Bevölkerung" wäre ihrer körperlichen Beanlagung" und geistigen Befähigung" nach im hohen Grade geeignet gewesen, dem Europäer vortreffliche Begleiter zu liefern; dennoch musste ich aus folgenden Gründen auf sie verzichten: Der Mangel an Handelsstrassen hat zunächst zur Folge, dass eine eigene Trägerkaste in Loango nicht existirt. Das Tragen von Lasten bei rasch auf einander folgenden Märschen ist eine Kunst, die auch der Starke nur durch Uebung erlangen kann,\ indessen lässt sie sich erlernen und zwar um so eher, je mehr die Form der wegzuschaffenden Lasten der herrschenden Gewohnheit angepasst wird. Schlimmer ist der bereits erwähnte Umstand, dass man den zu miethenden Negern kein bestimmtes Reiseziel anzugeben im Stande ist. Ein bestimmtes, d. h. ein bekanntes Reiseziel wirkt wie ein anziehender Magnet; je näher man kommt, desto grösser wird die Anziehungskraft; das unbekannte Reiseziel gleicht dem abstossenden Pol, jeder weitere ihm zugerichtete Schritt macht den Neger widerspänstiger; denn seine Phantasie identificirt das Unbekannte mit Tod und Vernichtung. Nun liesse sich muthmassen, dass Aussicht auf hohen Gewinn die Furcht zu Boden schlagen könnte, doch bald erfährt der Reisende, in wie bedingter Weise dies der Fall ist. Gewiss hat sich die Begierde nach Erwerb und Besitz bei dem Loango-Neger sehr stark entwickelt, wird aber nur dann befriedigt, wenn dies ohne aussergewohnliche persönliche Anstrengung geschehen kann, nämlich durch Handel und durch Dienstleistung in europäischen Factoreien. AVo etwas Ausserge wohnliches verlangt wird, hat man mit Indolenz und passivem Widerstand zu kämpfen, die beide dadurch genährt werden, dass die leicht erfüllbaren Bedingungen des Lebensunterhaltes aus der Arbeit eine Ausnahme, aus dem Nichtsthun die Regel zu machen erlauben. Eine Arbeit, bei der das Leben, selbst nur die Behaglichkeit des Lebens eingesetzt wird, ist um keinen Preis feil. Nun verknüpft sich aber für den Eingeborenen Loangos mit der Idee der Entfernung von der Küste die Vorstellung nicht nur der Lebensgefahr, sondern des sicheren Todes; für ihn ist es selbstverständlich, dass alle unbekannten Stämme Menschenfresser sind, missgestaltete Ungeheuer, deren blosser Anblick auch dem Beherztesten Furcht einjagt. Ferner kommt hinzu, dass die Küstenneger unter dem nie nachlassenden Druck ihres Fetischglaubens jede unbegreifliche Handlung auf übernatürliche feindselige Ursachen zurückführen. Was aber kann dem Menschen, der während seines ganzen Lebens nur auf die Befriedigung seiner materiellen und sinnlichen Bedürfnisse bedacht war, unerklärlicher und deshalb beängstigender sein als ein Weisser, der für Nichts und wieder Nichts sich allen Fährlichkeiten einer Reise in’s Unbekannte aussetzt? Was will der fremde Mann? Will er geheime Zaubermittel in’s Land tragen, die Fetische gegen das Volk erzürnen? Will er ihm Blattern, Regenlosigkeit oder Ueberschwemmung bringen? Will er nachdringenden Europäern den Weg der Eroberung zeigen oder will er sich zu den fernen Menschenfressern begeben, um mit ihnen zurückzukehren, das Küstenland im Rücken zu überfallen und heimzusuchen? Das einzige Motiv für das Erscheinen des Weissen, das dem Neger fassbar bleibt, ist Gewinnsucht, d. h. Handel; und dennoch würde man in der Annahme irren, dass dem weissen Händler das Eindringen leichter sei als dem wissenschaftlichen Reisenden. Es tritt nur an die Stelle des einen Hindernisses ein anderes. Das Unerklärliche der Handlung verschwindet freilich, aber nicht das Unerwünschte, die einheimischen Interessen Schädigende. Den Handel ausserhalb der Küstenzone in dem zunächst daran anstossenden Gebiet betrachten die Loango-Neger als ihr Monopol; sie wollen, dass derselbe staffelweise der Küste zugeführt und durch ihre Hand dem weissen Händler übermittelt werde. Nach diesen Auseinandersetzungen darf es nicht mehr Wunder nehmen, dass die Loangoküste dem Reisenden keine Träger liefert. Trotzdem machte ich den Versuch, weil die Noth mich zwang, und das folgende Capitel wird zeigen, wie derselbe ausfiel. Es erscheint nun sehr verlockend, ein Auskunftsmittel zu wählen, das, indem es dem Reisenden Erfolg verspricht, gleichzeitig den Forderungen edler Menschlichkeit gerecht wird; ich meine, Sclaven durch Ankauf frei zu machen, und aus ihnen die Trägercolonne herzustellen. Die Sclaverei tritt in Loango in sehr milder Form auf. Von den Schrecken, die unser Humanitätsgefühl empören, wie Nachtigal sie auf seinem Bagirmizuge beobachtet und geschildert hat, findet sich keine Spur. Sowol die Eingeborenen wie die europäischen Händler besitzen Sclaven, die zum Theil einheimisch und durch Schulden in Sclaverei gerathen, zum Theil importirt, sämmtlich mit den Sitten und Gewohnheiten der Loangesen vertraut und verwachsen sind. Durch diesen vorhandenen Stamm werden neu hinzukommende Sclaven in die ihnen fremdartigen Verhältnisse leicht eingeführt. Es würde also Nichts einfacher erscheinen, als gute Sclaven an Ort und Stelle zu kaufen und ungesäumt mit ihnen aufzubrechen. Dem steht aber entgegen, dass die Brauchbarkeit der Sclaven kein absoluter, sondern ein relativer Begriff ist. Derselbe Sclave, der sich tadellos bei seinem Herrn benommen hat, kann, wenn er in andre Hände übergeht, ein Ausbund von Nichtsnutzigkeit und Schlechtigkeit werden; er ist nur
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