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gut und zuverlässig in Bezug auf den Herrn, dem er seit Jahren dient, den er kennt, der ihm Respect einflösst. Aber selbst diesem gegenüber ist er nur so lange willig, als die zugemuthete Arbeit mit seinen hergebrachten Anschauungen nicht im Widerspruch steht. Die Sclaven, die aus dem Innern kommen, pflegen immer im jugendlichen Alter gebracht zu werden, oft sind sie gar an der Küste selbst geboren, jedenfalls theilen sie ganz die Vorstellungen der Küste bezüglich des Schicksals, das den Eindringling im Innern erwartet; da sie ausser- dem mit den localen Verhältnissen vertraut sind, so würden sie bereits am ersten Marschtage entfliehen und sich mit Freuden freiwillig in die Sclaverei irgend eines angesehenen Schwarzen des Litorals begeben. Also auch auf dieses Auskunftsmittel muss man verzichten. Lieferte nun die Loangoküste keine Träger, und konnte man ohne solche Nichts machen, so musste man sie natürlich anderswoher nehmen. Damit war eine neue Reihe von Versuchen eingeleitet; aber keiner trug die Garantieen des Erfolges in sich, ein jeder belastete meine Verantwortlichkeit. Die Heimat war fern, der Verkehr mit ihr durch wiederholte Schiffsunfälle unterbrochen; Verhaltungs- massregeln abzuwarten, hätte einen Zeitaufschub zur Folge gehabt, der einem verlorenen Jahre gleichkam. Was hätten in diesem Falle, wo ich selbst mit mir über den besten Entschluss kämpfte, auch Instructionen Anderer mehr nützen können, als die Schuld eines Misslingens von mir auf fremde Schultern abzuwälzen? Ich that also, was mir das Beste schien, und reiste zu Schiff nach Angola und Benguella, um mir daselbst zu verschaffen, was die Loangoküste so hartnäckig verweigerte. Für die Wahl gerade dieser Länder sprach ihre nicht zu weite Entfernung und die übereinstimmenden Aussagen zweier Portugiesen, die beide seit zwanzig Jahrert in Affica lebten und einen grossen Theil ihrer Zeit in jenen Gegenden zugebracht hatten. Ich bezweifle auch heut noch nicht die Aufrichtigkeit ihrer Aussagen, obwol der Versuch den Erwartungen nicht entsprach. Ich erfuhr von ihnen, dass die Möglichkeit, durch Vermittlung von Plantagenbesitzern starke und an Strapazen gewöhnte Leute zu erhalten, vorhanden sei. Mehr durfte ich überhaupt nicht verlangen; es übertraf sogar meine Erwartungen, und im März 1874 reiste ich hoffnungsvoll ab, um sie zu verwirklichen. Die Zwischenzeit zwischen der Kuilu-Reise und der nun bevorvorstehenden in die portugiesischen Colonieen, hatte ich zum grössten Theile auf der Station Tschintschotscho zugebracht. Hier war mittlerweile ein reges Leben erwacht, das im erfreulichsten Gegensätze zu den tristen, einsam verlebten Wochen des Aufbaus der Station stand. Bei meiner Abreise zum Kuilu hatte ich Herrn v. Hattorf daselbst zurückgelassen, der bestimmt war, mich auf die grosse Expedition zu begleiten; bereits im November 1873 war Dr. Falkenstein mit dem Büchsenmacher Lindner aus Europa eingetroffen, und im Januar 1874 langte der junge Botaniker Herr Soyaux an. Da einige der genannten Expeditionsmitglieder die Aufgabe übernommen hatten, das Eoango- Litoral naturhistorisch zu erforschen, so entwickelte sich bald eine reiche Sammelthätigkeit auf zoologischem, anthropologischem und botanischem Gebiet. Auch ich selbst konnte auf breiterer Grundlage arbeiten. Ein Theil der mit der „Nigretia“ zu Grunde gegangenen Instrumente war durch die eifrige Fürsorge des Vorstandes der auftraggebenden Gesellschaft, namentlich durch die Thätigkeit des Professor Neumayer so schnell ersetzt worden, dass Dr. Falkenstein dieselben bereits persönlich nach Africa mitnehmen konnte; dazu gehörten ein Universal-Instrument, mehrere Quecksilber-Barometer und eine vollständige Thermometer-Ausrüstung. Ich sah mich dadurch in den Stand gesetzt, eine meteorologische Beobachtungsstation in Tschintschotscho einzurichten. Dieselbe hat in ununterbrochener Folge zwei und ein halbes Jahr lang in der Weise fungirt, dass täglich dreimal zu bestimmten Stunden (1874 um 6\ 21, io\ die folgenden Jahre um 7h, 21, gh) Barometer und Thermometer abgelesen, und Windrichtung und Bewölkung beobachtet wurden. Ein aufgestellter Regenmesser, von Lindner construirt, diente zur Bestimmung der gefallenen Wassermenge. Es konnte nun zum ersten Male ein Bild der meteorologischen Vorgänge in diesem Theile der Welt entworfen werden. Mit der Beschaffung des übrigen Theiles der Ausrüstung, deren wir für die spätere Reise in’s Innere bedurften, war man mittlerweile in Berlin beschäftigt. Der Hauptmühewaltung unterzog sich Sanitätsrath Df. May Böhr mit einer seltenen Zähigkeit, Hingebung und Thatkraft. Seinen Selbstlosen und ohne Rücksicht auf fremde Gunst verfolgten Bestrebungen schuldet die Expedition uneingeschränkte Anerkennung, seinem Namen eine bleibende dankbare Erinnerung. Von dieser zweiten Ausrüstung gieng wiederum ein Theil auf der „Liberia“ zu Grunde, einem englischen Dampfer, der im Frühjahr 1874 mit Mann und Maus auf der Fahrt nach Africa versank. Alles Uebrige gelangte Ausgangs der Regenzeit 1873/74 in unsere Hände. Die häuslichen und innern Sorgen um das Leben auf der Station fielen Herrn Dr. Falkenstein zu, der gleich von Anfang an mit vieler Umsicht zu Werke gieng, und der sich um das Wolergehen sämmt- licher Mitglieder der Expedition sehr verdient gemacht hat. Die Oberleitung des Ganzen musste natürlich in meinen Händen


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