Palaver. Redekunst. Kriegstanz. zum Dorfe Mankatta Osobo führte. Hier wurden wir in der üblichen Weise empfangen; man stellte uns eine Hütte zur Disposition und wir richteten uns für mehrere Tage daselbst ein. Am folgenden Tage begann das Palaver, zu welchem sich die Prinzen von Osobo zusammengefunden hatten. Da ich das Glück hatte, in diesem Falle als unbetheiligter Zuschauer anwesend zu sein, so blieb mir der Aerger erspart, der sonst immer mit dieser Art von Verhandlungen verknüpft ist, und ich konnte meine Beobachtungen völlig ungestört machen. Es ist bereits oben erwähnt, welchen Hang die Eingeborenen zu parlamentarischen Verhandlungen haben, und in der That ist die Geschicklichkeit, welche sie dabei entwickeln, bemerkenswerth und überraschend. Die Fragen werden meist mit grösser Schlauheit und in der Absicht, die Gegenpartei zu verwickeln, gestellt, so dass die traditionelle Vorstellung von der Beschränktheit und geistigen Verkommenheit der Neger hierbei vollständig zu Schanden wird. Der entwickelte Redefluss ist zuweilen Staunenswerth; derselbe Mann kann stundenlang, mit lauter Stimme und heftiger Gesticulation ununterbrochen sprechen, ohne ein Zeichen der Ermüdung zu verrathen. Der Gesichtsausdruck, so häufig ein Räthsel für den Europäer, verrath wenig, was in dem Redner vofgejit, und manche vornehmeren Neger sprechen mit Würde, -ja mit Anmuth. Beim Beginn der Rede und auch im Verlauf derselben klatscht der Sprecher in die Hände und ruft „gang, gang, gang“, d.h. hört, hört, hört; bei gewissen Schlusssätzen fällt die Zuhörerschaft, zum Zeichen ihrer Aufmerksamkeit und ihres Beifalls, in choro ein und klatscht dann in die Hände. Zuweilen geht die Rede in eine Art singenden Recitativs über, m welchem sich Anklänge an eine klagende Melodie zeigen, und worin alle Umsitzenden andächtig einstimmen. Aber auch wilde Scenen können sich ereignen, wenigstens erscheinen sie so, wenn man sie zum ersten Male sieht. Dies geschieht, wenn ein Redner sich zu einem Kriegstanze hinreissen lässt, wobei er in wilden Sprüngen und Drohungen, mit Gesichtsverziehungen und Geschrei, meist in sehr geschickter Weise vor dem staunenden Auditorium hin und her tanzt, plötzlich stehen bleibt, ein anderes schreckliches Gesicht zieht, um gleich darauf den Tanz von Neuem aufzunehmen. Zuweilen erreicht der Paroxismus des Muth und Wuth schnaubenden Kriegers eine solche Höhe, dass, wenn er nun wieder den fanatischen Tanz durch plötzliches Stehenbleiben unterbricht, er den Zuschauern den Rücken zudreht, sich beugt und dabei seinen Schurz verächtlich aufhebt. Im Allgemeinen herrschte grosse Ruhe und Aufmerksamkeit bei der Zuhörerschaft. Während des Palavers, das einen halben Tag dauerte (damit aber noch nicht beendet war), enthielten sich die Betheiligten des Rauchens wie des Branntweins, wol aber kauten Einige Stücke der bittern Colanuss, während Andere Tabak schnupften. Der Colanussbaum findet sich in einigen Gegenden, namentlich im eigentlichen Waldlande des tropischen Westafrica in reichlicher Menge, und es ist leicht, sich ganz frische Nüsse zu verschaffen, die ein rosig angehauchtes, weisses Fleisch von der Consistenz unserer Maronen haben. Der Geschmack ist ausserordentlich bitter aber nur anfänglich unangenehm, die Wirkung eine wolthätig anregende. Ich habe mich zuweilen ganze Tage bei sehr grossen Anstrengungen und erschöpftem Körper ausschliesslich durch den Genuss dieser Frucht aufrecht er- Frucht'des Colabaumes (Sterculia acuminata). 1/i_1itn- ^rhalten. Sehr angenehm ist es, mit der Colanuss gleichzeitig ein Stück roher Ingwerwurzel, die auch in den Wäldern vorkommt, zu gemessen. Was das Schnupfen betrifft, so ist diese Sitte zwar lange nicht so verbreitet wie die des Rauchens, aber aus der allgemeinen - Bettelei, die sich um eine Schnupftabaksdose (meist eine kleine Ca- lebasse) zu entwickeln pflegt, muss man schliessen, dass das Schnupfen sehr beliebt ist. Die Bewohner von Osobo waren fast ausnahmlos in europäische Baumwollenstoffe gekleidet, wie es bei dem starken Handel, den sie treiben, auch nicht Wunder nehmen kann. Ihr Auftreten war mehr selbstbewusst als freundlich, und bei einem Gespräch, in welchem wir sie fragten, was sie machen würden, wenn die Weissen ganz weggiengen, und weder Rum noch Zeug noch Pulver in’s Land käme, antworteten sie sehr richtig*, dass ihre Vorfahren alle diese Dinge nicht gekannt und doch glücklich gelebt hätten. Bei einer Umschau im Dorfe hatte ich mehrfach einen widerwärtigen Anblick; verkrüppelte, selbst mit Elephantiasis behaftete Geschöpfe Hessen sich sehn, aber besonders abstossend erschien mir ein Weib, das nach der dort herrschenden Sitte höchster Trauer sich niemals waschen durfte, und deren Gesicht mit dicken Krusten von Schmutz belegt war. Hier wie überall fand ich das Auftreten der Weiber decent und
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