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gestrengt werden, andrerseits bei dem Wechsel von Ort zu Ort nicht mehr das Futter finden, welches ihnen zusagt. Der Vollständigkeit wegen muss mitgetheilt werden, dass in der Factorei Vista sechs impertirte Esel ihr Dasein fristen; man lässt sie unbehelligt umherlaufen, weil sie sich als Lastthiere untauglich oder doch unzureichend erwiesen haben. Bezüglich des zweiten Puñetes, des Terrains, ist zu bemerken, dass es beim Vordringen von der Loangoküste aus freilich ebenso wenig an Wegen mangelt wie in anderen Theilen Africas; aber die Pfade, die von unserm Gebiet aus in das Innere führen, gleichen mehr Linien als Bändern; sie sind so schmal, dass man nicht begreift, wie häufige Benutzung sie nicht verbreiterte. Im offenen Savanenlande würde dies verhältnissmässig wenig ausmachen, aber in dichten Wäldern, wo Bäume und Strauchwerk durch den Weg kaum eine Unterbrechung erleiden, würde das beladene Thier nicht hindurchkommen. Die Benutzung der Flussläufe würde in unserm Falle nur von geringem Nutzen sein. Ganz abgesehen davon, dass man stromaufwärts fahren müsste, und dass ein völlig unbekanntes Land nicht genügend durch Flussfahrten explorirt wird, setzen die Ströme, um die es sich hier handelt, dem weiteren Vordringen sehr bald Hindernisse durch Katarakten und Stromschnellen entgegen. Man würde der sicheren Gefahr entgegengehen, plötzlich der bis dahin verwendbaren Transportmittel beraubt zu werden, an einer Stelle, wo jede Möglichkeit, andere Hülfe zu beschaffen, ausgeschlossen ist. Es bleibt nur der Mensch und zwar der farbige, denn der weisse würde in kürzester Frist unterliegen. Diese Beschränkung schliesst grosse Vortheile und grosse Nachtheile in sich; von der Beschaffenheit der Leute hängt es ab, welche überwiegen. Dieselben Neger, die dem Forscher den Weg frei machen’ durch feindliche Stämme, können gegen ihn meutern, ihn schnöde verlassen. Das Lastthier muss täglich mit Aufwand von Zeit und Geschicklichkeit beladen werden; der Neger ordnet und lädt seine Last selbst auf. Er kann sich ihrer aber auch eben so schnell entledigen, sie liegen lassen und sich selbst aus dem Staube machen. Während das Thier von der Furcht des Unbekannten frei bleibt und nur vor einer unmittelbar drohenden Gefahr widerspänstig wird, genügt für den Neger das Bewusstsein, dass er dem Unbekannten entgegenzieht, um ihn feige, fahnenflüchtig, zur Meuterei geneigt zu machen. Dafür kann man wiederum mit Trägerkarawanen Terrainschwierigkeiten überwinden, an denen man mit Lastthieren scheitern müsste. Ein beladener Neger nimmt in der Breite ausserordentlich wenig Raum ein; denn man giebt den Lasten die Form langgestreckter Packete, und wo er ohne Last hindurchschlüpfen kann, kommt er auch mit derselben vorwärts. Ein Lastthier aber wird auf beiden Seiten beladen; das Thier, stets nur auf die eigene Breite Rücksicht nehmend, stösst bei engen Passagen an und streift die Ladung entweder ab oder bringt die Packung so in Unordnung, dass grosse und häufig wiederholte Aufenthalte entstehen. Ferner sind Thiere von der Nahrung weit abhängiger als der Mensch, gefährlichen Insectenstichen mehr ausgesetzt, veränderten Lebensbedingungen gegenüber weniger schmiegsam; sie verlangen Treiber, die mit ihnen umzugehen verstehen und die sich in der Regel so schwer ersetzen lassen, dass man mit dem Treiber auch die Thiere einbüsst. Die ganze Betrachtung führt zu dem Endresultat, dass Träger nicht nur die den Verhältnissen des Landes am besten angepassten, sondern auch die einzig möglichen Transportmittel sind. Wo gute Träger vorhanden sind, darf das Fehlen von Lastthieren, Steppe und Wüste immer ausgenommen, nie bedauert werden. Für den Reisenden selbst, sobald seine Gesundheit nicht in ihren Grundfesten erschüttert ist, muss es geradezu als ein Vortheil gelten, wenn er gezwungen ist, zu Fuss zu gehn; denn es unterliegt keinem Zweifel, dass der marschirende Reisende ein besserer Beobachter ist als der reitende, fahrende oder in einer Hängematte fortgetragene. Seine Itinerare, mit Uhr pnd Compass entworfen, werden zuverlässiger sein; denn er ist nicht nur im Stande, genau zu visiren und die Com- pass-Nadel vor importunen Erschütterungen zu wahren, er kann auch, was sehr wichtig, zu jeder Zeit mühelos das Auge wenden, wohin er will, Rückwärtsvisirungen vornehmen und genauer auf das achten, was die nächste Umgebung ihm bietet. Es muss als das Ideal einer Forschungsreise hingestellt werden, wenn man sie zu Fuss und mit zuverlässigen Trägern ausführen kann. Die Beschaffung geeigneter Mannschaften war daher die Lebens- bedingung der Expedition. Vor dieser Frage erschienen die ändern, auf Klima und Ernährung gerichteten, klein. Selbst der Gedanke, wie die Eingeborenen des Innern sich verhalten würden, machte mir wenig Sorge, wenn ich nur sichere Leute hatte. Hierin lag das ganze Problem. Es zu lösen, habe ich mich bis zur Grenze meines Könnens bemüht. Da die Erfahrungen eines Vorgängers nicht Vorlagen, niemals ein Versuch gemacht war, mit Trägern in’s Innere vorzugehn, so musste ich allein ausprobiren, welcher Weg zum Ziele führen könne. Ich sah mich natürlich zuerst unter den Loango-Negern um. Diese


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