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bereitungen; denn so bereitwillig meine Gefährten mich unterstützten, so konnten sie mir doch nicht Alles abnehmen. Auch andere schädliche Einflüsse des Klimas machten sich mehr und mehr geltend, hauptsächlich hervorgerufen durch die excessive Thätigkeit der Haut. Sie äusserten sich in Entzündungen und Abscessen, die, schmerzhaft an sich, in solcher Zahl auftraten, dass ich mich beschränke, das Leiden nur anzudeuten. Das Unglück wollte, dass zu diesen einheimischen Plagen noch eine bis dahin in Africa unbekannte trat, nämlich die der Sandflöhe. Ein aus Brasilien angelangtes Schiff hatte sie nicht lange vor meiner Ankunft von den americanischen zu den africani- schen Gestaden hinübergetragen. In Ambriz oder in der Nähe dieses Stapelplatzes war das erste Auftreten der Thiere bemerkt, aber anfänglich wenig beachtet worden. Sie verbreiteten sich schnell nordwärts, traten sehr bösartig in Banana auf, gelangten nach Tschi- ntschotscho, zum Kuilu, bis zum Gabun und wurden von der Küste aus in’s Innere verschleppt. Die Sandflöhe (Pulex penetrans) sind kaum sichtbare Thiere, die sich in das Fleisch des Menschen, namentlich unter die Nägel der Zehen einbohren, dort ihre Eier legen und dann eine schmerzhafte Entzündung hervorrufen. Die Entzündung pflegt sich durch ein Jucken anzukündigen, das man anfänglich, d. h. vor einer genügenden Bekanntschaft mit dem gefährlichen Insect, gar nicht zu erklären weiss. Gelingt es, das Thier mit dem unverletzten Eiersack aus dem Fusse herauszuziehen, so erscheint es als kleiner dunkler Punct in einer weisslichen Perle, und die eigentliche Gefahr ist alsdann beseitigt. Oft wird aber die zarte Membran des Eiersacks durchstossen, und die Wunde bildet eine Brutstätte für neue Individuen. Es treten Eiterungen und grosse Schmerzen ein, und häufig wird es unmöglich, Schuhzeug anzuziehen. Radicale Mittel dagegen standen mir nicht zu Gebote. So lange es zu beschaffen war, tränkte ich die Schuh mit Petroleum, oder betupfte die kranken Stellen mit Peruvianischem Balsam; unsere zahlreichen Neger aber in der Station wurden angehalten, die Füsse in heissem Wasser, worin Asche aufgelöst war, regelmässig zu baden. Von den angeführten drei Leiden war das der Abscesse das widerwärtigste, das der Fieber das geistig deprimirendste, das der Sandflöhe das gefährlichste. An Sandflöhen litt ich meist, an Fieber häufig, an Abscessen immer. Zu dieser dreifachen Heimsuchung gesellte sich im Verlauf der Reise der Uebermuth und schliessliche Verrath der Träger, die Habgier und der passive Widerstand der Häuptlinge, und in demselben Masse wie das Zusammenwirken so vieler Factoren meine Erfolge lähmte, richtete sich das Bild der in ihren Erwartungen getäuschten Heimat drohend vor mir auf. | Während auf der Station Tschintschotscho das Gepäck der Expedition hergerichtet wurde, sollte diese selbst erst auf der drei Tagereisen davon entfernten Factorei des Herrn Reis am Kuilu organisirt werden. Um grosse Kosten und noch grössere Zeitverluste zu ersparen, richtete ich es so ein, dass Lindner alle Sachen auf einem seetüchtigen kleinen Fahrzeug nach der Bai von Loango überführte; ich selbst wollte gleichzeitig mit den Instrumenten und ändern unersetzlichen Gegenständen zu Lande eben dorthin gehen. Ich hatte den zwanzigsten Juni für meine Abreise bestimmt, da aber einige durchreisende Händler alle guten Tipoja-Träger in Anspruch genommen hatten, und ich mit einer Art abergläubischen Eigensinns an meinem Termin festhielt, so war die nothwendige Zahl der Träger erst Abends um zehn Uhr zur Stelle. Kurz vorher musste ich noch die Entdeckung machen, dass von den wenigen Negern, die ich bereits in Tschintschotscho für die Reise in’s Innere engagirt hatte, der beste, eben neu eingekleidete, bereits entflohen war. So zog ich denn zu später Stunde aus. Der Strand war schlecht, die Nacht wolkenlos und kalt, die Atmosphäre mit den Dünsten der Nebelzeit gesättigt. Fröstelnd von Kälte und Fieber, das Barometer im Arme, lag ich in der Hängematte, es den Trägern überlassend, ob sie mich langsam oder schnell dem nächsten Ziele zuführen wollten. Sie wählten das erstere, und wir langten gegen ein Uhr Nachts in der Factorei Massabe an. Hier war Alles im tiefsten Schlaf, und ich verbrachte den Rest der Nacht unter Anfällen von Schüttelfrost vor der Thür des Hauses. Am folgenden Morgen setzte ich über den Luemmefluss, obwol mein Zustand sich verschlimmert hatte; alle Anzeichen eines biliösen Fiebers waren vorhanden. Auf dem schattenlosen Wege längs des Meeres kam es wirklich zum Ausbruch. Angesichts der Factorei Winga waren die Kräfte zu Ende, ich warf mich mitten auf dem Strande in der Sonne nieder, verhüllte den Kopf und blieb liegen. Später schleppte ich mich hinauf zur Factorei, die ich im halb bewusstlosen Zustand erreichte. Erst am folgenden Tage konnte die Reise fortgesetzt werden. Immerhin war der Schwächezustand noch so gross, dass selbst das Rauschen des Meeres unerträglich schien, und ich mich freute, als wir durch das Land hindurchschnitten, wo kein Laut die Stille unterbrach. Nach kurzem Aufenthalt in Pontanegra liess ich mich nach Loango tragen, das ich Abends um sechs Uhr erreichte. Lindner, obwol er Tschintschotscho später als ich verlassen hatte, war bereits vier Stunden vorher mit dem Boote eingetroffen und kam mir mit betrübter Miene


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