einen Knaben, an seinen kräftigen Wangenschnitten als MuntStsche kenntlich, erhielt ich an der Küste geschenkt. Schwieriger ist die Stammesart von Leuten zu bestimmen, die bereits länger im Lande leben, sich zwar äusserlich den Bafiöti angepasst haben, aber noch immer ziemlich abgeschlossen in eigenen Dörfern hausen. Politisch gelten sie nicht für voll. Da manche ihrer Dorfschaften eine nicht zu unterschätzende Macht bilden, bewilligt man ihnen zwar gelegentlich Sitz und Stimme bei Verhandlungen über öffentliche Angelegenheiten, erkennt aber ihren Vertretern nicht die Rechte von Grundherren zu, weswegen sie gewisse Stätten der Verehrung nicht anlegen
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