6o Einrichtung der Station. fährten herzustellen. Ausschliesslich auf schwarze Handwerker angewiesen, mit denen ich mich nur auf das Nothdürftigste verständigen konnte, und die sich zu doppelter Faulheit berechtigt fühlten, weil sie es mit einem Neuling zu thun hatten, sah ich mich gezwungen, selbst den Bauaufseher zu spielen und wochenlang, Tag für Tag, die Machtlosigkeit des Europäers gegen den passiven Widerstand des Africaners zu fühlen. Von dem alten Hause blieb kaum mehr stehen als die Pfosten und die Unterlage des Daches. Ich liess aus Kabinda Bretter kommen, um den Boden zu dielen; die Eingeborenen der Nachbarschaft fertigten neue Papyruswände und ein neues Dach an, es wurden Thüren und Fenster gezimmert, die nothwendigsten Tische verfertigt und Küchen- und sonstige Hausgeräthschaften aus Banana und Landana bezogen. Nach zweimonatlicher Arbeit war Alles wenigstens nothdürftig fertig, die Station konnte functioniren und bot Platz für fünf Europäer, die sich dann freilich sagen mussten, unter allen Weissen der Küste am bescheidensten untergebracht zu sein. Nach Ankunft des Dr. Falkenstein (November 1873) gieng die Sorge der Instandhaltung und Erweiterung der so geschaffenen Heimat auf diesen über, da meine Aufgaben mich von Tschintschotscho fern hielten, und ich daselbst nur noch im Interesse auszuführender Reisen zu verweilen hatte. So wenig nun diese erste, dem Bau der Station gewidmete Zeit die Wünsche nach Explorirung fremder Gegenden erfüllte, so war sie mittelbar doch von grossem Werth; denn sie stellte mich mehr und mehr auf eigne Füsse und lehrte, wie auch ohne Unterstützung eines bereits erfahrenen Weissen mit den Eingeborenen zu verkehren sei. Im Allgemeinen sind die neu ankommenden Europäer geneigt, die Neger mit einer gewissen Bonhommie zu behandeln, weil sie deren gefährliche Eigenschaften unterschätzen und gegen die schädlichen Folgen eines falschen Auftretens durch die respectirte Autorität ihres Gastfreundes oder durch ihre eigne untergeordnete und deshalb nicht verantwortliche Stellung geschützt sind. Denn die Eingeborenen wissen sehr wol, dass es in jeder Factorei immer nur Einen giebt, der Befehle ertheilt und die Verantwortlichkeit hat; an diesen halten sie sich und suchen sich seines kleinen Fingers zu bemächtigen, um dann die ganze Hand zu bekommen. Ein gleichmässig ruhiger Ernst, Gerechtigkeit, Strenge und vornehme Freigebigkeit, nicht aber Verschwendung, tragen am meisten dazu bei, dem Weissen Ansehen bei der schwarzen Bevölkerung zu geben. Aber es ist ausserordentlich schwer, stets auf der schmalen Bahn des Gleichmuths zu wandeln, sich niemals zum Zorn oder zu rücksichtsloser Bestrafung Astronomische Beobachtungen. 6l hinreissen zu lassen; es kommen Stunden der Verzweiflung, der Krankheit, des Verraths, wo man ein Gott sein müsste, um ruhig zu bleiben. Alle Zeit, welche ich nicht mit meinen schwarzen Bauleuten und mit Beschaffung des Baumaterials oder des stets zerbrechenden Handwerkszeuges verbrachte, wurde zu Ausflügen in die nächsten Umgebungen sowie zur Anknüpfung neuer, stets instructiver. Beziehungen mit alten Küsten-Portugiesen verwendet. Die kalte Nebelzeit war noch nicht zu Ende, die Gräser sahen noch grau, die mächtigen Adansonien unbelaubt aus; die Nächte waren so kalt, dass ich auf meiner Maisstrohmatratze unter zwei wollenen Decken schlief und selbst bei Tage wärmer gekleidet gieng, als wir es bei uns im Hochsommer zu thun pflegen. Meine astronomischen Beobachtungen, die sowol zur genauen Bestimmung der Lage der Station wie auch, um die Taschenuhren stets in Controle zu halten, an allen klaren Abenden durchgeführt wurden, beschäftigten mich häufig in der ersten Hälfte der Nacht und ihre Berechnung am folgenden Tage. Gerettet aus dem Schiffbruch waren drei Taschenuhren, ein Prismenkreis, der Quecksilberhorizont und die Jahrbücher; ferner zwei Aneroidbarometer, ja sogar ein Thermometer, das unversehrt an dem zerbrochenen, von Prof. Neumayer in Australien gebrauchten, der Expedition geschenkten Quecksilberbarometer erhalten war. Es fehlte mir also Nichts für die nächtliche Arbeit. Nur that ich vielleicht des Guten zu viel, wenn ich die Beobachtungen länger aüsdehnte, als absolut erforderlich war. Es schien mir aber nöthig, für die wichtige Aufgabe der geographischen Ortsbestimmung diejenige Uebung zu erlangen, die sich nur auf africanischem Boden selbst erwerben lässt. Denn man kann in der anmuthenden Ruhe einer europäischen Sternwarte ein sehr guter Beobachter sein und wird dennoch in Africa, namentlich bei Sextanten-Beobachtungen, anfänglich mittelmässige Resultate erhalten. Dem häufig ermüdeten, durch Krankheit geschwächten oder durch heranziehendes Fieber erregten Körper fehlt oft die stetige, sichere Hand, nur zitternd vermag man das Instrument zu halten; dem auf dem Boden aufgestellten Quecksilber-Horizont droht von Seiten umherlaufender Hunde, Schweine oder Ziegen die Gefahr der Verschüttung; neugierige Neger — sie brauchen gar nicht feindlich gesinnt zu sein — führen ein lautes, auf die Manipulation des Weissen bezügliches Gespräch oder tanzen singend bei lautem Trommelschlag; Mos- quitos kommen in immer erneuten Scharen, setzen sich auf Stirn, Nase und Hand des Beobachters und folgen ihm, wenn er sich vor der Laterne zusammenkauert, um Uhr und Instrument abzulesen
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