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scheint nahe gerückt. Vom wolkenlosen blauen Himmel bestrahlt die Sonne init vollster Kraft die Landschaft. Klar sind die Formen, die Farben. Ochergelb, goldig grün und warm braun dehnen sich die Campinen mit ihren bereits ausgereiften Gräsern; auf dem blanken Laubwerk der Gesträuche spielen Glanzlichter. In der Feme mar- kiren sich die Pflanzenformationen durch ihren Wiederschein im Glast der unteren Luftschichten: über den dunkeln Gehölzen und Wäldern ist der Horizont rein blau, über den ausgereiften hellen Grasbeständen zart rosig und matt gelb angehaucht. Die Pejar- regionen haben ihren Eis- und Wasserhimmel, die Savanen haben ihren Gras- und Waldhimmel. Zu keiner Zeit erscheint die Savane schöner als während dieser Periode der heitersten Herbststimmung. Noch ist sie voller Leben. Metallisch schillernde Käfer hängen wie Geschmeide an den nickenden Halmen oder summen über die Campine hin. Mannigfaltig gestaltete Grashüpfer schwirren auf. Schmetterlinge umgaukeln die Blüthen am Waldrande und zwischen den Grasgarben. Auf spärlich bewachsenen Bodenflecken trippeln glänzend befiederte Täubchen zierlich umher; von allen Seiten ertönt ihr melancholisches Locken, ihr trauliches Rucksen und Girren. Aus den Buschwäldchen schallt wie Flötenton des grossen W ürgers starker Doppelpfiff, dessen Schluss das treue, tactfeste Weibchen jedes Mal mit heiserem Schnarren begleitet. Lockere Schwärme lustig zwitschernder rothbrüstiger Schwalben wirbeln durch die Luft, und Flüge prächtig grüner Tauben sausen pfeilschnell vorüber nach den fernen Manglaren. Bunte Bienenfresser sinken leicht wie Federn in schönem Bogen aus der Höhe herab, schweben in anmuthigen Wendungen über den Gräsern hin oder steigen lerchengleich wieder empor, Herrlich gefärbte, wie Edelsteine schimmernde zierliche_Eisvögel, schiessen von ihren schattigen Rastorten in Busch und Baum heraus in den Sonnenglanz, erhaschen eine erspähte Beute und verschwinden wieder. Die sonderbaren grauen Mausvögel schwirren in kleinen, dicht gedrängten Schwärmen von einem Hag zum anderen, wo sie im Nu durch das wirrste Gezweig huschen. Am Rande eines Gestrüppes balzt noch oder schon ein Frankolinhahn, einen so überlauten Lärm vollführend, als ob ein Dutzend Truthähne zugleich kollerten. Lässig schwebt auf breiten Schwingen der angolensische Geieradler über die Campinen hin nach seinem Schlafplatz. ’ . . Wenn das Tagesgestirn zur Rüste geht, breitet es sich wie ein feiner Schleier über die Savane aus; es ist nicht Dunst, nicht Nebel, sondern ein unbeschreibliches Etwas, als würde die Luft dichter, ein wenig undurchsichtiger. Und wie die Sonne untersinkt, wird dieser duftige Schleier zur wundervollen Farbe. Am Westhimmel fluthen mächtige Lichtwellen herauf, purpur- und zjnnoberroth, am Horizont warm bräunlich abgetönt; sie fluthen auch über die Landschaft hin und lassen sie in einer so unwahren Beleuchtung erstrahlen, als würde sie durch ein buntes Glas betrachtet. Jede Sonderfarbe schwindet für Minuten. Alles ist mit herrlichem Roth übergossen: Gräser, Büsche, Gehölze, das ganze Firmament mit Ausnahme einer elliptischen Stelle zwischen Zenith und Ostpunkt. Die dunkeln Körper der von der Quelle zurückkehrenden Frauen und Mädchen schimmern wie edle Bronze. Das rothe Licht wirkt so übermächtig in der Landschaft, dass es nicht wie ein Abglanz, sondern wie eine körperlich gewordene Farbe erscheint. Es verschwindet jedoch überraschend schnell, indem es sich auf einen immer enger werdenden Halbkreis am Westhimmel zusammenzieht, während im Osten der Erdschatten rosig grau heraufsteigt. Der Mond ist aufgegangen und giesst sein mildes, dennoch so wunderbar starkes Licht über die Savane aus. Bis in weite Feme sind die Palmen, die Büsche, und in den lockeren Gehölzen die hell- rindigen Stämme zu erkennen. Das ist eine Mondscheinnacht in den Tropen mit all ihrem zauberischen Reize. Unten im tief eingeschnittenen Thälchen, wqjfias Quellwasser sich in einigen Tümpeln sammelt, glitzert es hier und da geheimnissvoll zwischen dem Laubwerk. Zarte Nebelschleier heben sich vom Grunde, fliessen in einander und füllen endlich weithin gleichmässig die Senke, die nun einem matt schimmernden See gleicht, aus dem die Wipfel der höchsten Bäume wie Inseln hervorragen. Die Savane ist todtenstill. Kein Lüftchen regt sich, kein Laut kommt aus Gras und Hain. Aber ringsum in den Dörfern herrscht reges Leben, freuen sich die Bewohner des geliebten Mondenscheines. Dä: dröhnen und rasseln die Trommeln, da ertönt Tanzgesang un- unterbrochen bis zum Morgengrauen. In Vollmondnächten tanzt halb Afrika. — Nach einem klaren gluthheissen Tage ist am späten Abend unter zahllosen elektrischen Entladungen und unaufhörlich schmetternden Donnersehlägen ein schweres Gewitter über das Land gestürmt und hat sich seewärts verzogen. Nun liegt die feierliche Ruhe der Tropennacht über Land und Meer. Im stillen Wasser der Loängobai spiegeln sich die glänzenden Gestirne des Südens. Ueber den langgedehnten Sandbänken der weit geschwungenen Bucht hängen leichte


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