stimmt hatte. An sich war ich ja in seiner Gewalt, und so aufrichtig* meine Rede auch gemeint war, so war sie' doch kaum mehr als eine Bravade. Die Situation war kritisch, weil die Nacht mich zwang, bis zum nächsten Morgen auszuharren, und dem Tschikossu Zeit genug blieb, neue Listen gegen mich zu ersinnen. In der That bereitete er mir noch eine Scene, die zu charakteristisch ist, um nicht erzählt zu werden, und die mit dem Hinweis auf das „naturalia non sunt turpia“ auch wol erzählt werden darf. Als ich mich nämlich in tiefster Nacht, und vollkommen überzeugt von der Wahrheit des angeführten lateinischen Spruches, so weit von allen menschlichen Wohnungen entfernt hatte, als die oben erwähnten Verhaue es nur irgend gestatteten, wurde mir bei der Rückkehr zu meinem Lager von dem Ränke schmiedenden Dorfherm ein Palaver gemacht des Inhalts, dass ich ein dem Fetisch XYZ gehöriges Gebiet schnöde entweiht hätte, dass ich gehalten sei, das corpus delicti durch meine Leute an eine weniger heilige Stelle überführen zu lassen, und dass der Fetisch eine Sühne an Zeug und Rum verlange. So spasshaft mir die Sache jetzt auch in der Erinnerung erscheint, so sehr degoutirte sie mich damals. Ich war nun einmal in der Höhle des Löwen und. verbrachte die Nacht halb zwischen Schlafen und Wachen. Diesmal sogar von dem guten Willen meiner Leute unterstützt, brach ich am folgenden Morgen so. früh wie möglich auf, ohne den miserabeln Tschikossu noch eines Blickes zu würdigen. Der anhaltende Regen hatte die Temperatur auf 20° C. abgekühlt, so dass mich fröstelte. Aber der neue Tag erschien hell und klar über den dahinziehenden Waldnebeln. Der bisherige Verlauf der Reise hatte uns in ununterbrochenem Wechsel bergauf bergab geführt, meist in Höhen zwischen neunzig und einhundertachtzig Metern. Das Dorf des Tschikossu lag nur einhundertundfünf Meter höher als die Ansiedelung des Makossu am Kuilu, und wir stiegen von hier aus noch einmal sechszig Meter abwärts, wo der kleine Fluss Ngoma rasch über Steinen hin- fliesst. Aber nun galt es, eine der hohen Ketten, die uns schon gestern regenverschleiert sichtbar geworden waren, zu überschreiten, und der lohnendste Marschtag begann. Denn es sollte mir endlich möglich werden, einen befriedigenden Ueberblick über das Land zu erhalten. Wo der Weg nicht durch Wald oder Blattgestrüpp gieng, führte er über Grasfluren; die Abhänge waren dann bedeckt mit unlängst aufgeschossenen niedrigen Grasbüscheln, und erschienen wie Alpenmatten. Es wehte eine herrliche reine Luft, und trotz des klaren wolkenlosen Tages stieg das Thermometer nicht über 25 0 C. Wir lagerten nach vierstündigem Marsch an einem schönen lichten Abhang im Walde, der blaue Himmel schimmerte durch die Baumkronen, und die Sonne zeichnete ihre Kreise auf den laubbedeckten Boden; man konnte sich gar nichts Anmuthigeres denken! Kurz vor dem Eintritt in den Wald passirten wir einen Begräb- nissplatz, Früher hatte hier ein Dorf gestanden, und davon gab ein drei und einen halben Meter hoher, zu monströsen Figuren ausgeschnitzter Pfahl Kunde, wie ich ihn ähnlich als Mittelpfosten in der Empfangshütte des Nganga Mvumbi angetroffen hatte. Aus welchem Grunde dieses, in den Augen der Eingeborenen gewiss sehr kostbare Kunstwerk stehen geblieben war, ob es nun als Grabmonument diente, wer konnte es sagen? Die übrigen Gräber waren durch Anhäufungen ganzer oder zerbrochener irdener Krüge und Schüsseln gekennzeichnet, nicht aber durch Grabhügel, wie man sie an der Küste sieht. Unser Rastplatz lag bereits dreihundert Meter hoch, aber wir hatten noch weitere dreihundertsechszig zu steigen, um den Kamm des Gebirges zu erreichen. Der Anstieg erfolgte in Ostnordost und war meist sehr steil. In der Höhe von vierhundertfünfzig Metern war ein freier Rück- und Umblick möglich, ein grosses Stück der durchwanderten Gegend liess sich überschauen, und nun erkannte ich zum ersten Mal das wichtige System der von Südost nach Nordwest streichenden Parallelketten, die der Kuilu durchbricht. Ich selbst stand am Südwest-Abhange der höchsten dieser Ketten, zwischen ihr und der nächsten in Südwest gelegenen Kette war eine dicht bewaldete stundenbreite Thalmulde, aus deren weitem Grunde sich wieder ähnliche, aber viel niedrigere Bergzüge erhoben. Bergig erschien das Land nach allen Richtungen hin (der Blick nach Nordost war natürlich verdeckt), und bewaldet zum grössten Theil. Nach Westen hatte ich eine weite Fernsicht; Nichts als waldige Rücken, deren letzter sich ganz schwach gegen den Horizont absetzte. Ein viel höherer Bergzug begrenzte in der Entfernung von zwanzig Stunden die Aussicht in Nordnordwest. Der Kuilu blieb in seinen Bergen versteckt, ihre oberen, meist nicht bewaldeten Hänge schimmerten wie Felder und Wiesen. Die Unterbrechung mehrerer Ketten durch das Flussthal war deutlich erkennbar;, am höchsten erschienen die Bergketten im Süden. Der Weg setzte sich auf einer Rippe des Berges fort, so dass wir auf einem schmalen Kamm hinwanderten. Hier wurde mir ein empfindlicher Verlust zu Theil. Mitten im Walde, an einer Stelle des Weges, die besser war als irgend eine zuvor, strauchelte der Träger des grossen Rum-Ballons, und bald bedeckte das duftende Nass den Boden des Berges. Ein unersetzlicher Theil meiner Habe war dahin,
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