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unangenehmen Geschmack und muss als eine ebenso liebliche wie nützliche Zuthat der Speisen angesehen werden. Ich nahm mein Quartier unter einem freistehenden Schutzdach an der Uferböschung. Eine Matte aus den Schäften des Papyrus war mein Lager und konnte mich nur nothdürftig gegen die Feuchtigkeit des Bodens schützen. Ich schlief in meinen Kleidern, mit verhülltem Haupte, umschwebt von fein summenden Mosquitos, so dass ich mich stets vom Schlafe unerquickt und mit steifen Gliedern erhob. An Kuhetagen schrieb ich an derselben Stelle, entwarf die Skizze des aufgenommenen Flusslaufes und berechnete die angestellten astronomischen Beobachtungen. Diese Thätigkeit war mit so vielen Körper- E in z e lf ru c h t d e r O e lp a lra e . Verrenkungen verknüpft, dass ich den angestrengtesten Marsch vorzog. Für die mühselige und wilde Lebensweise fand ich mich vollauf entschädigt durch das Bewusstsein, auf einem, unserer geographischen Kenntniss noch unerschlossenen Boden zu stehen und bald die erste Kunde davon der Heimat zusenden zu dürfen. Die Landschaft Mayombe ist so wenig eine politische Einheit wie die Loangoküste. Auch hier giebt es keinen Herrscher, der das ganze Land regiert, und fast jedes Dorf hat seinen eigenen selbstständigen Herrn. Das Land dehnt sich auf beiden Ufern des Kuilu aus und ist durch den Wald charakterisirt, der die ganze Oberfläche in ununterbrochener Continuität bedeckt. Dieser Wald, von dem ich viele Quadratmeilen durchschritten habe, entspricht nicht unsern Vorstellungen von einem tropischen Urwald und würde einen südameri- canischen Reisenden vielleicht enttäuschen; denn sein Habitus ist mehr unsern Hochwäldern angepasst. Die Alles überwuchernden Schlinggewächse tropischer Urwälder, die in die grünen Massen der aneinanderstossenden Baumkronen ein zweites Laubdach einweben und dem Wanderer nur ein Vordringen mit der Axt gestatten, treten hier überraschend zurück; sie fehlen allerdings nicht ganz, wie dies vor Allem die einst so stark vertretene, jetzt fast vernichtete Kautschukranke. (Landolphia florida) zeigt; aber sie treten immerhin zurück und lassen den schlanken Wuchs der hohen, buchenartigen Stämme unge- mindert in die Erscheinung treten. Das Unterholz unserer Hochwälder ist hier zum grössten Theil durch die grossen, paralleladrigen Blattgewächse der Scitamineen-Formen ersetzt, deren Hauptvertreter von den Eingeborenen „Masombe“ genannt wird; auch Farnkräuter fehlen nicht, aber die Entdeckung von Baumfarnen sollte erst einer meiner späteren Reisen Vorbehalten bleiben. Vielfach wandelt der Fuss über trocknes Laub. Nie wird eine Axt an die Stämme dieses Waldes gelegt, ausgenommen an den Stellen, wo Platz für ein neues Dorf geschaffen werden soll. Ein Stamm fällt und bleibt, wie er gefallen ist, mag der schmale Pfad, der sich durch das Dickicht hinzieht, auch Jahre lang dadurch versperrt werden. Ein ewiges Halbdunkel herrscht hier, und recht trübe Tage konnten glauben machen, dass eine Sonnenfinsterniss stattfände. Eine feuchte, treibhausartige Luft erfüllt die Atmosphäre und lastet wie ein ungewohnter Druck auf Geist und Körper. Die grosse Stille wird höchst selten durch das klagende Geschrei eines Vogels unterbrochen; Wild sieht man nicht. Wenn man stundenlang durch diese Wälder hingewandert ist, stets bergauf oder bergab, niemals eben, auf Wegen, die für einen Weissen zu schmal erscheinen, über und über bedeckt sind mit glatten, schlüpfrigen Wurzeln, wenn man sich immer von Neuem mit dem Fusse in Zweige und Schlingpflanzen verwickelt hat, von ändern Zweigen an den Kleidern festgehalten, von wieder ändern in’s Gesicht geschlagen worden ist, so sehnt man sich nach freier ungehinderter Bewegung, nach Luft und Licht und begrüsst mit Freude den ausgerodeten Waldplatz, auf dem das von Bananen und Palmen eingefasste Bayombe-Dorf sich erhebt. So coupirt nun das Terrain ist, über welches dieser Hunderte von Quadratmeilen in ununterbrochener Folge bedeckende Wald sich ausdehnt, und zu wie ansehnlichen Höhen man sich erheben mag, so gehört es doch.zu den seltensten Ausnahmen, wenn der Blick einmal nach der einen oder ändern Richtung ungehindert in die Ferne schweifen kann. Selbst dann bleibt die Orientirung so einseitig, .dass kein Bild von der Configuration des Bodens, im Besonderen nicht von bestimmten, vorherrschenden Richtungen der Bergzüge entworfen werden kann. Die Schwierigkeiten, welche der topographischen Thä


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