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und wurde durch ein kleines Geschenk völlig besänftigt. Später gelang es mir, ungesehn aus dem Dorf zu schleichen, und gegen Sonnenuntergang eine halbe Stunde ruhiger Sammlung inmitten einer grossartigen Gebirgsumgebung zu verbringen. Das Schwerste stand mir noch bevor, das grosse Palaver, von dem der weitere Verlauf meiner Reise abhieng. Der Prinz erschien mit grossem Gefolge vor meiner Sombra, als die Nacht völlig eingebrochen war; und liess sich an der Schwelle nieder, während ich selbst auf der Matte liegend, von meinen Leuten umstanden, mit dem Dolmetscher zur Seite, der Dinge harrte, die da kommen sollten. Die Scene war mit Fackellicht beleuchtet, und Mani . Mbandschi sah geradezu diabolisch aus. Das Palaver begann mit der Rede, die mein Lingster halten musste. Darin wurde Alles noch einmal wiederholt, was bereits am Mittag gesagt war, und dann kam die Ankündigung meines Geschenkes. Ich bot zunächst, drei Stück (achtzehn Yards) Zeug, eine rothe gestrickte Mütze und zwei Flaschen Rum, und kämpfte aus Leibeskräften für die Annahme, denn der Mani Mbandschi wollte nichts davon wissen. Die Zähigkeit gegen weitere Bewilligungen war aber nothwendig, weil die Höhe des gemachten Geschenkes nie ein Geheimniss bleibt, und von dem Häuptling, dem man den nächsten Zoll zu entrichten hat, als Minimalforderung festgehalten wird. Nach resultatlosem Hin- und Herplänkeln hub der Prinz in langer Rede an auseinanderzusetzen, wer er eigentlich sei. Er habe das Thor nach Yangela in seinen Händen, ohne seinen Willen könne es Niemand passiren; er sei ein schwarzer Prinz, was eben so viel sei wie ein Weisser; er verlange von mir zehn Stück Zeug, ein Gewehr, ein Fass Pulver, fünfundzwanzig Flaschen Rum. Dem Werthe nach repräsentirte dies etwa den fünften Theil meiner ganzen Habe; in Wirklichkeit besass ich einige der verlangten Artikel gar nicht. Hier versteckte sich hinter der Habsucht noch die schlimmere Absicht, mein Vordringen zum Scheitern zu bringen. Bei der leichten Erregbarkeit, der ich in Folge des Fiebers und der ausgestandenen Anstrengungen unterworfen war, packte mich der Zorn und inspirirte mich zu einer eben so langen Rede, wie Mani Mbandschi sie eben gehalten hatte. Ich stellte ihm seine Ungerechtigkeit vor; er wisse recht gut, dass ich keinen Handel treibe; ich habe immer nur zu geben und gewänne niemals etwas; Mani Mbandschi sei ein schlechter Prinz, er verstehe gar Nichts davon, wie man einen Weissen zu behandeln habe; er wolle ihm Alles wegnehmen, damit der Weisse verhungere; er sage, er sei ein mächtiger Prinz; er wisse gar nicht, was ein mächtiger Prinz sei; der Weisse habe einen König, .der sei mächtig, cfer habe ein Land, das von hier bis an’s Meer gehe, und von hier bis nach Yangela und noch viel weiter, und dann noch zehnmal so lang wie breit sei; der habe ihn geschickt, um zu wissen, ob die Schwarzen auch gute Menschen seien, und wie ihr Land und ihre Häuser und die Bäume aussähen; an den werde der Weisse jetzt gleich schreiben, dass der Mani Mbandschi ein schlechter Prinz sei und nicht verdiene, dass man ihn besuche. Wenn aber Mani Mbandschi von seiner Forderung abstehe, den Fremden ungehindert weiter reisen lasse, so solle er zur Belohnung fünf Stücke Zeug erhalten, anstatt dreier und vier Flaschen Rum,' anstatt zweier; und der grosse König des Weissen solle erfahren, dass Mani Mbandschi ein guter Prinz sei, der einen Weissen gut zu behandeln verstehe. — So floss das Negerportugiesisch von meinen Lippen, durch vielfache Wiederholung zu einer Rede von parlamentarischer Länge sich gestaltend, und durch Verdolmetschung zum doppelten Umfang anschwellend. Das Wichtigste war, dass ich nicht in den Wind gesprochen, sondern einen grossartigen Eindruck hervorgebracht hatte. Mani Mbandschi wurde fast kleinlaut, nahm das gebotene Geschenk ohne weitere Widerrede an, und verpflichtete sich, mir am folgenden Tage das „Thor“ öffnen zu lassen. Nachdem das Palaver zu gegenseitiger Befriedigung beendet war, zog sich Alles zurück, und ich blieb allein in der Dunkelheit. Denn meine Leute vereinigten sich nunmehr mit den Dorfbewohnern zu gemeinsamem Tanz, der unter dem üblichen Trommelschlag und Gesang vor sich gieng. Der dumpfe Lärm wurde bald durch das laute Zanken Mani Mbandschis unterbrochen; von dem erhaltenen Rum vollständig betrunken, tobte er unter der Menge einher, überall Streit beginnend. Ich konnte meines Erfolges nicht sogleich froh vjprden. Ganz abgesehen davon, dass der Eindruck der mehrstündigen Verhandlung doch ein sehr widerwärtiger war, durfte ich mir nicht verhehlen, an wie schwachen Fäden der glückliche Fortgang der Reise hieng, und dass die Laune eines einzigen Negers genügte, dieselben zu zerreissen. Der Tanzplatz, wohin Jung und Alt geströmt war, lag ziemlich weit von meiner Sombra entfernt; ich war also ganz mir selbst überlassen und recapitulirte die Ereignisse des bewegten Tages in meinem Journal. Die geistige und körperliche Ermattung machte mich träumerisch. Hier ein weisser Mann, beim schwachen Schein der Kerze schreibend, ein einsamer Fremdling, der nicht einmal ahnen konnte, was der nächste Tag ihm bringen würde, dort die fröhliche Menge der Neger, auf ihrem eignen Grund und Boden bei Fackelschein tanzend, ganz dem Augenblicke hingegeben.


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