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Horizont erst in sehr bedeutender Entfernung durch Bergketten abgeschnitten ist. Bei dem ersten der beiden üblichen Palaver wurde ich belehrt, dass auch Nguela zu den Orten gehört, die von zwei Herren regiert werden, und dass ich darnach meine Geschenke für die abendliche Sitzung einrichten möchte. In letzterer wurde gleichzeitig der Zoll für das Passiren des Kuilu vereinbart, denn der zweite Theil meiner Reise sollte der rechts von diesem Strome gelegenen Landschaft gelten. Es wurde mir Nachts gestattet, am äussersten Ende des Dorfes astronomisch zu beobachten, und in der That konnte ich auch ganz ungestört arbeiten. Schliesslich aber wurde mir gesagt, ich möchte auf hören, weil in dem nächsten Tschimbek ein Todter läge. Diesem Todten verdankte ich jedenfalls die Abwesenheit aller Neugierigen; denn die Gespensterfurcht nach Todesfällen ist gross. • Am folgenden Morgen stieg ich zum Fluss hinab, wiederum gefolgt von einer grossen Schar lästiger Begleiter, und stand bereits nach fünfundzwanzig Minuten am linken Ufer des Kuilu. Es überraschte mich, den Strom hier breiter zu finden, als unterhalb Kaka- müeka. Obwol eine exacte Messung nicht möglich war, liess sich die Breite doch mit ziemlicher Sicherheit auf dreihundertfünfzig bis vierhundert Schritt angeben. Das Hochwasser begann eben den Fluss zu schwellen. Seine braunerdige Farbe deutete es genugsam an, dass die Regen im Innern begonnen hatten; das Rauschen des Stromes liess sich mit dem eigenthümlichen Geräusch einer zur Abfahrt bereiten Locomotive vergleichen. Beide Ufer sind felsig; auch in der Mitte des Stromes ragte eine Felseninsel auf, die aber zur Zeit des vollen Hochwassers überflutet wird; denn nach den Angaben der Eingeborenen steigt das Wasser im März und April vier Meter. Das linke Ufer bestand aus aufgerichteten, schwarzen Schiefern, die Insel und das rechte Ufer aus einem verwitterten Gestein mit vielfachen Einschlüssen von Quarzbrocken. Zwei sehr lange, aber sehr schmale Canoes lagen scheinbar zur Ueberfahrt bereit; doch wurde ich bei dem Versuche, dieselbe nunmehr zu bewerkstelligen, eines Ändern belehrt. Obwol Alles bezahlt war, weigerte sich der Fährmann, dem Vertrage nachzukommen; wiederum grosses Palaver, neue Aufregung, Entrüstung, Aerger mit dem Endresultat, dass meine eigenen Leute hinüber'ruderten. Wir kamen glücklich durch Strömung und Strudel. Wie imposant der Eindruck des- gewaltig strömenden und rauschenden Flusses auch war, als ich ihn in der Mitte von dem schaukelnden Fahrzeug aus betrachtete, ich freute mich doch,1 als wir das andere Ufer glücklieh erreicht hatten. Der Kuilu ist den Bakunya nicht mehr unter diesem Namen bekannt; sie nennen ihn Nyadi und auch Nyali. Ein schöner Uferwald zog sich am Wasser hin, dem wir bis an die Stelle folgten, wo der Timaluis einmündet. Dann stiegen wir das Seitenthal hinauf, verliessen es alsbald wieder, um es am Abend von Neuem zu erreichen. Noch lange hörte man das Rauschen des Kuilu. Von der Höhe war ein schöner Rückblick auf Nguela gestattet, das wie die Städte in den Landschaften altitalienischer Heiligenbilder auf einen steilen Kegel aufgesetzt erschien. Man sah, wie die eigentlichen Uferberge etwa sechszig Meter ansteigen, und erst dahinter in einem Absatz die nächsten Rücken sich zu der relativen Höhe von einhundertfünfzig bis einhundertachtzig Meter erheben. Auch auf dem weiteren Marsche durch die meist waldfreie Landschaft fehlte es nicht an Umblicken, aber wir giengen so viel in die Kreuz und Quere, dass die topographische Einsicht sich verwirrte. Unterwegs begeg- nete uns in sehr willkommener Weise ein Neger, dessen frisch vom Baum gezapfter Palmwein meinen brennenden Durst stillte, den sichern Vorboten eines nahenden Fiebers. Bei der Annäherung an das Dorf Dirmasi fiel mir weisslich graues, anstehendes Gestein auf, das sich mit dem Messer ritzen liess, und das ich für Kalk hielt. Die Rast im Dorfe benutzte ich zum Einkauf von Lebensmitteln und setzte dann noch den Marsch bis nach dem Dorfe Timaluis fort, das an dem oben erwähnten Flusse gleichen Namens liegt. Das hierbei durchschnittene Terrain und die ganze umliegende Landschaft war fast kahl zu nennen. Die Rinnen der Thalsohlen zeigten vielfach den blossgelegten Fels, während die Abhänge mit dürftigen Gräsern bedeckt waren. Erst an den Ufern des Timaluis traten wieder schmale Waldstreifen auf. Es blieb mir nach der Ankunft im Dorfe nur noch so viel Zeit, um den Herrn desselben zu be- grüssen und eine Dosis Chinin zu nehmen; dann musste ich mich niederlegen, um das zum Ausbruch kommende Fieber austoben zu lassen. Ich richtete mich so gut wie möglich auf meiner Papyrusmatte zwischen den beiden wollenen Decken ein und liess das Unvermeidliche über mich ergehen. Das Dorf aber feierte meine Ankunft durch Tanz und Trommelschlag, so dass ich eine recht elende, schlaflose Nacht verbrachte. Fast den ganzen folgenden Tag war ich an’s Lager gebannt, konnte mich also den wiederum in grösser Zahl aus dem Lande zusammengeströmten Negern nur wenig zeigen. Da die einbrechende Nacht sternenklar war, so ermannte, ich mich am Abend, um die Position von Timaluis astronomisch zu bestimmen; aber das Instrument zitterte anfänglich so stark in der Hand, 9*


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