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ihm die eigne weisse Haut unnatürlich erscheint und er anfängt, sich zu wundern, dass nicht alle Menschenkinder der Wolthat einer sammetweichen, kühlen, dunklen Haut theilhaftig geworden sind, wird jeder Farbige für ihn ein vom ändern unterschiedenes Individuum. Dann erst ist der richtige Massstab für die Beurtheilung gefunden, und die Möglichkeit gegeben, in den Physiognomieen zu lesen, gutartige von malitiösen, schöne von hässlichen zu unterscheiden. Aus den Gesichtszügen der Bayombe kann der Reisende wenig Verheissendes für sich herauslesen. Es spricht aus ihnen lauernde Hinterlist, Habgier und Frechheit; und der Verlauf meiner eignen Reisen ist der beste Beweis dafür, dass sie diese Eigenschaften auch wirklich besitzen. Indessen wäre es ein Irrthum, zu glauben, dass ihnen die hässlichen Merkmale des sogenannten Negertypus.: breitgedrückte Nase, aufgeworfene Lippen, vorstehender Unterkiefer, über-1 mässig lange Arme, wadenlose Unterschenkel, platte Fusssohlen in hervorragendem Masse zu eigen seien. Individuen, die alles dies vereinigen, gehören zu den seltensten Ausnahmen; nur die eingedrückte, breitflügelige Nase ist fast allen gemein; und abstossend erscheinen die Gesichter hauptsächlich dann, wenn von der Mitte'dieser Nase breite Falten zu beiden Seiten des Gesichtes hinablaufen. Es lassen sich fein geschnittene Gesichter, mit schmalen Lippen und ohne irgend welchen Prognathismus beobachten. Die Figur ist meist schlank und von Mittelgrösse; die Farbe ist dunkelbronzen. Ein Bayombe von Ebenholzschwärze würde, und dies gilt für alle benachbarten Stämme, eine auffallendere Seltenheit sein als ein Albino. Männer wie Weiber sind stets mit dem Lendenschurz bekleidet, der hier noch vorzugsweise aus einheimisch gewebten Pflanzenzeugen hergestellt wird und nur bei den Vornehmeren durch Baumwollenstoffe verdrängt ist. Das Pflanzenzeug ist je nach dem Bast, der meist von der Raphia gewonnen wird, von verschiedener Feinheit. Das Zeug hat etwa die Farbe der rohen Seide, und der daraus gefertigte Schurz ist ausserordentlich kleidsam; häufig werden die Gewebe schwarz gefärbt. Die Stücke, wie sie aus dem Handwebstuhle hervorgehn, werden mit einer pfriemförmigen „Bansa“ (Spaltstück der harten Palmrippen Schale) und Pflanzenschnur zusammengenäht. Das Bekleiden des Oberkörpers ist selbst bei Frauen eine Ausnahme, welche sich nur Fürsten, vornehme Häuptlinge und Händler gestatten. Von den Männern werden vielfach eiserne Armringe in verschiedener Anzahl getragen und zwar meist am linken Arm, während der kupferne Ring des auch hier existirenden Lembefetisches das rechte Handgelenk ziert. Frauen lieben dagegen mehr Ringe aus Messing, deren ich einmal bis dreiundzwanzig an einem Arme zählte. Auch die Fuss- gelenke umschliessen sie gern mit Beinringen, sogenannten „Milunga“ ; letztere sind häufig so dick, dass sie das Gehen erschweren. Weit beliebter und verbreiteter als an der Küste ist hier die Sitte des Täto- wirens beim weiblichen Geschlecht; meist werden schöne, geometrische Figuren eingeschnitten, die symmetrisch auf beiden Seiten des Nabels angebracht sind und sich oft bis zu den Brüsten aufziehn. Die Männer sind frei von dieser mit vielen Schmerzen erkauften Eitelkeit; zwar ist auch ihre Haut vielfach mit Narben bedeckt, diese rühren aber von häufig vorgenommenen Schröpfungen her. Völlig nackt laufen die Kinder umher, nur sind sie mit Fetischen an Hals und Hüften überladen. Denn der Fetischismus tritt in Mayombe in crasserer, auch dem Auge sichtbarerer Form auf als an der Küste. Die Mütter tragen ihre Säuglinge meist rittlings auf einer Hüfte, viel seltener auf dem Rücken. Die Kleinen laufen, auch wenn sie schon gehen können, in ihren Spielen mit Vorliebe auf allen Vieren und nehmen durch das häufige Umher wälzen auf der Erde eine aschgraue Hautfärbung an, die jeder anthropologischen Farbenscala spottet. Der vornehmste Neger Mayombes ist der Nganga Mvumbi in Tschilima; er wohnt auf der rechten Kuiluseite, einige Stunden von der' Niederlassung des Makossu entfernt, und ich schickte mich an, ihn zu besuchen. Die Beschreibung dieses Ausflugs wird es mir ersparen, die übrigen, nach ändern Richtungen gemachten zu schildern. Ich verliess meinen Lagerplatz am Tage, welcher dem Besuche der Buminakatarakten folgte, des Morgens um acht Uhr, setzte über den Fluss und gelangte in nordnordwestlicher Richtung nach zwei und einer halben Stunde durch dichten, grossärtigen Wald zu dem Dorfe des Nganga Mvumbi. Nur wenige Neger bildeten meine Begleitung. Derjenige unter ihnen, welcher als Koch diente, verstand zur Noth so viel Portugiesisch, um auch den Dolmetscher spielen zu können. Als ich gegen elf Uhr das Dorf betrat, in dem sich bis dahin noch nie ein weisses Gesicht gezeigt hatte, entstand grosse Aufregung, die sich bei den Kindern als Furcht, bei den Weibern als scheue Neugier und bei den Männern als mehr oder minder verwundertes Anstaunen meiner Person äusserte. Ich liess mich sogleich nach der Wohnstätte des Prinzen führen, wo denn auch ohne Weiteres ein feierlicher Empfang improvisirt wurde. Man setzte in die Sombra, wo die Feierlichkeit stattfand, eine leere Ginkiste und bedeckte sie mit einem rosageblümten Stück Zeug. Diesen für mich bestimmten Ehrensitz nahm ich alsdann ein und befand mich dem Nganga Mvumbi gegenüber, der von seinen Verwandten und den Ersten des Dorfes


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