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to8 Besuch des Prinzen Nganga Mvumbi. umgeben, auf einer Matte niederhockte; hinter ihm wartete ein mit Fliegenwedel bewaffneter Neger seines Dienstes, draussen standen in dichter Zahl die übrigen Bewohner, Frauen und Kinder in besonderer Gruppe. Alles verschlang mich mit den Augen und wollte in möglichst kurzer Zeit so viel wie nur irgend möglich aus mir heraussehn. Aber ich gab es ihnen reichlich zurück. Dem Prinzen liess ich nun zum ersten Mal die Rede halten, die in der Folge bei allen Be- grüssungs-Palavern in allen möglichen Variationen und Ausführungen wiederholt wurde: Ich sei zu ihm gekommen, nicht um Handel zu treiben, sondern um das Land zu sehn; ich hätte gehört, dass er ein grösser Prinz sei, und mich deshalb aufgemacht, ihn mit meinen eignen Augen zu sehn; ich sei ein grösser Freund der Neger und hätte noch nie Einem von ihnen etwas Böses gethan; namentlich aber sei ich sein Freund und zum Beweise dafür hätte ich ihm ein Geschenk mitgebracht, er möge nun auch mein Freund sein, damit ich Alles sehen könne, Alles, Alles, Alles! Dann überreichte ich ihm Zeug und eine Flasche Rum, die mit einem gewissen Ceremoniel während der Sitzung genossen wurde. Am Ende der Rede klatschten alle Anwesenden in die Hände, zum Zeichen dass sie verstanden hätten, was ich wollte. Der Prinz verschwand darauf und kam mit dem fürstlichen Gegengeschenk einer Ziege und eines Bananenfruchtzweiges zurück. Ausserdem liess er ein Huhn für mich schlachten und dem Koch einhändigen. Der alte Nganga Mvumbi zeigte in seinem Benehmen eine gewisse Gutmüthigkeit und war doch derselbe Mann, der mich ein Jahr später mit seinem planmässig betriebenen, passiven Widerstand zur Verzweiflung brachte. Ich sass ihm nun längere Zeit gegenüber, damit er und seine Unterthanen sich hinreichend satt an der neuen Erscheinung sehen könnten; dann zog ich mich nach der mit Matten ausgelegten Sombra zurück, die der Prinz mir überwiesen hatte, und wohin man die grüne Ginkiste mit dem rosageblümten Tuch gleichfalls brachte. Nun folgten alle Neger dorthin, auch der Nganga Mvumbi, der fortfuhr mich zu betrachten. Der staunenden und gaffenden Menge, die mich umstand, entfuhren neue Ausrufe der Verwunderung, als ich Buch und Bleistift vornahm und meine Notizen machte. Es war mir selbst überraschend, dass das Schreiben eine so grosse Sensation hervorbrachte; aber auch an allen Orten, die ich später besuchte, war die Wirkung dieselbe. Als das Huhn bereitet war, hatten sämmtliche Neger die nicht genug zu schätzende Rücksicht, sich zu entfernen und mich allein in der Gesellschaft meines Ziegenbocks zu lassen. Es ist eine allgemein gültige Wahrnehmung, dass die Eingeborenen den Weissen niemals beim Essen belästigen; sie haben unsere schöne Regel, dass man Thiere nicht beim Fressen stören soll, auf Menschen übertragen, und so konnte ich mir stets, selbst an den aufregendsten Palavertagen, mit der Malzeit eine halbe Stunde Ruhe erkaufen. Bei der Wanderung durch’s Dorf, das etwa sechszig Hütten zählt, für die dortigen Verhältnisse also ungewöhnlich gross ist, erschien sogleich wieder eine Escorte, jedoch ohne den Nganga Mvumbi; dieser benutzte seine Zeit besser, indem er das beim Empfange getragene Kleid wechselte, um sich in einem neuen Festgewand, einem blauen Kutschermantel mit rothem Kragen, von mir verabschieden zu können. Wir verliessen uns als grosse Freunde, und ich wanderte zu meinem Lager zurück. Ein anderer, mehrtägiger Ausflug vom Tschimbek des Makössu führte mich an die nördliche Grenze des Gebietes der Bayombe zu den Balumbu-Negern; wieder andere wurden auf der linken Kuilu- seite ausgeführt. Immer aber sah ich dasselbe, was ich bereits Tags zuvor gesehn hatte: einen überall gleichgearteten Hochwald auf. einem, von vielen kleinen Zuflüssen des Kuilu coupirten, scharf eingeschnittenen Terrain. Daher schienen mir weitere, noch dazu so anstrengende Märsche von keinem Nutzen zu sein. Wo die Natur die erhabene Einförmigkeit immensen Waldgebietes über eine Gegend ausgebreitet hat, lässt sich geographisch nicht viel erreichen. Auch im Uebrigen wird keine Mannigfaltigkeit erwartet werden dürfen. Die wenigen Dörfer, die sich auf den künstlich ausgehauenen Lichtungen erheben, gleichen einander und sind nur durch den Grad der Säuberung des Bodens und durch die Zahl der Palmen und Bananen, die den Platz umgeben, unterschieden. Selbst den Bewohnern, ihrer Sitte und Lebensweise hat sich der düstere Charakter ihrer Umgebung aufgeprägt. Daher empfand ich doppeltes Verlangen, die Reise nach Yangela auszuführen, um dieser landschaftlichen Gefangenschaft zu entkommen und die Exploration weiter auszudehnen. Zunächst freilich, als ich nach der Ankunft beim Makossu die Absicht, nach Yangela vorzudringen aussprach, wurde mir mit fast verächtlichem Lächeln und dem wiederholten portugiesischen Ausruf: „Branco näo pode“ (das kann ein Weisser nicht) geantwortet. Das war ganz natürlich. Diejenigen Neger, die überhaupt Weisse gesehen hatten, wussten, dass diese nur in einer Hängematte reisten, unter Dach und Fach schliefen und selbst die kleinsten Entfernungen nicht zu Fuss zurücklegten. Nun kam frisch von Europa her ein Mann, der von all diesen Dingen Nichts wissen wollte, der behauptete, er werde nach Negerart eine Reise in’s Innere machen: eben so gut


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