68 Charakter des Landes. soll. Aber auch die Wälder erscheinen nun mannigfaltiger und grossartiger: die hochstämmigen Bäume mehren sich, die verholzten Lianen haben trotz ihrer phantastischen Verschlingungen oft fussdicke gewundene Stämme. Bei den häufig nothwendigen Passagen durch die Sümpfe der Thalsohlen entfaltet der Urwald seine ganze Pracht, die in der Vereinigung der verschiedensten Pflanzen typen besteht: Hochwald, niedersinkende Lianen und aufschiessende Blattgewächse sind innig mit einander zu unentwirrbarem Pflanzenchaos verbunden. Was solchen Anblick noch eindrucksvoller macht, das sind die schroffen Uebergänge von einer Vegetationsform in die andere — von der Savane zum Walde und wiederum von diesem zur Savane. Der Wald ist eben in erster Linie an Feuchtigkeit gebunden, die ihm hier die Thalfalten allein in genügender Menge bieten; die trockneren Hügelrücken und die plateauähnlichen Flächen giebt er der Savane frei. Der Weg sucht die Höhen so viel wie möglich zu halten und pflegt die Thäler in ihren oberen, nicht bewaldeten Anfängen zu durchschneiden. Oft aber ist dies nicht möglich, und dann senkt er sich steil ab, um nach dem Passiren eines ebenen Sumpfes ebenso schnell wieder bergauf zu führen; und so kommt es, dass man im Laufe einer Viertelstunde den üppigsten Tropenwald und die oft trostlose, dürre oder niedergebrannte Grassteppe sieht. Indessen ist die letztere doch nicht so eintönig, wie man glauben möchte, wenn man sie in der trocknen Jahreszeit kennen gelernt hat. Sobald die ersten Regen der im October beginnenden heissen Zeit die Reize des äquatorialen Frühlings entfesseln, brechen zarte; saftige Gräser aus den verdorrten Flächen der Savane hervor und entwickeln sich je nach ihrer Eigenart zu undurchdringlichen Grasdickungen oder zu dem graciösen Habitus unserer wogenden Kornfelder. Wie sich ein nordeuropäisches Waldgebiet mit Eichen-, Buchen-, Tannen-, Birkenwäldern bestanden zeigt, so gleicht die westafricanische Savane einer Folge von Gramineenwäldern; den vier verschiedenen Arten von Gräsern, die hauptsächlich zu ihrer Bildung beitragen, entspricht ein vierfacher Typus der Savane. So undurchdringlich dieselbe auch erscheinen mag, so lässt sich nach ihrem Niederbrennen im Winter doch leicht erkennen, dass die einzelnen Grasbüschel in ziemlich bedeutender Entfernung aus dem Boden treten und denselben mit einem weitmaschigen Wurzelnetz bedecken. Die verschiedenen Gräser sind von sehr verschiedener Höhe; am mächtigsten entwickelt sich die Art mit dem schilfförmigen Habitus; die damit bestandene Savane ist völlig undurchdringlich, in ihr würde ein Reiter mit Pferd gerade verschwinden, und selbst auf den Vegetation. Nsiaraputu. 69 schmalen Pfaden ist nur dann ein mühsames Vordringen möglich, wenn dieselben durch lebhaften Verkehr offen gehalten werden. Andere Grasdickungen lassen sich ohne Weg passiren. Im allgemeinen fürchten sich die Eingeborenen davor, nicht nur weil die Stoppeln umgeknickter Halme sogar ihren verhornten Sohlen wehe thun, sondern weil sie behaupten, dass die Grannen der Aehren, 'wie die vielfach empfindlich schneidenden Halmblätter ihnen Hautkrankheiten verursachen. Das weglose Umherwandern in der Savane birgt stets noch eine Gefahr, gegen die man übrigens in Africa ganz ausserordentlich gleichgültig wird, die Gefahr der Schlangen. Da man den Boden nicht sehn kann, so wird man auch nicht ein etwa vorhandenes giftiges Reptil gewahr, und tritt man auf dasselbe, so wird man gebissen. Oelpalmen (Elaeis guineensis) finden sich in den Wäldern des durchreisten Gebietes nur zerstreut, aber an den Rändern sind sie nicht selten. Ihr geselliges Auftreten gestattet meist, auf die Nähe von Dörfern oder einst bewohnter Stätten zti schliessen. Wo im Dickicht Palmenbestände auftreten, — es ist dies meist nur an sehr feuchten Stellen der Fall — .werden sie durch die Weinpalme (Raphia vinifera) gebildet. Fast unbekannt ist die Kokospalme, und nur in wenigen Exemplaren an der Küste vorhanden. In Westafrica übernimmt die Oelpalme die Stelle, die jenem Baum für einen grossen Theil der Erde zugewiesen ist. Wir passirten auf dem Wege von Tschissambo nach Nsiamputu mehrere Dörfer, sämmtlich desselben Charakters. Sie liegen nie inmitten des Waldes, sondern stets auf offener Savane, mit Anlehnung an den Wald. Bananenstauden, die in den nördlicheren Gegenden förmliche Beständ* in der Nähe mensch- ■ licher Wohnsitze bilden, werden hier nur vereinzelt angetroffen. Mit der Annäherung an Nsiamputu tritt die Savane mehr gegen den Wald zurück, was auf einen grösseren Faltenreichthum des Terrains schliessen lässt. Von der sechzig Meter hoch gelegenen Factorei übersieht man mehrere Gruppen zusammenfliessender Thäler, die alle dicht bewaldet sind, so dass man sich mitten in ein ausgedehntes Waldgebiet versetzt glauben könnte; und es ist wunderbar, wie sehr man namentlich des Morgens, wenn die Waldnebel aufsteigen und die Temperatur noch niedrig ist, bei solchem Anblick an die deutsche Heimat erinnert wird. Die Illusion wird erst zerstört, wenn etwa plötzlich ein Volk grauer Papageien pfeifend zum nächsten Walde fliegt, der Blick auf eine Palme fällt, oder ein Neger die Betrachtung durch irgend ein überflüssiges Anliegen unterbricht. Was über den Weg von Tschissambo nach Nsiamputu gesagt ist, behält für das ganze Terrain zwischen Tschissambo, Nkondo,
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