Ein uralter Loango-Fürst. wenn man derartige Anschauungen der Eingeborenen auf weite Gebiete hin für berechtigt ansähe. Denn von zwei äquatorialen Reichen des Continents, dem des Königs Munsa und dem des Muata Yanvo wissen wir bereits, dass sie eine höhere Culturstufe einnehmen als die der Küste näher gelegenen. Es galt nun vor Allem, dem alten Kokodo, dem Beherrscher von Nkondo, unsere Aufwartung zu machen. Man hatte mir ausserordentlich hohe Angaben über sein Alfer gemacht, und ich war begreiflicher Weise sehr gespannt. Man erzählte, er könne gar nicht mehr essen und lebe schon seit Jahren ausschliesslich von Rum und Palmwein. Wir traten durch den hohen Papyruszaun, der die Wohnsitze der Vornehmen gegen die Aussenwelt absperrt, und fanden den alten Herrn auf einer Matte in einer Hütte sitzend, deren Giebelwand man herausgenommen hatte. Wir nahmen auf einer schmalen Bank ihm gegenüber im Freien Platz; und während die zum Hause Amaniamas gehörigen Leute hinter uns als Gefolge standen, war Kokodo von seinem zahlreichen Hofstaat und der noch zahlreicheren Familie umgeben. Amaniama -vermittelte die dürftige Unterhaltung zwischen uns und seinem Vater. Der Anblick schien die Angaben über Kokodos hohes Alter zu rechtfertigen; er war fast zur Mumie zusammengeschrumpft, erschien ganz stumpf, und der rothe Uniformrock mit dem goldgestickten Kragen und den silbergestickten Aermelaufschlägen, den man ihm umgehängt hatte, erhöhte noch die schaudervolle Aehnlichkeit mit einem anthropoiden Affen. Ausser einem Geschenk Übergaben wir, wie üblich, eine Flasche Rum, die während der Audienz in formaler Weise geleert wurde. Der Hofmarschall Kokodos credenzte seinem Fürsten das Glas, das dieser in mehreren Absätzen mit einer Langsamkeit zu Munde führte, wie" man sie sonst nur bei halbgesättigten Chimpansen wahrnimmt; darnach gieng die Flasche um, und Alle tranken secundum ordinem. Die Reihe der Söhne Kokodos, die ich mir gegenüber sah, begann bei einigen grauhaarigen und endete mit einem etwa dreizehnjährigen Knaben. Da ich wusste, dass die Neger nicht nur ihre leiblichen Söhne, sondern auch ihre Sclaven mit „Muana“, d. h. Kind bezeichnen, so fragte ich ausdrücklich nach dem wahren Verhältniss. Amaniama. antwortete mir in gebrochenem Portugiesisch, der Betreffende sei ein „Sohn des Weibes“, kein „Sohn des Zeuges“ d. h. kein mit Zeug bezahltes Kind, kein Sclave, sondern ein leibhaftiger, vom eigenen Weibe geborener Sohn. Im- Grossen und Ganzen herrschte nicht gerade sehr viel Feierlichkeit und Ehrerbietung gegen den uralten Greis vor, und seine Die Hütte einer Jungfrau. 75 Umgebung schien mit ihm zu scherzen. Wir verabschiedeten uns nach zehn Minuten durch Handschütteln und setzten den Weg durch das Dorf fort. Eine kleine, zierliche Hütte, nach einer Seite hin halb offen, innen ganz mit Matten ausgeschlagen, fesselte meine Aufmerksamkeit. Ein junges Mädchen, eben zur Jungfrau erwachsen, sass darin, nur dürftig mit einem Lendenschurz bekleidet, aber über und über mit dem rothen Pulver des Tukula-Farbholzes eingerieben; dies konnte der Tadellosigkeit der Formen indessen Nichts nehmen, deren Ebenmass und zarte Fülle mit dem kindlichen Gesichtsausdruck des Mädchens contrastirte. Daneben sass ein altes Negerweib, welchem die Rolle der Wärterin oder Beratherin zuertheilt schien. Derartige öffentliche Ausstellungen, gegen welche unsere Sitten sich empören würden, sind in jenen Gegenden durchaus nichts Ungewöhnliches und erscheinen den Eingeborenen um so natürlicher, als es sich in der That dabei um sehr natürliche Dinge handelt. Das Haus, in dem das junge Mädchen wohnt, heisst das „Haus der Jungfrau“, die nun mannbar ist, und wer Gefallen an ihr findet, darf sie zur Ehefrau begehren, oder in das losere Verhältniss des legitimen Concubinats zu ihr treten. Als die Nachmittagssonne sich neigte, hatte ich natürlich den Wunsch, einige Höhen mit dem Reflexions-Instrument zu nehmen, um eine Zeitbestimmung zu erhalten und dadurch eines der Daten für die spätere Berechnung der Positionen von Nkondo. Dies war nun freilich ein heikles Ding, und man konnte nicht wissen, wie die Neger die zauberische Procedur aufnehmen würden. Indess wurde Amaniama durch meinen Gefährten Miguel vorbereitet, und unter der Autorität des Prinzen gelang es wirklich, die Beobachtungen vorzunehmen, während mich die Bürger von Nkondo in mässiger Entfernung flüsternd umstanden. Mittlerweile hatte Miguel die ganze Flut der Fragen auszuhalten, die an ihn gerichtet wurden, aber er wusste sich aus der Affaire zu ziehen und sagte: Ihr wisst doch, dass die Sonne im Meere unter geht? Der Weisse will nun wissen, ob sie auch im Meere aufgeht. Deshalb ist er von der Küste zu Euch gekommen und von Euch will er weiter ziehen, immer tiefer in’s Land hinein, bis er die. Sonne aus dem Meere aufsteigen sieht. Leider aber hatten die Manipulationen, welche gewisse Fetischdoctoren bei Beschwörungen anwenden, eine solche Aehnlichkeit mit den bei meinen Beobachtungen nothwendigen, dass der Glaube blieb, ich sei ein europäischer Nganga, d.h. ein Doctor. Für das Beobachten mit Reflexions Instrumenten ist es bekanntlich erforderlich, dass man Queck
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