158 Erpressung. Formation der Colonne. Vorbereitungen für abgeschlossen betrachten konnte, und benutzte eben die Zeit, um mit der sich neigenden Sonne magnetische Declina- tionsbestimmung*en an einem Prismen-Compass vorzunehmen, als neue Störungen eintraten. Die Loango-Träg*er näherten sich in corpore und erklärten, dass wenn ich nicht einem Jeden von ihnen noch heute ein Stück Zeug zum Kleide schenkte, sie morgen nicht auf brechen würden. Als ich diesen Erpressungsversuch, der sich seiner völligen Unmotivirtheit wegen ja täglich wiederholen konnte, durch eine geharnischte Rede ohne Weiteres zurückwies, setzte sich die ganze Gesellschaft murrend in meiner Nähe nieder, während ich selbst mit erheuchelter Ruhe zu beobachten fortfuhr. Darnach verschwand etwa die Hälfte und begab sich in die benachbarte Hütte des oft erwähnten Lingster Makossu, der seit einiger Zeit hier für einen anderen Weissen Handelsgeschäfte trieb. Möglicher Weise war der ganze Streich von diesem verschlagenen Neger ausgegangen und weiter Nichts als ein Racheact an meinem Gastfreunde, seinem früheren Brodherrn dem Shr. Reis. Die Flüchtlinge hatten nicht das Geringste bei ihrer Flucht zu riskiren; sie machten immer noch ein gutes Geschäft damit, dass sie über eine Woche täglich ein Pfund getrocknete Fische, fünfviertel Pfund Maniokmehl und ein Glas Rum erhalten hatten. Aber wie stand die Sache für mich, der ich wochenlang mich abgemüht hatte und nun endlich hoffte, einige Früchte zu ernten? Ich war, wie so oft, zwischen zwei Uebel gestellt: die Expedition fallen zu lassen oder nachzugeben.- Natürlich wählte ich das kleinere Uebel und setzte mich der Erniedrigung aus, nachzugeben. Denn wie hätten sich die wortbrüchigen Träger durch andere ersetzen lassen? und wenn wirklich, wer bürgte dafür, dass diese mir nicht denselben Streich spielten? Dazu drängte die Zeit; von der trockenen Jahreszeit blieben nur noch wenige Monate, und jeder Tag war kostbar. Ich liess also die Leute zurückrufen und richtete, um wenigstens die äussere Würde zu bewahren, eine neue Ansprache an sie, worin ich meine Herzensgüte und mein Wolwollen für die Neger pries. Darnach erhielt jeder Mann das geforderte Kleid, und nun versprachen Alle, sie würden am folgenden Tage auf brechen und nie mehr etwas fordern. Vorläufig also war der Waffenstillstand wieder erkauft. So wurde der sechste Juli wirklich der Tag des Aufbruchs. Die Bayombe-Träger waren vollzählig erschienen. Ich hiess alle Lasten in einer Linie neben einander setzen, überliess es zuerst den Leuten, sich beliebig davorzustellen und bestimmte dann die Stärksten für die schwersten, von Allen gemiedenen Collis. Dann wurde Last und Abmarach. Unterbrechung durch Dörfer. 159 Träger paarweise notirt, alle Reclamationen principiell überhört, Lindner mit einem schwarzen Aufseher nahm die Spitze, und in langer Reihe defilirte der sechszig Mann starke Zug vor mir vorbei in den Wald hinein. Ich bildete mit einigen Auserwählten den Nachtrab; in meiner unmittelbaren Nähe marschirten der Dolmetscher Mani Buatu, der Barometerträger Gulimbuite (er hatte mich schon auf der ersten Reise begleitet), der Sextantenträger Tschikaya und der Träger des Instrumentenkoffers Kastanu. Dieser Instrumentenkoffer war mein besonderer Stolz. Ich hatte ihn in Liverpool aus dem besten Material anfertigen lassen und er enthielt auf kleinem Raum Alles, was für Präcisions-Beobachtungen nöthig ist', auf der einen Seite einen fünfzölligen Prismenkreis, einen Kasten mit künstlichem Horizont und Dach, eine Beobachtungslaterne mit verschraubbarer Oellampe, zwei Fläschchen Oel in Blechkasten; auf der ändern Seite ein Aneroid mit Psychrometer, eine lederne Rundbüchse mit einem Casellaschen Kochpunct* Thermometer, einem Quellen- und mehreren Schwingthermometern; eine wolgeschlossene Kapsel mit Quecksilber-Holzbüchse, einen Prismen-Compass, eine Camera lucida, zwei Sternkarten, Bremikers nautisches Jahrbuch, fünfstellige Logarithmen, Peters und Jelineks Tafeln, das Anschreibebuch für die Beobachtungen, ein Rechenheft, Tinte und Federn. Die Gegend, durch die sich der Zug hinbewegte, ist früher sattsam geschildert, und was ich von Neuem darüber in meinem Notizbuche niederschrieb, stimmte fast wörtlich mit den vor Monaten gemachten Bemerkungen und bestätigte deren Richtigkeit. Alle Wege in Mayombe gleichen sich: W^ald, endloser Wald, bedrückende Luft über dem Boden, trockenes Laub auf dem Boden, wenig Unterholz, grossblätterige Schattengewächse, tennenharte Lehmpfade von Wurzeln durchsetzt, von Stämmen überlagert, auf und ab und quer und krumm, — so war es von jeher und so wird es bleiben. Abweichend von der Praxis der ersten Reise, hielten wir zunächst die rechte Kuiluseite. Mir standen Mani Mbandschi und Tschikossu auf der ändern Seite noch in zu lebhafter Erinnerung, als dass die Erneuerung ihrer Bekanntschaft mich gereizt hätte. Es war besser durch den Theil Mayombes zu ziehen, wo der scheinbar gutmüthige Nganga Mvumbi von Einfluss war. Wir marschirten sehr langsam, und da wir zwei Dörfer passirten, so gab es zweifachen Aufenthalt. Denn wie der durstige Student der guten alten Zeit an keinem Wirths- hausschild glaubte vorübergehen zu dürfen, so auch die Schwarzen bei keinem Dorfe, und mein steter Verdruss bestand im Auftreiben der vorzeitig rastenden Gesellschaft. Ich musste den sonst so tüch
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