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stieg und sich zur Spitze eines mit Quarzblöcken bedeckten Berges hinaufzog. Als das Terrain noch freier wurde, betraten wir ausgedehnte Grasfluren, und auf diesen wuchsen dieselben Sträucher (Ano- naceen), die ich zwischen Nsiamputu und Nkondo Ndindschi so vielfach beobachtet hatte. Beim weiteren Fortgehn eröffnete sich eine grossartige Berglandschaft. Wir befanden uns in der Nähe des Uebergangs einer der von Südost nach Nordwest streichenden Ketten und überschritten um zehn Uhr eine unbewaldete Passhöhe. Ein hoher Berg, mir als „Nsumi“ bezeichnet, erhob sich sehr schroff zweihundertvierzig bis dreihundert Meter über unserm Standpunct, der etwa einhundertzwanzig' Meter hoch war. Auf diesen Berg gieng der Weg los und zog sich dann um ihn herum, theils durch Wald führend, theils über freie Hänge fort Wir waren ohne Pause vier Stunden lang sehr schnell marschirt. Denn die Neger, wiewol in vielen Verrichtungen träge, zeigen sich, so lange sie im Marschiren begriffen sind und keine zu schwere Last zu tragen haben, äusserst agil und gehen im Tempo der gehetzten Bewohner unserer grossen Städte. Meine kaum wiederkehrenden Kräfte waren daher schnell aufgebraucht, zumal da es gerade an diesem Tage aussergewöhnlich heiss war. In Angstschweiss gebadet, von Durst gepeinigt, von innerem Feuer verzehrt, mit glühendem Kopf und dem quälenden Schmerz der hereinbrechenden Ohnmacht, schleppte ich mich bis zur nächsten Wasserpfütze und suchte mir mit nassen Tüchern Kühlung zu schaffen. Dann raffte ich mich auf, folgte den Trägern, ganz mechanisch Compass und Uhr ablesend und aufschreibend, und erreichte Mittags um zwölf . Uhr das grosse Dorf des Mani Mbandschi. Bald lag ich in einem halbsomnambülen Zustande unter der schützenden Sombra, die der Prinz mir hatte anweisen lassen. Ich kam mir vor, als ob ich dicht neben mir noch einmal als ein zweiter Mensch existirte, und dann wieder, als ob mein Kopf nirgendswo begrenzt sei und in’s Unendliches fortgienge. Eine dichte Menge stand vor der Sombra und starrte in dieselbe hinein, aber trotzdem herrschte minutenlanges tiefstes Schweigen. Nur mit Mühe konnte ich mich aus- und umkleiden. Damit die Decenz dabei gewahrt blieb, mussten zwei meiner Leute die Reisedecke wie einen Vorhang halten, und nachdem die Toilette beendet war, legte ich mich von Neuem nieder, verschluckte eine grosse Dosis Chinin und suchte meine Kräfte durch heissen Thee zu beleben. Das Erscheinen des Mani Mbandschi scheuchte mich wieder auf. Von diesem Neger war mir viel erzählt worden; er galt für sehr mächtig, aber auch für einen Trunkenbold und heimtückischen Schurken. Man sagte, er habe den Schlüssel für den Weg nach Yangela in der Hand, und Nduli sprach von einer mysteriösen Pforte, die ohne Er- laubniss nicht passirt werden könne. Ich war daher wenig angenehm berührt, als ich den Mani Mbandschi vor mir sah und auf seinem Gesicht alle die .widerwärtigen Eigenschaften des Bayombe-Charakters las. Ein deformirter schmutziger Hut aus weichem Filz machte eine wahre Banditen-Erscheinung aus diesem Prinzen, der zur Begrüssung noch einen rothen englischen Waffenrock mit grünen Aufschlägen und einer n in den Achselklappen angelegt hatte. Es war mir bekannt, dass er mit der Küste Zwischenhandel trieb; es lag in seinem Interesse, jeden Versuch zurückzuweisen, den weisse Händler zum Vorschieben ihrer directen Beziehungen machten. Ich liess ihm daher mit besonderer Umständlichkeit auseinandersetzen, dass ich selbst nicht des Handels wegen gekommen sei, dass alle Neger in Loango und Kabinda dies auch lange wüssten, dass die Bayombe aber eben so viel werth seien wie die Bavili der Küste, und gleichfalls vom Weissen selbst erfahren sollten, dass er noch nie ein einziges Stück Gummi noch eine Muteta Palmöl gekauft habe. Diese Auseinandersetzung, mit allen Zuthaten der Beschreibung ausgeschmückt, nahm zum Mindesten eine halbe Stunde in Anspruch, aber auf den unbeweglichen Zügen Mani Mbandschis war eine Wirkung nicht zu lesen. Indessen verliess er mich, noch ohne ein Geschenk empfangen zu haben, und brachte bald die übliche Ziege mit Bananen. Darnach riskirte ich es, auf dem freien Platze vor der Sombra eine Zeitbestimmung mit der Nachmittagssonne vorzunehmen, und sah mich dann in dem Dorf um. Ich fand es sehr gross und zählte über hundert Hütten, die durch viele eingestreute Palmen und Bananen in mehrere freundliche Gruppen getheilt sind. Die Leute wurden nach und nach zutraulicher, während anfänglich eine plötzliche Drehung des Kopfes einen Theil der Neugierigen scheu zurückweichen liess. Lange sah ich einem Weber zu,' der mit seinem Handwebestuhl ein hübsches Zeug herstellte, neben ihm spaltete ein Gehülfe den Palmenbast mit dem Nagel zu feinen Fäden. Verhängnissvollerweise hatte ich im Eifer des genauen Zuschauens den portativen Fetisch meines fleissigen Webers berührt, der Unglückliche glaubte, ich wollte ihm seinen Talisman nehmen, stiess den durchdringenden Schrei eines in höchster Noth befindlichen Menschen aus, und lief, an allen Gliedern zitternd, hinaus auf die Strasse. Schon befürchtete ich einen Aufstand, doch zum Glück waren einige meiner Träger hinter mir, die sich in dieser Eigenschaft als „esprits forts“ fühlten und anfingen zu lachen. Damit gieng die Sache in’s Scherzhafte über, der Flüchtling kehrte zurück, 5-


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