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hätte er behaupten können, er werde sich aus einem weissen Mann in einen schwarzen verwandeln. Die Eingeborenen hielten mein Vorhaben kaum für ernsthaft. Sie giengen zu allererst darauf ein, wie man auf einen Scherz eingeht, und als die Ueberzeugung in ihnen aufdämmerte , dass von einem Scherz doch wol nicht die Rede sei, wollten sie überhaupt Nichts mehr von der Sache wissen. Aber meine Lebensweise, das theilweise Annehmen der Sitten der Neger, das viele Ausfragen am nächtlichen Feuer und vor Allem das Mirakel, dass ich wie ein Bayombe tagelang durch den Wald wandern konnte, bewirkten allmählich eine Sinnesänderung. Die Neger sahen, dass es nur an ihnen, nicht aber an dem Weissen liegen würde, wenn die Reise nach Yangela nicht zu Stande käme. Es gelang mir daher wirklich unter dem Beistände Makossus allmählich zwölf Neger, sechs Bavili und sechs Bayombe, zu engagiren. Darunter befand sich der eigne Bruder jenes Händlers. Er behauptete das Land zu kennen, sprach portugiesisch und sollte als Führer und Dolmetscher dienen; der Mann war also ein grösser Schatz für mich; leider wurde er krank, noch vor dem Aufbruch, und die Noth war gross, einen Ersatz zu finden. Es fand sich denn auch keiner, und der nur sehr dürftig portugiesisch redende Koch Nduli musste den Ausfall ersetzen, so gut es angieng. Ich theilte das Gepäck in zehn leichte Lasten für die Leute. Die meisten Sachen waren in Muteten (lange, einheimische Tragkörbe) verpackt, nur die nothwendigen Bücher und das Wenige, was ich an Kleidern und Wäsche besass, befand sich in zwei Koffern. Den Prismenkreis und den künstlichen Horizont liess ich, nur in wasserdichtes Zeug verpackt, durch einen besonders geschickten Neger tragen, der stets bei mir bleiben musste. Ein grösser, korbumflochtener Glasballon, ein sogenannter Garafäo der Portugiesen, bis oben hin mit Rum gefüllt, war eine Last für sich; sein Inhalt sollte mir den Weg bahnen helfen. Im üebrigen bildeten Zeug, Perlen, Messingringe, Spiegel und Messer meine Tauschartikel. An Provisionen besass ich nur einen Sack mit Reis, Thee und etwas Cognac; den Rest des Benöthigten hoffte ich von den Eingeborenen einhandeln zu können. Man kauft Nahrungsmittel meist von den Weibern ein, namentlich den Maniok, und darnach musste die Auswahl der Zahlungsmittel getroffen werden. Verhältnissmässig war ich nur auf geringe Schwierigkeiten beim Engagiren der Träger gestossen; denn was sind acht Tage des Wartens und der Hin- und Herrede in Africa? Der Grund war der, dass es sich nicht um ein unbestimmtes Ziel handelte, sondern um einen, im Vertrag ausdrücklich bezeichneten Ort, den der Eine oder Andre schon besucht hatte. An eine lange Abwesenheit konnte ich vorläufig nicht denken; denn ich war in meinen Mitteln ganz reducirt und musste ferner den Ersatz der untergegangenen Ausrüstung erwarten. Ich hatte bereits auf meinen Streifzügen kosten gelernt, was es heisst, mit durchnässten Kleidern zu exploriren, und musste dafür zahlen, als ich eben hoffte, die ersehnte Reise anzutreten. Mitten im Packen ergriff mich das Fieber mit solcher Gewalt, dass ich mich auf das Lager warf und den halben Tag und die ganze folgende Nacht unbeweglich liegen blieb. Zu den grässlichen Fieber träumen gesellte sich das Gespenst der unmöglich gewordenen Reise, und das Brüllen und Tanzen meiner nun vollzählig versammelten Träger steigerte nur die unbeschreiblichen Qualen. Als ich mich am folgenden Morgen erhob, konnte ich nur taumelnd vorwärts gehn, während alle Glieder schmerzten; aber der Gedanke, selbst Anlass zu sein, dass die Abreise nicht zur festgesetzten Zeit erfolgte, quälte mich so, dass ich, noch halb im Fieberwahn, den Befehl zum Abmarsch gab. Könnten doch Diejenigen, denen die Erforschung Africas nicht schnell genug voranschreitet, die in der beschaulichen Ruhe eines gesicherten Heims wähnen, dass sie Alles weit besser gemacht haben würden, einmal selbst erproben, was der Reisende in der Erfüllung seiner Pflicht zuweilen zu ertragen hat und nur durch eigne Kraft überwinden kann; sie würden sicherlich gerechter urtheilen lernen, selbst erschrocken sein vor ihrer selbstgefälligen Grausamkeit und herausfordernden Ungerechtigkeit. Der Zielpunct meiner Reise war das Land Yangela, das von den Bakunya bewohnt wird; dies schienen die einzigen Namen zu sein, mit denen die wenigen zur Information geneigten Neger noch einen bestimmten Begriff verbanden. Alles Andre kam wüst durcheinander und endete in einer Zahl von Märchen, die von den wilden Völkerschaften erzählt wurden. Da waren auf der linken Seite des Kuilu: Bakunya, Bayaka, Basundi, Bakamba und Badonde; auf der rechten: Bayaka, Bantetsche, Bakuta, Bavumba, Basinika, Balali; und dazwischen gesät Babongo. Von diesen Völkerschaften trugen die einen Nasenringe, die ändern waren ganz klein, hatten aber sehr grosse Köpfe und schliefen in Kürbisschalen, wieder andere hatten einen Schwanz und mussten sich ein Loch in die Erde bohren, ehe sie sich niedersetzten, die Schlimmsten endlich hatten nur einen Arm und ein Bein und konnten nicht wieder allein aufstehn; alle aber waren sie Menschenfresser. Von den Bantetsche wurde erzählt, sie glaubten, dass alle Menschen, die von der Küste kämen, salzhaltig seien, daher


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