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252 Geieradler. Erstaunen Ende März 1876 über dem breiten Gewässer der Bänya- lagune schweben. Die Eingeborenen erstaunten nicht minder als ich über den ihnen unbekannten Segler der Lüfte. Ich habe die Flugkünste des in Gestalt wie Benehmen gleich charakteristischen Vogels zu oft in anderen Erdgegenden über dem weiten Meere bewundert, als dass ich eine Täuschung annehmen könnte. Grosse Flüge sehr stattlicher Vögel, die in ihrem Aeusseren und Gebaren Kranichen glichen, bemerkte ich drei Mal zu ganz verschiedenen Jahreszeiten auf Sandbänken des Kuilu und Congo stolzirend. Die vornehmen, grösstentheils volle buschige Schwanzfedern wie Strausse tragenden Thiere waren auf Rücken, Hals und Flügeln zart perlgrau, an der Unterseite hell gelblichroth gefärbt. Ihre Wachsamkeit vereitelte jeden Versuch der Annäherung auf Büchsenschussweite. Beim Aufsteigen geberdeten sie sich genau wie Kraniche, ordneten sich gleich diesen zum Zuge und gaben heisere Trompetentöne von sich. — Wer die Küste des tropischen Westafricä betritt, dem muss zuerst der häufige Geieradler (Gypohierax angolensis) — mbömba pl. simbömba — auffallen. Immer hält er sich in der Nähe des Wassers, vorzugsweise am Meere und in den Mündungsgebieten der Flüsse und folgt nur grösseren Gewässern etwa zehn bis fünfzehn Meilen landeinwärts. Der junge Vogel ist einfach schmutzig dunkelbraun gefärbt; allmählich mischen sich seinem Kleide mehr weisse Federn bei, und wahrscheinlich nimmt es mehrere Jahre in Anspruch, bis er vollständig ausgefärbt hat. Dann ist sein Gefieder rein weiss, mit Ausnahme der schwarzen, doch ebenfalls noch mit einer weissen Binde geschmückten Schwingen (Abbildung II 132). Daher erblickt man allezeit Geieradler in verschiedener Tracht. Unter alten Vögeln habe ich dann und wann ein Exemplar getroffen, dessen Unterseite und Schultern mehr oder weniger röthlich angehaucht waren. In träger Ruhe hockt der gedrungene, mehr als Geier denn als Adler erscheinende Vogel auf dem Astwerk der am Ufer stehenden Bäume, oder zieht in der Luft, obwol selten und nicht in bedeutender Höhe, seine* Kreise und streicht dann wieder langsamen Fluges über den Wasserspiegel hin. Krabben, Muscheln, mit der Flut treibende Fische und sonstige leicht zu erlangende Fleischnahrung nimmt er im Verüberziehen auf. Niemals sahen wir ihn jäh auf eine Beute herabstossen, noch ein Thier verfolgen. Auch habe ich nicht beobachtet, dass irgend ein Vogel oder Vierfüssler vor ihm Furcht ge zeigt hätte. Er eignet sich an, was bequem zu erlangen ist, und nährt sich mit Vorliebe auch von den Früchten der Oelpalme — deren Fett ja .überhaupt ausserordentlich vielen und verschiedenen Thieren ein Bedürfniss ist. Er ist durchaus nicht scheu und verlässt selten seinen Platz, wenn man mit dem Canoe in der Nähe vorübergleitet. Es ist uns sogar mehrmals auf der Jagd geschehen, dass nach -dem Schüsse ein nahebei sitzender Geieradler ganz unbefangen heranflog und den getroffenen in das Wasser gefallenen Vogel vor unseren Augen trotz allen Schreiens und drohender Geberden entführte. Ein alter Vogel erschien wochenlang pünktlich jeden Morgen unfern unseres Gehöftes, wenn wir die regelmässig vorüberziehenden grünen Tauben (Treron calva) für unser Mittagsessen schossen (II 48), bäumte auf einer Adansonia auf und wartete geduldig, bis wir heimgegangen waren, um dann Nachlese zu halten. Wir können die Geieradler nur harmlos und nützlich nennen; die Eingeborenen wissen ebenfalls Nichts zu ihrem Nachtheile zu sagen. Daher lässt sie Jedermann gewähren. Jung eingefangen werden sie ausserordentlich zahm, lassen sich geduldig streicheln, kennen ihren Pfleger und begrüssen ihn durch Heben der Flügel; immer aber bleiben sie stumpf und träge und besitzen weder im Freileben noch in der Gefangenschaft etwas sonderlich Anziehendes. Dazu kommt, dass sie in der Regel nicht sauber und schmuck aussehen, obwol sie auf das Putzen und Ordnen ihres Gefieders ziemlich viel Zeit verwenden. Einen Laut vernimmt man sehr selten von ihnen und nur von alten Vögeln; wenn man sie dabei nicht beobachtete, würde man gar nicht für möglich halten, dass das seltsame Geräusch wirklich von ihnen herrühre. Es gleicht einem dumpfen, aus tiefster Brust kommenden Rülpsen, dem ein langgezogenes Quarren folgt, ungefähr so, als wolle sich Jemand übergeben und seufze über den misslungenen Versuch. Mehrere sehr grosse,- wahrscheinlich jedoch jahrelang benutzte Horste ■waren in unerreichbarer Höhe auf Gabelzweigen von Mangroven angelegt. Eine Anzahl eben flügge gewordener Jungen, die dem Menschen gegenüber gar keine Scheu verriethen und leicht hätten gegriffen werden können, trieben sich Ende März am Bänya und im Mai am Tschiloängo umher. Weit vornehmer als dieser Seeadler ist der Schreiadler (Haliaetos vocifer) — tschiyöko pl. biyöko: der Lärmmacher. Er ist etwa von derselben Grösse, doch schlanker gebaut und hält sich auch stolzer und schmucker. In der Färbung der Rückenseite gleicht er jenem manchmal ausserordentlich und kann, ruhig auf einem Aste sitzend, leicht mit ihm verwechselt werden; die Vorderseite ist indessen weit reicher gezeichnet: K o p f und Hals bleiben rein weiss, aber Schultern


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