Nebelschwaden. Gedämpftes Rauschen und Rollen in der Ferne, wo die nie rastende Brandung gegen den Strand läuft. Ein Wasservogel streicht mit pfeifendem Flügelschlage durch die Nacht; dann und wann schnellt ein Fisch empor und fällt plätschernd zurück Eintönig, manchmal an klingendes Glas erinnernd, fallen noch Regentropfen vom Laube der Mangroven in die das Wurzelgewirr umspülende salzige Flut. Der kaum spürbare Landwind trägt den Geruch der Savane hinaus auf das Meer. Am Osthimmel steht seit Stunden das Zodiakallicht: ein kegelförmiger, undeutlich begrenzter Schein, mild schimmernd wie die Milchstrasse. Noch ist es dunkel. Aber draussen in der B ai, wo die dem Fange von Seethieren nachgehenden Eingeborenen auf den Sanden lagern, beginnt es sich bereits zu regen. Einzelne Laute schallen herüber, Funken sprühen auf, eine verglimmende Gluth wird angefacht; in Kreislinien geschwungene Brände bewegen sich wie Feuerräder hin und her und entzünden andere, zitternde Streiflichter auf das Wasser werfend. Im Osten läuft ein rosiger Hauch über das Zodiakallicht hin und breitet sich am Horizonte aus. Erst wundervoll zart, nimmt er allmählich an Leuchtkraft zu. Langsam, das milde Thierkreislicht verdrängend, steigt er am Himmel empor und umspannt im Halbkreis das dem Tage vorangehende, immer stärker sich entwickelnde goldige Licht. Die Landschaft wird allmählich aufgehellt; ihre Formen beginnen sich von einander zu lösen und schimmern kurze Zeit wie durchsichtig in einem herrlichen milchigen Blau. Heller und glänzender leuchtet es int Osten, der rosige Saum zerfliesst. Ein blendend weisser Schein, von dem senkrecht hoch in den Himmel ein mächtiger Lichtbalken aufschiesst,. hebt sich über den Horizont, und wie ein Blitz trifft ein funkelnder Strahl das Auge. Das Tagesgestirn steigt herauf, Land und Meer mit Licht überflutend. ■ Da liegt im Sonnenglanze der alte Königsgau von Loängo, einem in grossen Verhältnissen angelegten Parke gleichend. Sanft ansteigende Grasflächen mit allenthalben vertheilten Gebüschen und- Gehölzen, leichte Bodenschwellungen und baumgekrönte Hügel, Palmenhaine, Gruppen bräunlicher Hütten mit emporkräuselndem bläulichem Rauche, weisse, von stattlichen Mangobäumen traulich beschattete Faktoreigebäude, die hochrothen Steilwände von Erdrissen und Kesselthälern im höheren Gelände reihen sich in weitem Umkreis an einander. Thaufrisch flimmernd und köstlich grün, zart röthlich oder gelblich abgetönt, wo die feine Farbenschönheit noch blühender Gräser überwiegt, breiten die Campinen sich aus in ihrer Blust. Von Gruppen in. einander gewachsener ernster Mangroven und krausem Strandgestrüpp lösen sich die letzten Nebelschwaden. Mit Rauchstreifen der verglimmenden Fischerfeuer vermischt, treiben sie über die Bai und vergehen. A u f den langgestreckten Sandriegeln, in den dazwischen liegenden Wasserflächen laufen und waten dunkle Gestalten umher: Männer, Weiber, Kinder, die Fische fangen und Muscheln suchen, lustig lärmen und rufen. Es glitzert und funkelt, wo die übermüthige Jugend sich tummelt, in der salzigen Flut umherpatscht und sie aufspritzen macht. Am fernsten Sande, wo die Dünung anrollt und schäumende Brecher auf blinken, zieht, undeutlich sich abhebend, eine räthselhafte Procession von hellrothen Gestalten entlang. Nun stockt die Bewegung einen Augenblick. Mit militärischer Genauigkeit, als ob Soldaten da draussen Uebungen vornähmen, erscheint ein lebhaft bewegter hochrother Streifen. Dieser löst sich vom Sande — ein grösser Z u g Flamingos schwingt sich in die Luft und steuert über das blaue Meer nach Süden. In weitester Feme hüpfen mit der anlaufenden Dünung dunkle Gegenstände auf und nieder, tauchen empor und verschwinden wieder. Es sind mittelst Steinen verankerte Einbäume, von welchen eifrige Fischer ihr Angelgeräth auswerfen. Unfern am Strande hat sich eine Dorfgemeinde versammelt. Alt und Jung springen hin und her, in das Wasser, auf das Trockene, schreien und jubeln, und mühen sich unter endlosem Gelärm, das schwere, aus Baststricken geknüpfte Schleppnetz auf den flachen Sand zu ziehen. Sie haben Eile, ihre schuppige Beute zu bergen, denn die erquickende Morgenfrische ist nur zu bald dahin. Heisser und heisser strahlt die Sonne nieder. Eine schier unerträgliche Lichtmenge trifft die Erde. Festes und Flüssiges zittert und löst sich im Glast. In der Ferne werden die Formen unsicher und erscheinen strichweise vom Boden getrennt. Alle Gegenstände beginnen zu flattern, als bestünden sie aus leichten Stoffen und wären ein Spiel der Luft. Sand und Wasser in der weiten Bai fliessen wesenlos in einander. Die Luft ist nicht heiss und erstickend, als käme sie aus einem Backofen, aber die Sonne brennt wie weissglühendes Metall. Auch die einsetzende Seebrise und die vorüber huschenden Schatten mit ihr landeinwärts treibender Wolken vermögen die Hitze nicht zu mildem. Die barfüssigen Eingeborenen und ihre allgegenwärtigen Hunde vermeiden es bald vorsichtig, nackte Bodenstellen zu betreten, wo sie es dennoch müssen, hüpfen sie in komischer Eile mit grossen Sätzen darüber hin. W er es vermag, flüchtet in den Schatten von Bäumen und Dächern. Erst am Nachmittag, wenn der Mensch nicht mehr in seinen eigenen Schatten
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