und die Ablesungen anzuschreiben. Diese an sich kleinen Leiden sind für eine Beschäftigung, deren ganzes Wesen auf Präcision beruht, von einschneidender Wirkung; sie gestalten sich zu Fehlerquellen, die das Resultat empfindlich schädigen könnten, wenn sie nicht durch Gewöhnung und Abhärtung eliminirt würden. So kommt es, dass die schlichten Zahlenangaben der geographischen Länge Und Breite, durch die wir einen Ort auf der Karte Africas fixiren, meist die Frucht mühseliger Arbeit sind. In den ersten sechs Wochen meines africanischen Aufenthaltes fühlte ich mich körperlich wol. Nach der langen Seereise konnte die wiedererlangte Freiheit der Bewegung und der Action nur wol- thuend wirken; die Hitze hatte nichts Bedrückendes, und ein stets reger, zuweilen an Heisshunger streifender Appetit stellte sich ein. Nur der Moment des Erwachens war stets unbehaglich und zeigte, dass der Körper in fremdartige Lebensbedingungen gestellt war. Ich fühlte alsdann ein ungewohntes Ziehen in den Gliedern, ein übermässiges Verlangen, mich zu recken, hatte einen benommenen Kopf und konnte mich einer sorgenvollen Stimmung nicht erwehren. Erst nachdem ich mir äusserlich und innerlich einen gehörigen Stoss versetzt, gehörte ich ganz dem neuen Tage an und freute mich der neuen Existenz. Diese erste Zeit des Wolbefindens täuscht gar leicht über die Zukunft und befestigt die bei vielen Neulingen anzutreffende Meinung, dass wol alle übrigen Menschen dem zerstörenden Einfluss des Klimas, besonders dem Fieber unterworfen sein mögen, dass sie selbst aber sicher davon verschont bleiben würden. Ein gesunder Pessimismus liess mich in dem Eintreten des Fiebers nur eine Frage der Zeit sehn, die sich denn auch nach sechs bis acht Wochen des Aufenthaltes in Loango erfüllte. Zu den Künsten, die der Anfänger möglichst bald zu lernen hat, gehört die des Bezahlens. Gemünztes Geld kennt man, wie schon erwähnt, nicht. Im Verkehr der Weissen unter einander werden zwar alle Berechnungen nach portugiesischen Reis fracos aufgestellt, den Eingeborenen gegenüber aber wird nach Zeugeinheiten gerechnet, nach dem sogenannten Cortado (auch Peca genannt) und nach dem Panno. Es ist ein Cortado = vier Pannos = sechs englischen Yards. Als Wertheinheit gilt ein Stück Baumwollenzeug mittlerer Güte von der Länge eines Cortado. Die Stoffe werden schon in Europa so gelegt, dass man kein Mass nöthig hat und nur die Lagen eines Stückes abzuzählen braucht, um zu wissen, wie lang es ist. Die Neger, die an der Grenze des Litorals und des Buschlandes- wohnen, behaupten freilieh, zwei Pannos seien so viel Zeug, als sie mit ausgestreckten Armen spannen könnten. Die Factoreien pflegen für den Cortado ein Milreisfracos, etwa drei Reichsmark, und darüber zu berechnen. Der Werth aller übrigen Tauschartikel wird nun dem entsprechend ausgedrückt. Es gelten z. B. ein grosses Faschinenmesser zwei Pannos, eine kleine gewebte Mütze einen Panno, ein Tischmesser einen Panno, zwei kleine Spiegel einen Panno, ein Hemd sechs Pannos, ein baumwollener Schirm vier Pannos, eine Gallone Branntwein vier Pannos. Von den beiden, ursprünglich mir zuertheilten Mitgliedern der Expedition musste von Görschen bald nach seiner Ankunft in Africa zurückkehren, von Hattorf aber befand sich noch in Banana. Die ganze misstrauische Neugier der Eingeborenen concentrirte sich also auf mich. Ein Weisser, der ein Haus gekauft hatte und keinen Handel darin trieb, der ganz gegen alles Herkommen zu Fuss und ohne Hängematte die Gegend durchstrich, sich in den Dörfern umschaute, die gewöhnlichsten Geräthschaften betrachtete und fortwährend in einem Buche schrieb, der endlich bei Tage die Sonne und Nachts bei Laternenschein die Sterne beobachtete und auch dabei noch schrieb — was konnte der wollen? Die Fama, nirgendswo so geschäftig wie in Africa, trug die Kunde von mir schnell weithin. Einige vornehme Eingeborene wandten sich heimlich an lang angesessene Weisse, um zu erfahren, in welcher Absicht ich gekommen sei? Unter Anderem wurde ihnen geantwortet, in „Mputu,“ das heisst in Europa, sei ein Stern verloren gegangen, und ich sei ausgeschickt worden, ihn im Lande der Schwarzen wiederzufinden. Aber das beruhigte nur Wenige. Ein grosses Misstrauen blieb zurück, und ich musste Alles von der Zeit und einem gerechten,' aber furchtlosen Auftreten erwarten. Da die für den dauernden Aufenthalt in der Station bestimmten Gefährten erst im November erwartet wurden, die verlorne Ausrüstung der Expedition in Europa neu beschafft werden musste, die Regenzeit nicht mehr fern war, so durfte ich an Unternehmungen grösseren Umfanges vorläufig nicht denken. Wol aber schien es angezeigt, das Terrain darauf hin zu recognosciren, wo dem Vordringen in’s Innere der geringste Widerstand entgegengesetzt werden würde; und um keine Zeit zu verlieren, unternahm ich die erste dieser Reisen bereits im September 1873.
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