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98 Landschaft im Waldgebirge. seine Geschwindigkeit beibehalten kann, erreicht man die wichtige Grenze zwischen der flachen Ebene und den letzten Ausläufern des . Küstengebirges.; in vielg'egliederter Gestalt umsäumt es das Plateau Innerafricas. Die Breite des Flusses ist auf zweihundertundfünfzig Schritt verengt; es treten die ersten Steine auf, und das Ufer erhebt sich fünfzehn Meter über das Wasser. Hier liegt das Dorf Mamanya ma tali (Eisensteine). Wir legen an, und ich betrete zum ersten Mal ein Bayombedorf. Der Dorfherr, der für einen grossen Fetischmeister gilt, versteht ebenso wenig das Portugiesische wie die übrigen Bewohner, aber er zeigt sich freundlich und bringt im Moment der Abfahrt Hühner und Bananen. Von einem Glase Gin, das ihm ausser einem Geschenk an Zeug gereicht wird, trinkt er zwei. Dritttheile, giesst den Rest auf einen Teller und lässt ihn bei seinen Begleitern circuliren, die daraus wie aus einem Troge trinken. Mit dem sinkenden Tage wird die Fahrt fortgesetzt, die Sichel des zunehmenden Mondes steht noch hoch am Himmel, aber aufziehende Wolken verdecken ihn bald. An den scheinbar immer näher zusammentretenden Ufern sieht man die irrenden Lichter planetarisch glänzender Leuchtkäfer aufblinken, aber sonst lässt sich Nichts erkennen als einige sandige Stellen, die sporadisch an beiden Seiten des Stromes auftreten; und bei schwachem Laternenschein muss die letzte Strecke der fünfzehnstündigen Fahrt aufgenommen werden. Nur die Hoffnung auf baldige Ankunft lässt die ermatteten Ruderer bei der harten Arbeit ausharren, und gegen acht Uhr Abends ist die Factorei Mayombe erreicht. Der laute Gesang der Canoeleute hat unsere Ankunft sfchon von Weitem angekündigt, und der Vorsteher der Factorei, ein Mulatte, begrüsst uns, noch ehe wir den Fuss auf festen Boden gesetzt haben. Der folgende Morgen erschloss mir mit einem Schlage die ganze Pracht einer Flusslandschaft des westafricanischen Waldgebirges. Woher kam es, dass gerade dieser Anblick mich heimatlich an- muthete, dass meine Einbildungskraft die geliebten Wälder und traulichen Thäler Deutschlands sah, dass die Eindrücke der Gegenwart die der Vergangenheit zurückzauberten? Doch gewiss, weil wirklich eine Aehnlichkeit zwischen ihnen bestand! Zwar nicht im Einzelnen, aber in den grossen Zügen; zwei Mosaikbilder, aus verschiedenem Material gefertigt, dasselbe darstellend. Ein leichter Fieberanfall belehrte mich, dass ich auf africanischem Boden stand, wo man sich die Sonne nicht ungestraft aufs Haupt scheinen lässt. Doch konnte ich die anziehende, nun immer wechselvoller werdende Flussfahrt am folgenden Tage fortsetzen. Felsdurchbruch bei Ngotu. 99 Der Kuilu nimmt nun mehr und mehr den Charakter eines Bergstromes an, kleine Felswände durchbrechen die erdigen Uferböschungen, vor denen nicht selten Steine aus dem Wasser aufragen, und nach kaum fünfviertelstündiger Fahrt erheben sich zu beiden Seiten des auf dreissig Meter verengten Stromes die senkrechten Felsen der Pforte Ngotu, so genannt nach dem Fetisch, der es in seiner Macht hat, die Felsen wie zwei Kinnladen gegen einander zu schlagen. Oberhalb dieses Durchbruchs erweitert . sich das Flussbett wieder, aber die Strömung erhält sich heftig. Die Eingeborenen sprachen D ie S trom s c h n e lle n von B um in a . von Katarakten, fügten indess hinzu, dass es unmöglich sei, bis zu denselben vorzudringen. Ich schlug ein Lager am linken Kuiluufer auf. Nach mehrtägigen Verhandlungen liessen sich einige Neger bereit finden, mich auf der Expedition zu den Stromschnellen zu begleiten. Mit einem kleinen Canoe und vier Ruderern, von denen keiner Portugiesisch verstand, machte ich mich am Morgen des dreissigsten October auf den Weg. Die Fahrt nahm bald einen aufregenden Charakter an. Aus dem Grunde des Bettes traten mehrfach Felsen hervor, während mächtige Steinbänke sich vom linken Ufer aus gegen die Mitte des Flusses


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