Page 93

27f 32-1

aber auf dem Felde der Action in dem Verhältniss genügsamer, als man von Krankheit belästigt wird, und beschränkt sich auf wenige Hauptmittel: Chinin, Aloe-Pillen, Opium, ein Lancet-Messer, Charpie, Heftpflaster und Leinwand bildeten schliesslich meine Apotheke. Viel wichtiger als alle Medicin, ist meiner Meinung nach ein Lager, das etwas über dem Erdboden steht, und auf dem der Reisende neue Kräfte schöpfen kann. In dieser Beziehung ist es besser, zu viel als zu wenig zu thun. Namentlich empfiehlt es sich, für ein gutes Mosquitonetz zu sorgen, zu welchem das den Negern verkaufte Baumwollenzeug das beste Material liefert. Ich hatte zwei für die Reise geeignete Netze verfertigen lassen, eine Art Baldachin, dessen obere vier Ecken an einen Baum, oder wo dieser fehlt, an Stangen befestigt werden. Eine solche Mosquitaire gewährt auch im Lager die Möglichkeit, dass man sich bei Tage den neugierigen Blicken der Neger zeitweise éntziehen kann, während man selbst noch sieht, was draussen vorgeht. Für die Auswahl der Tausch-Artikel mussten die Bedürfnisse der Neger massgebend sein, so weit man überhaupt davon wusste. Es wurde principien kein Rum mitgenommen, weil sonst die Bettelei nach diesem begehrten Getränk kein Ende erreicht haben würde. Statt dessen Salz, das namentlich beim weiteren Vordringen gute Dienste versprach und in den Gegenden, wo es fehlte, den mit Gold beladenen Esel ersetzen konnte. Scheinbar am rationellsten wäre es gewesen, nur solche Dinge mitzunehmen, die bei kleinstem Gewicht den grössten Werth repräsentiren; das hätte aber schon deshalb in’s Absurde geführt, weil es dann völlig an Aequivalenten für kleine Einkäufe gefehlt hätte. Es mussten also auch Waaren vorhanden sein, die kleine Werthe repräsentirten, und dahin gehörten Tischmesser, Glas- und Porzellanperlen, papierbeklebte Spiegel, Kupferstangen. Am werthvollsten in der Gewichtseinheit sind die Baumwollenzeuge, wenn auch kein anderer Artikel in seinen verschiedenen Qualitäten so grosse Gewichtsunterschiede zeigt. Zum Theil mag dies von der Verschiedenheit der hygroskopischen Capacität, zum Theil von der Appretur abhängen. Das „Stück Zeug“, den sogenannten Cortado, den wir mit. drei bis vier Mark bezahlten, als Werth- Einheit angenommen, drücken sich die Werthverhältnisse der einzelnen Lasten etwa so aus: i Trägerlast Z e u g ...................................= 80 Cortados Werth, 1 Trägerlast Perlen . . . . . . . . = 50 „ „ 1 Trägerlast Kupfer- resp. Messingstangen = 40 „ „ 1 Trägerlast Faschinenmesser...nach einheimischem M o d e l l ... . == 25 „ „ Die Verpackung geschah auf verschiedene Weise. Als allgemeine Regel muss festgehalten werden, dass man bei Annahme der einheimischen Art der Verpackung grössere Lasten fortschaffen kann, als wenn man europäische Koffer anwendet. Indessen kann man des grösseren Schutzes wegen, den letztere gewähren, nicht ganz davon absehen. Ich hatte aus Europa eine Anzahl Blechkoffer (53 cm lang, 35,5 cm breit, 33 cm hoch) nachkommen lassen, welche mit Vorhängeschlössern zu verschliessen waren und die Waaren gegen Feuchtigkeit schützten. Die Praxis ergab, dass sie zu kurz und zu hoch waren, und dass die eisernen Charniere rosteten und zuweilen abbrachen, also durch Messing-Charniere hätten ersetzt werden müssen. Man sollte bei Ausrüstungen für Reisen in feuchte und heisse Länder überhaupt Alles, was nicht durchaus von Eisen sein muss, aus Messing anfertigen lassen. Ich benutzte dreiundzwanzig Blechkoffer und einige flache Kisten aus Holz. Einen grossen Theil des Zeuges liess ich in Säcke einnähen, ebenso das Salz, was erlaubt war, weil Regen vorläufig nicht zu erwarten stand. Alles Uebrige (wie auch die Säcke) wurde in den schon erwähnten langen Tragkörben (Muteta) verpackt, welche meine Leute in wenigen Stunden aus grünen Wedeln der Oelpalme zusammenflochten. Noch an demselben Tage, wo der Dolmetscher angelangt war (zweiter Juli), schickte ich diesen mit allen Leuten und dem Gepäck Kuilu aufwärts zur Factorei Mayombe, ‘wohin ich gleichzeitig den Nganga Mvumbi von Tschilima entbieten liess. Ich selbst folgte am ändern Tage mit Lindner nach. Die lange Flussfahrt war eine grosse Erholung nach all den erlebten "Wirren. Der Anblick der waldreichen Flusslandschaft bei der Factorei Mayombe entzückte mich von Neuem, aber der frühe Morgen des" vierten Juli war kaum vorüber, so begannen auch die lang hingezogenen Unterhandlungen mit dem Nganga Mvumbi wegen Stellung der noch fehlenden dreiundzwanzig Träger. Die Hauptschwierigkeit .bestand darin, dass die Bayombe fünf Stück Zeug monatlichen Lohns verlangten, was schon deshalb nicht gewährt werden konnte, weil die Bavili deren nur vier erhielten. Aber sie steiften sich mit grösser Hartnäckigkeit auf das Argument, dass ich auf der Yangela-Reise des verflossenen Jahres fünf Stücke Zeug gezahlt hätte und nun doch. nicht weniger geben könnte. Endlich einigten wir uns auf den von mir gebotenen Preis. Die Bayombe kehrten noch einmal in ihre Dörfer zurück und versprachen in der Frühe des sechsten Juli zu erscheinen, wo dann der Aufbruch der Expedition erfolgen sollte. Am Abend des fünften Juli war ich endlich so weit, dass ich die


27f 32-1
To see the actual publication please follow the link above