Page 99

27f 32-1

mehrfache Wiederholungen erfordernde Operation, da vor je drei Leute ein Panno gehalten und dann abgeschnitten werden musste; ehe die Richtigkeit der Zahlung anerkannt wurde. Bei dieser Art von Zeitverwendung blieb mir Nichts als die späten Abendstunden für die Beschäftigung mit den Dingen, derentwegen ich überhaupt hinausgesandt war, und dann erschien mir der Besitz eines Tisches, eines Feldstuhls und einer Laterne mit Stearinkerze als höchster Comfort für Leib und Seele. Der Vormittag des folgenden Tages vergieng mit neuem Warten auf die sechs noch immer nicht mit dem Maniok zurückgekehrten Bayombe. Ich liess die letzte der geschenkten Ziegen unter die Leute vertheilen, aber unglaublich! auch diese Handlung trug mir ein Palaver ein. Denn nun kam ein Theil meiner Träger, um mir mitzutheilen, dass ihr Fetisch ihnen den Genuss von Ziegenfleisch untersage, und dass sie sich in Folge dessen drei Hühner ausbäten. Der Fall von Speise-, insbesondere Fleisch verboten, ist nichts Seltenes bei den Bafiote; es liegt denselben ein bestimmtes Gelübde zu Grunde, das streng innegehalten wird. Ich war indessen nicht in der Lage, Hühner herzugeben, und musste froh sein, dass Lindner bald darauf einen Affen mittlerer Grösse erlegte, dessen Fleisch den Abgewiesenen zugetheilt wurde. Ein Affe gilt für einen grossen Leckerbissen bei den Eingeborenen. Wir liessen die Leber für uns zubereiten, ich konnte aber den Widerwillen gegen die delicate Speise nur mittelst einer starken Dosis von Capsicumpfeffer überwinden. Von Stunde zu Stunde wurden die fehlenden Leute erwartet, Mittag war längst vorüber, und sie kamen noch immer nicht. Während dessen lungerten der Man- kaka mit seinen Spiessgesellen vor der Sombra, mich durch ihre Neugier, ihr Geschwätz, am meisten aber durch ihr impertinentes Aussehen, belästigend. Als der Betrag des gestern stipulirten Geschenks ausgezahlt wurde, erhoben sie neue Forderungen nach Branntwein und allen möglichen anderen Dingen. Aber das Mass meiner Geduld war erschöpft; ich schlug Alles rundweg ab und war auch zu der unklugen Handlung bereit, die Waffe zu gebrauchen. Da kamen endlich die ersehnten Maniokleute. Ohne ihre Entschuldigungen erst lange anzuhören, liess ich ohne Verzug aufpacken, nur um aus der Räuberhöhle fortzukommen. Zum Hohn bot mir der Mankaka beim Abschied noch eine Ziege für den sechsfachen Preis ihres Werthes zum Kauf an. Es war uns wenigstens noch die letzte Tagesstunde für den Marsch gelassen. Ich lebte wieder auf und freute mich auf das Bivouak im Walde, wo ich wenigstens allein mit meinen Leuten sein würde. Das Lager war in einer halben Stunde aufgeschlagen.- So viel Zeit erforderte das ordnungsmässige Zusammenstellen des Gepäcks und das Ausspannen der Lederdecken, die als Schutzdach das Zelt vertraten. Ein ununterbrochenes Zanken der Bayömbe- Träger, die sich in ihrer Frechheit wenig um das im Negerportugie- sisch übermittelte „Silentium“ kümmerten, raubte meinem braven Gefährten wie mir den Schlaf. Am frühen Morgen (n. Juli) zogen wir weiter. Nachdem der Weg einige Stunden in der bekannten Weise bergauf, bergab durch Wald geführt hatte, kamen wir in freies Terrain, und der Blick war nicht länger durch die scheinbar unendliche Ausdehnung des Waldes gebannt. Während die Karawane lagerte und Lindner seinem Jagdeifer nachgieng, erstieg ich den nächsten kahlen Berg. Die Aussicht, wenn auch nicht sehr umfassend, war doch von grösser Schönheit. Wir hatten uns dem Kuilufluss bereits wieder so weit genähert, dass das Thal ein gutes Stück Wegs mit dem Auge verfolgt werden konnte. Auf der ändern Seite lag das Dorf Tschitabe, der Zielpunct unserer heutigen Wanderung. Fast auf allen Seiten umgab uns Waldgebirge, die Hauptzüge von Südost nach Nordwest streichend; nur nach der Richtung zum Kuilu waren die Hänge mit Gräsern und strauchartigen Bäumen bestanden. Die ganze Landschaft hatte, wie überhaupt die Grenze zwischen Mayombe und Yangela, etwas sehr Anmuthendes. Ein Abstieg, der bald so steil wurde, dass die Koffer auf den Köpfen der Schwarzen in ernstliche Gefahr ge- riethen, führte über grobkiesiges Geröll zum Flusse hinab und von Neuem lagerte die Karawane an den Felsen des Ufers. Der Wasserstand war ausserordentlich niedrig, ich schätzte die Breite auf wenig mehr als achtzig Schritt; die steil, zuweilen senkrecht aufgerichteten, schwarzen Schieferplatten ragten hoch über dem Wasserspiegel auf, und ohne die rauschende Strömung hätte der Fluss nichts Imponi- ■ rendes gehabt. Der Contrast zu dem Anblick, den der Kuilu acht Monate früher an der weiter aufwärts gelegenen Uebergangsstelle von Nguela geboten hatte, war überraschend: Die Marke des Hochwassers liess sich deutlich an den Felsen erkennen-und lag sechs Meter über dem jetzigen Niveau. Eine Viertelstunde oberhalb war eine grosse Felseninsel mitten im Strome freigelegt. Die Eingeborenen gaben, wie gewöhnlich, an, dass dieselbe der Sitz eines Fetischs — des Fülle babongo — sei, und dass Canoes dort nicht passiren könnten. Oberhalb dieser Fullebabongo-Klippen liegen muthmass- lich noch andere, welche der Durchbruch der hohen Nunsikette bedingt hat; unterhalb wurden mir die Stromschnellen von Mussunda


27f 32-1
To see the actual publication please follow the link above