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hundert Schritt, dann verengt er sich allmählich und an der Mündung des Nanga, eines rechten Zuflusses des Kuilu, misst er nur vier- hundertundfünfzig Schritt. Der Nanga ist bekannt wegen seines Reichthums an Wild, namentlich an Flusspferden; er wurde aus diesem Grunde im Jahre 1875 von den Herren Falkenstein und Pechuël- Loesche befahren und explorirt. Ich selbst verweilte nur an der Mündung, wo der Fluss etwa die Bedeutung des Luëmme hat. Auf der vom Kuilu und Nanga umspülten Landzunge befindet sich hart am Wasser ein Lagerplatz, „Pelle ma Nanga“ genannt, der jeden Europäer anmuthen würde, so herrlich erscheint hier der Wald in seiner ruhigen Pracht. Bei den Eingeborenen ist diese Stelle einiger Capsicum-Sträucher wegen besonders beliebt. Wol selten ist eine Frucht an ihnen zur Reife gediehen, aber die grünen Pfeflerschötchen genügen, die Canoes anzulocken und würzen den Insassen das Mal. Niemand würde wagen, die Pflanze muthwillig zu zerstören, denn mit Recht gilt sie für eine grosse W°lthat. Auch der Europäer lernt sie als solche betrachten, wenn erst der längere Aufenthalt in West- africa die Magenthätigkeit erschlafft hat und alle Speisen so insipide werden, dass der Widerwille gegen das Essen nur mit Hülfe des wärmenden und anregenden Negerpfeffers überwunden wird. Unsere Fahrt wurde erst in Mindö, wo das Waldland Yombe .— gewöhnlich Mayombe genannt — beginnt, unterbrochen, Hier musste den Negern, die ununterbrochen sechs Stunden gerudert hatten, einige Ruhe gegönnt werden, und wir improvisirten ein kleines Lager am linken Ufer. Ich trat in den Wald ein, fand den Boden ganz frei von Unterholz und mit trocknem Laube bedeckt; ein schmaler Pfad, der bis zur Küste führt, zog sich in einiger Entfernung vom Ufer hin. Ein Bayombe, mit einem Lendenschurz umgürtet und einer Lanze bewaffnet, erschien aus irgend einem Versteck des Waldes, die Malzeit der Canoeleute zu theilen. Es ist ein den Verkehr der Neger fast ausnahmslos kennzeichnender Zug, dass sie mittheilend gegen Diejenigen sind, welche selbst Nichts zu essen haben. Auch unter einander, wo sie von einem gemeinschaftlichen Vorrath zehren, sind sie nicht bedacht, sich durch übermässige Gier und Unvernünftiges Schlingen den Löwenantheil zu sichern. Da das Ziel noch weit war, so durfte unsere Ruhe nicht zu lange währen, und'nach einstündiger Rast wurde die Fahrt fortgesetzt. Die Sonne war ganz aus den Wolken getreten; wir befanden uns im Monat des höchsten Sonnenstandes, es war Mittag, kein Lüftchen regte sich, und sengende Strahlen fielen auf den im Canoe zusammengekauerten Reisenden. Die Landschaft blieb unverändert. Eine allgemeine Lethargie schien alles Lebende ergriffen zu.haben; der Gesang'der Neger verstummte, und der glänzende Tag forderte nun, was der verkürzten Nacht vorenthalten blieb; mit bleiernen Augenlidern starrte ich auf Compass, Uhr und Notizbuch und trug zwischen Schlaf und Wachen meine Wahrnehmungen ein. Endlich brachte eine Flusskrümmung die ersehnte Brise, die Sonne trat wiederum hinter Wolken, und ein neuer Anblick fesselte die Aufmerksamkeit. Wir waren in denjenigen Theil des Flusses eingetreten, in dem sich Flusspferde mit Vorliebe tummeln, und nun sah ich in der That mehrere dieser kolossalen Thiere im Wasser umherschwimmen; sie zeigten, wie gewöhnlich, Nichts als den oberen Theil des horizontal ausgestreckten Kopfes, und auch dieser verschwand mit dem Knall der gegen sie abgefeuerten Büchse. Im tiefen Wasser fürchtet man diese Ungethüme nicht, wol H ip p o p o tam e n im W a s s e r . aber im seichten, wo sie die Canoes von unten her mit dem Rücken umwerfen, wie die Neger und die Europäer der Küste behaupten. In der Fiotesprache haben sie den Namen „Mvubu“ wegen des pustenden Geräusches, das sie im Wasser häufig vernehmen lassen. Eine flache Insel, die zur Zeit des niedrigen Wasserstandes mit dem rechten Kuiluufer zusammenhängt, isCnach ihnen „Tschitumbu Mvubu“ d. h. Flusspferdinsel getauft. Dort werden die mächtigen Thiere wol zuweilen von den Eingeborenen (die im Allgemeinen nicht passionirte Jäger sind) in Fallgruben gefangen und mit Feuersteingewehren erlegt. Aus der Mitte des Stromes traten einige flache, grün schimmernde Bänke hervor, auf denen Enten sassen. Im Uebrigen war für Jäger wenig Beute zu erhoffen; weder Pelicane noch Reiher Hessen sich blicken, die fröhlichen Papageien, seitdem sie ihren Morgenflug beendet, blieben im Waldesdickicht verborgen, und nur einige Adler rührten noch ihre gewaltigen Schwingen. Die Flussufer, bis dahin gleichmässig flach hinlaufend, zeigten nun ein allmähliches, stetiges Ansteigen. Da wo die langgestreckte Hundertinsel (Kama Tschitumbu) sich am rechten Ufer dehnt, und das Fahrzeug nur mit emsigerem Rudern in dem heftigeren Strom Loango. I. - 7


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